Über eines muss in der Immobilienbranche derzeit niemand diskutieren, und zwar über die Frage, warum die Haus- und Wohnungspreise nach kurzer Verschnaufpause schon wieder auf dem Weg nach oben sind. Es liegt am großen Wohnungsmangel und daran, dass trotzdem kaum neu gebaut wird. Viele Mieter würden zwar angesichts des angespannten Mietmarkts gern Wohneigentum kaufen, aber es gibt schlicht zu wenige Häuser und Wohnungen. Zuletzt stiegen die Baukosten und die Finanzierungskosten dazu so enorm, dass erst recht nicht mehr neu gebaut wird.
Die große Frage in der Branche ist nun: Wie werden die vielen zusätzlichen Infrastruktur-Milliarden der neuen schwarz-roten Regierung auf den Markt wirken: Entstehen dadurch neue Wohnungen – oder bremsen sie den Neubau, weil eine höhere Nachfrage nach Handwerkern und Material die Baupreise noch weiter explodieren lässt?
Die Koalition will hunderte Milliarden Euro in den Aufbau der Infrastruktur stecken. Bisher scheint es so, als solle das Geld nicht primär für den Bau neuen Wohnraums ausgegeben werden, zumindest nicht auf direktem Wege. "Wir wissen noch nicht genau, wie das Sondervermögen genutzt werden wird", sagt Immobilienökonom Michael Voigtländer vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ein, "aber sicherlich wird jeder in der Baubranche versuchen, ein Stück vom Kuchen abzubekommen".
Dem Wohnungsbau könnten bald Mitarbeiter fehlen
"Viele neue Aufträge kommen dadurch in die Bücher, das ist grundsätzlich preismehrend", fürchtet Daniel Ritter vom Maklerunternehmen von Poll Immobilien. Auch wenn sich die Infrastruktur-Milliarden wohl eher in den Bilanzen der Tiefbauunternehmen wiederfinden werden als bei den Hochbaufirmen. Zudem bestehe die Gefahr, so sagt es Voigtländer, dass "Kapazitäten aus dem Wohnungsbau abgezogen werden". Die Mitarbeiter am Bau nämlich ließen sich nicht von heute auf morgen aufstocken, "derzeit haben wir am Bau eine Kapazitätsauslastung von 70 Prozent". Das ist wenig, verglichen mit der Auslastung in den Boomjahren vor 2021, als viele Unternehmen nahezu unter Vollauslastung ächzten und über zu wenige Mitarbeiter klagten.

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Da der Wohnungsbau aber bereits seit einer Weile brachliegt, könnte es sein, dass nun unterbeschäftigte Fachkräfte vom Hochbau in den Tiefbau wechseln. Dann fehlen sie natürlich im Wohnungsbau, falls sich der demnächst doch wiederbeleben sollte. Das hieße unweigerlich steigende Personalkosten, denn die Baufirmen müssten neue Leute anheuern oder teuer anderswo abwerben. Das zumindest wären die simplen Marktgesetze, die dann greifen würden.
"Es ist Aufgabe der Politik, jetzt dafür zu sorgen, dass wir mehr Elan im Wohnungsbau bekommen, damit das nicht passiert", mahnt Ökonom Voigtländer. Eine Möglichkeit wäre, dass Selbstnutzer und private Bauherren stärker gefördert werden. Möglichkeiten dafür gäbe es viele, führte das IW bereits in Studien auf:
Förderungen für Hausbau und niedrigere Sanierungsstandards
Entweder könnte man staatliche Zuschüsse für Selbstnutzer erhöhen, steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten ausweiten, die Grunderwerbsteuer senken oder dafür sorgen, dass Käufer mit weniger Eigenkapital zum Eigenheimbesitz kommen, indem man ihnen nachrangige Darlehen zur Verfügung stellt. Das alles würde bewirken, dass Selbstnutzer jetzt den Bau oder den Kauf samt Umbau angehen könnten, statt den Hauserwerb noch jahrelang aufzuschieben.

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capitalAndererseits müssten die Vorgaben für Energiesanierer von den derzeit hohen Standards heruntergeschraubt werden. Denn nur dann würden auch deutlich mehr langjährige Immobilienbesitzer solche energetischen Verbesserungen angehen. Das würde die Mitarbeiter am Bau ebenfalls beschäftigen und verhindern, dass sich Fachkräfte demnächst zum Straßen- oder Brückenbau umorientieren.
Parallel dazu müsste die Förderlandschaft für Energiesanierungen neu geordnet werden. In der vergangenen Legislaturperiode hatte die Ampel-Regierung dauernd Veränderungen bei Zuschusshöhen und Umfang der Gesamtfördertöpfe kommuniziert. Zudem wurden einzelne Programme kurzfristig ausgesetzt oder eingestellt. Dieses Hin und Her erwies sich als Gift für die Branche. "Wir brauchen eine Klarheit, was die Förderung angeht", warnt Voigtländer, "der Zickzackkurs da war ein großes Problem".
Haus: Modernisierung wird Thema
Denn gerade Bauherren, Immobilienkäufer und Hausbesitzer nehmen für ihre Projekte in aller Regel so viel Geld und hohe Kredite auf, dass sie auf langfristige Planbarkeit angewiesen sind. Seit die nicht mehr gegeben ist, halten sie sich auch mit den Energiesanierungen zurück. Die derzeit geringe Sanierungsquote von 0,7 Prozent ist der deutlichste Beleg dafür.
"Die Erwartung ist, dass wir eher im Bestandsgeschäft eine Belebung sehen", sagt auch Stefan Münter, Chef der Finanzierungsplattform Europace, "beim privaten Neubau sehen wir zwar trotz aller steigenden Baukosten jetzt wieder ein klein wenig Bewegung, während der Mietwohnungsbau darnieder liegt." Der Markt sei klar bestandsgetrieben. "Und Modernisierung werden künftig ein Thema sein, daran wird auch das Infrastrukturpaket nichts ändern."
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