Die Regierung von US-Präsident Donald Trump wurde gemäss «ABC News» allein in den ersten 100 Tagen mindestens 220 Mal verklagt – und von den Bundesgerichten vielfach zurückgepfiffen. Unliebsame Richter nennen Trump und seine Verbündeten «linksradikale Verrückte», ein Trump-Berater spricht von einem «Justizcoup». Richterinnen und Richter werden bedroht. So etwas habe er noch nie erlebt, erklärt der ehemalige Bundesrichter John Jones, der von Ex-Präsident George W. Bush eingesetzt worden war.
SRF: Sie waren bis 2021 Bundesrichter. Wie ist das Klima im Vergleich zu Ihrer Zeit im Amt?
John Jones: Total anders. Ich erlebte während meiner Zeit auch Drohungen. Immer schon ärgerten sich Präsidenten im Privaten über Gerichtsurteile gegen ihre Regierung. Aber diese Rhetorik von Meinungsführern wie Trump könnte vom kleinen Prozentsatz labiler Menschen als Motivation genommen werden, einer Richterin oder einem Richter Schaden zuzufügen. Es ist ein sehr, sehr gefährliches Klima für Richter.
Sie machen sich fürchterliche Sorgen um ihre Familienangehörigen.
Es gibt Berichte von Hassreden in den sozialen Medien, von Bombendrohungen, von Pizzas, die zu den Richterinnen und Richtern nach Hause bestellt wurden.
Die Pizzas wurden im Namen von Daniel Anderl bestellt. Das ist der Name des Sohnes einer grossartigen Kollegin: Richterin Esther Salas. Er wurde vor fünf Jahren erschossen. Die klare Botschaft: «Wir wissen, wo du wohnst, und wenn du nicht spurst, könnte dir das Gleiche blühen.» Die meisten Richterinnen und Richter, mit denen ich spreche, akzeptieren das Risiko des Amtes. Aber sie machen sich fürchterliche Sorgen um ihre Familienangehörigen.
Auch Demokraten haben Richterinnen und Richter schon hart attackiert. Trumps Angriffe aber sind heftiger. Selbst Justizministerin Pam Bondi greift Richter an. Ist das ein neues Level?
Die Generalstaatsanwältin, die einzelne Richter verunglimpft! Das gab es in unserem Rechtssystem einfach nie. Damit wird fast verneint, dass die Gerichte ein gleichberechtigter Teil der Gewaltenteilung sind. Das ist eine Folge der Theorie der Trump-Regierung, wonach die Regierung die anderen Gewalten dominiere.
Das ist ein Angriff auf das Gefüge unserer Demokratie.
Sehen Sie Hinweise darauf, dass Richter, die von demokratischen Präsidenten eingesetzt wurden, die Trump-Regierung derzeit auf unfaire Weise blocken?
Am Obersten Gerichtshof sind philosophische Unterschiede bei den Urteilen offensichtlich. Die Bezirksrichter, also die Bundesrichter auf der untersten Ebene, erlassen aber keine neuen Gesetze. Sie sind an Präzedenzfälle gebunden. Bisher habe ich keinen generellen Trend beobachtet, der darauf hindeuten würde, dass die Fälle rund um die Trump-Regierung je nach Präsident, der den Richter ernannt hat, anders behandelt werden.
Gemäss dem Umfrageinstitut Gallup ist das Vertrauen in die Gerichte an einem Tiefpunkt. Jetzt scheint die Trump-Regierung bereit zu sein, richterliche Entscheide in Einzelfällen zu ignorieren. Was bedeutet das auf lange Sicht?
Im Moment sieht es noch so aus, als wolle die Regierung weiter ihre Spielchen mit den tieferen Bundesgerichten spielen, sich aber an Entscheide des Obersten Gerichtshofs halten. Aber wenn die Öffentlichkeit das Vertrauen in die Justiz und ihre Fähigkeit verliert, fair zu entscheiden, begeben wir uns auf einen gefährlichen Pfad, an dessen Ende Gerichtsentscheide keine Bedeutung mehr haben. Richter so zu verunglimpfen, wie es diese Regierung tut, ist unverantwortlich und gefährlich. Das ist ein Angriff auf das Gefüge unserer Demokratie.
Das Gespräch führte Andrea Christen.
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