In Berlin treffen sich in diesen Tagen milliardenschwere Finanzinvestoren. Dass diese Investoren in Deutschland auch Bereiche der Daseinsvorsorge wie Wohnimmobilien, den Gesundheitsbereich oder die Landwirtschaft ins Visier nehmen, sorgt für Widerstand. Ein Verbände-Bündnis ruft die Politik zum Einschreiten auf.

Die deutsche Landwirtschaft, die Gesundheitsversorgung oder die Wohnungswirtschaft sind nicht gerade Branchen, die für hohe Gewinnspannen bekannt sind. Höfesterben, Pleitewellen unter Krankenhäusern, Pflegeheimen oder auch Immobilienfirmen bestimmen die Schlagzeilen. Dennoch sind ausgerechnet diese Branchen in den vergangenen Jahren verstärkt ins Visier von Finanzinvestoren (auf Englisch als Private-Equity-Gesellschaften bezeichnet) gerückt, deren Ziel es ist, Profite von 20 Prozent und mehr auf ihr Kapital pro Jahr zu erwirtschaften. Während sich diese Investoren noch bis Mittwoch zur weltweit wichtigsten Konferenz ihrer Branche, zur "Super Return" (deutsch: "Super Profit") in Berlin treffen, warnt der Verein Finanzwende vor den Folgen.

"Finanzinvestoren kaufen sich in immer mehr Bereiche der Daseinsvorsorge ein, das heißt in existienzielle Bereiche unseres Lebens", sagt Jorim Gerrard im Gespräch mit Journalisten anlässlich der umstrittenen Investorenkonferenz. Der Volkswirt ist Referent für Immobilien und Finanzstabilität bei Finanzwende. Wenn solche Gesellschaften ihren Geldgebern etwa 20 Prozent Rendite mit Immobilien in Deutschland versprächen, bei denen konservative Investoren gerade einmal mit zwei Prozent im Jahr kalkulierten, dann sei das "durch kluges Wirtschaften nicht zu erklären", sagt Gerrard. Stattdessen stünden die Unternehmen unter maximalem Druck, schnell hohe Gewinne zu erzielen, oft indem sie "nach Finanzmarktlogik umstrukturiert" würden, um nach wenigen Jahren weiterverkauft zu werden.

Welche Folgen dieses Vorgehen konkret hat, berichtet Sylvia Bühler, Mitglied im Bundesvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. "Finanzinvestoren kaufen derzeit alles im Gesundheitsbereich, was sie bekommen können", so Bühler, "von Kliniken über Pflegeheime, Pflegedienste bis hin zu Arztpraxen." Teure Übernahmen und Unternehmensverkäufe würden teils dadurch finanziert, dass den Einrichtungen enorme Schulden aufgebürdet würden. Um diese zu bedienen und die erwarteten Gewinne zu erwirtschaften, würden häufig Immobilien verkauft. Während der Erlös an die Investoren ausgeschüttet würde, müssten etwa Pflegeeinrichtungen ihre Immobilien dann zu hohen Preisen zurückmieten.

"Unter den Folgen des hohen Kostendrucks leiden die Beschäftigten ebenso wie die Bewohner der Einrichtungen", berichtet Bühler. Oft würde gleichzeitig das Personal reduziert und der Lohn gedrückt. Als Beispiel für das Vorgehen nennt sie den Pflegeheimbetreiber Alloheim, der inzwischen mehrfach mit gewaltigen Gewinnspannen von Finanzinvestor zu Finanzinvestor weiterverkauft wurde. Alloheim habe die Quote für den mit Abstand größten Kostenblock in der Pflegebranche, das Personal, auf nur 55 Prozent gedrückt. Bei nicht kommerziellen Pflegeheimbetreibern liege diese Quote über 70 Prozent, so Bühler.

Finanzinvestoren seien "Ungleichheitsmaschinen, die Reichtum von unten nach oben verschieben", sagt Finanzwende-Referent Gerrard. Ihr Geschäftsmodell beschere den Investoren astronomische Einkünfte. Die Branche habe in den vergangenen Jahrzehnten dutzende Milliardäre hervorgebracht. Der Chef von Blackstone, einer der ältesten und größten Private-Equity-Firmen, verdiene rund 100-mal so viel wie der Chef der Deutschen Bank. "Den Preis dafür zahlen viele Menschen, die mit steigenden Kosten und wachsendem finanziellem Druck leben müssen", sagt Gerrard.

Die gemeinsame Forderung von Finanzwende, Verdi, dem Deutschen Mieterbund und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) "Finanzinvestoren raus aus der Daseinsvorsorge!" stößt in der deutschen Politik durchaus auf Gehör, berichtet Gerrard. Der ehemalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach etwa sei "auf Twitter ganz vorn mit dabei" gewesen, in der Debatte um Beschränkungen für Finanzinvestments etwa in Arztpraxen. Maßnahmen gegen das Aufkaufen landwirtschaftlicher Flächen durch Investoren im großen Stil fänden sich in Koalitionsverträgen auf Länderebene wieder, berichtet AbL-Vizechef Reiko Wöllert. Umgesetzt wurde bislang aber nichts. Dass sich die Finanzinvestoren gerade in Berlin zu ihrem jährlichen Branchentreffen einfinden, nehmen deren Kritiker zum Anlass, ihre Forderungen zu erneuern.

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