Deutschland und Europa müssen Donald Trump etwas entgegensetzen – am besten eine starke Wirtschaft. Die geplante Steuerentlastung der Bundesregierung ist ein wichtiger Schritt.

Gerade in schwierigen Zeiten ist Lob wichtig, das lernt man so sicher wie das Amen in der Kirche im ersten Seminar für Personalführung. Also, Ehre wem Ehre gebührt: Die neue Regierung wählt die richtige Reihenfolge. Bevor sie einen Plan für den Bundeshaushalt 2025 oder für die Ausgaben aus dem neuen Sondervermögen für Infrastruktur vorgelegt hat, bringt sie deutliche Entlastungen auf den Weg. Vornehmlich für Unternehmen, aber immerhin. 

Diese Reihenfolge ist richtig, weil sie endlich einen Weg vorzeichnet, auf den viele Unternehmen in den vergangenen 15 Monaten so verzweifelt gewartet haben: Investitionen in die hiesige Produktion, Anschaffungen für den Fuhr- oder Maschinenpark und der Ausbau der Fertigung werden sich – wenn sie denn schon länger geplant waren, aber wegen Unsicherheiten immer wieder aufgeschoben wurden – nun früher rechnen. Wie wir aus früheren großzügigen Abschreibungsprogrammen wissen, setzt dies immer Investitionen frei.

Die Reihenfolge ist nicht nur richtig, sondern auch wichtig. Denn bis Bund, Länder und Kommunen wirklich in der Lage sein werden, Geld aus dem Sondervermögen für Infrastruktur sinnvoll für neue Straßen, bessere Brücken oder die Modernisierung von Schulen und Krankenhäusern auszugeben, werden noch mindestens anderthalb, eher zwei Jahre vergehen. Streng genommen dürfte bis dahin gar kein Geld aus dem 500-Milliarden-Topf abfließen, aber das ist wohl illusorisch. Auch setzt der Vorrang für die Steuerentlastungen die Prioritäten für die Haushaltsberatungen in den kommenden Wochen: Geringere Einnahmen sind damit schon mal einigermaßen sicher, jetzt müssen Union und SPD schauen, wie sie die Ausgaben zurechtbiegen. 

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Die Anzeichen auf Besserung häufen sich

Nun ist es an den Unternehmen, selbst den Impuls für den nächsten Aufschwung zu setzen. Attraktivere Abschreibungsregeln für Investitionen, die Aussicht auf sinkende Steuersätze und einige andere Anreize im Paket, wieder mehr Geld auszugeben, sind dafür ein guter Anfang. Die jüngste Zinssenkung der EZB kommt noch obendrauf, auch die wird noch mal etwas helfen. Irgendwer muss die deutsche Wirtschaft ja wieder in Schwung bringen, und besser ist es, die Unternehmen wagen selbst den Anfang als noch Monate oder gar Jahre auf eine höhere staatliche Nachfrage zu warten. Wenn die dann noch dazu kommt, umso besser. 

Die Stimmungsindikatoren für die deutsche Wirtschaft signalisieren schon seit einigen Monaten, dass die Unternehmen auf solche Signale nur warten. Der Ifo-Index ist im Mai zum fünften Mal in Folge gestiegen, ebenso das Konsumklima im Einzelhandel. Und im ersten Quartal liefen die Geschäfte sehr viel besser als gedacht, die deutsche Wirtschaft wuchs um immerhin 0,4 Prozent – doppelt so viel wie erwartet. Und das, wo doch die Regierung und alle Experten für das Gesamtjahr eher mit einer Stagnation rechnen. 

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Nun muss man vorsichtig bleiben, die Risiken sind nach wie vor sehr groß. Allen voran Donald Trumps Zollpolitik macht die kommenden Monate und Jahre für viele Unternehmen in Deutschland einigermaßen unberechenbar. Das gilt erst recht, wenn sie bisher ein großes US-Geschäft hatten. Und so verhält es sich dann leider auch mit der gesamten deutschen Konjunktur. Für einen breiten Aufschwung in Deutschland fehlt vorerst die nachhaltige Nachfrage aus China oder den USA. 

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Trump bleibt ein unberechenbarer Faktor

Zwar hat Kanzler Friedrich Merz seinen Antrittsbesuch bei Trump in Washington am Donnerstag dieser Woche ziemlich glücklich überstanden, wie mein mitgereister Stern-Kollege Veit Medick analysiert. Im Handelsstreit zwischen Europa und den USA hilft das aber nur bedingt weiter. Hier verhandelt die EU mit Trump, und die ist nun mal leider sein Intimfeind – in den Augen des US-Präsidenten offenbar noch schlimmer als China. 

Gut möglich also, dass dieses Jahr wirtschaftlich doch noch einige Herausforderungen bereithalten wird. Aber das haben wir in Deutschland größtenteils ohnehin nicht in der Hand. Umso wichtiger ist, dass wir uns endlich hierzulande und in Europa besser, dynamischer und wettbewerbsfähiger aufstellen: Die Beschlüsse zur Steuerentlastung in dieser Woche waren ein erster Schritt. Daran ändert auch wenig, dass Bund und Länder sogleich mit dem üblichen Gezerre begannen, wer denn nun den Großteil der Kosten für das Entlastungspaket übernehmen müsse. Ja, diese Frage wird in den kommenden Wochen noch einige Male hin und hergehen – aber scheitern wird das Paket daran nicht. Denn alle Beteiligten wissen, dass sich Deutschland angesichts der ganzen Unwägbarkeiten in der Welt jetzt nicht wirklich kein langes Theater um die Bund-Länder-Finanzbeziehungen leisten kann. 

Daher, ein bisschen Zuversicht zu Pfingsten: Neben allen Eskalationsrisiken gibt es auch begründete Chancen, dass das Jahr wenigstens besser wird, als viele noch vor wenigen Wochen befürchtet haben. 

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