Steinbrüche sind riesige Eingriffe in die Natur. Der österreichische Baukonzern Strabag betreibt europaweit gleich 95 und ist überzeugt: 2040 kann er sie klimaneutral betreiben. Die "Low Hanging Fruits" wie Effizienzmaßnahmen hat das Unternehmen allerdings schon gepflückt. Auch die Aufbereitungsanlagen sind inzwischen fast überall elektrifiziert: "Der Betrieb mit Strom ist billiger als Diesel - das hilft uns und der Natur", sagt Strabag-Manager Leopold Leonhartsberger im "Klima-Labor" von ntv. Der schwierige Teil ist der Transport des Gesteins. Die ersten Tests mit elektrischen Schwerlastmulden und Wasserstoffradladern laufen bereits in mehreren Steinbrüchen - nicht immer erfolgreich. Das Bauunternehmen ist dennoch überzeugt: Nachhaltigkeit muss und kann ein lohnendes Geschäftsmodell werden.

ntv.de: Wie viele Steinbrüche betreibt die Strabag und was bauen Sie dort ab?

Leopold Leonhartsberger: Wir haben europaweit 95. In denen bauen wir Gestein ab und bereiten es anschließend so auf, dass es für Straßenbau, Infrastrukturbau oder für Beton und Asphalt verwendet werden kann.

Keine seltenen Erden, von denen aktuell viele reden?

Nein, wir sind einfacher unterwegs. Viele Baustellen und Gebäude benötigen Stein. Eine Straße besteht fast ausschließlich aus Steinen. Nur der Asphalt, den man ganz oben sieht, enthält ein bisschen Bindemittel, das Bitumen.

Und dieser Stein wird nach wie vor dringend benötigt?

Ja. Es wird schon sehr viel Recycling und Kreislaufwirtschaft betrieben. Die Menge der Sekundärmaterialien aus Abriss oder Bodenaushub steigt - Gott sei Dank. Das wird in Zukunft definitiv ein Zusammenspiel sein. Aber es wird nie ganz ohne Primärrohstoff aus einem Steinbruch gehen. Das ist unrealistisch.

Warum?

Die Ressourcen im Bergbau sind wie bei der Erdölförderung begrenzt. Allein deshalb muss man zwingend Kreislaufwirtschaft betreiben. Aber man erhält nicht immer die beste Qualität zurück. Beton kann man nicht so einfach recyceln, denn man kann das hart gewordene Bindemittel, den Zement, nicht vom Stein trennen. Daran wird geforscht, das steckt aber in den Kinderschuhen. Für gewisse Anforderungen braucht man also Primärrohstoffe. Idealerweise hält man die dafür teilweise sogar zurück, auch wenn das nicht so einfach ist: Ein Steinbruch kann nicht einfach weniger produzieren, weil er dann unwirtschaftlich wird. Wahrscheinlich wird es in Zukunft weniger Betriebe mit einem größeren Kundenkreis geben, damit die Arbeit wirtschaftlich bleibt.

Ihr Geschäft läuft trotzdem gut. Sie haben zuletzt ein Rekordergebnis gemeldet.

Wir sind gut über Länder und Sparten diversifiziert und haben einen guten Mix aus dezentral und zentral gefunden. Das sind die Schlüsselfaktoren der Strabag.

Das hat nichts damit zu tun, dass ihre Rohstoffe besonders gefragt waren? Sie können sich von der allgemeinen wirtschaftlichen Situation abkoppeln?

Verwerfungen über Länder und Sparten spielen eine Rolle. In Österreich und Deutschland war das letzte Jahr speziell im Wohnungsbau schwierig. Dafür gab es in anderen Segmenten große Zuwächse - hauptsächlich bei der Energieinfrastruktur. Wir werden stetig besser und wachsen.

Und eröffnen deswegen auch in Europa nach wie vor neue Steinbrüche?

Ja. Ein Steinbruch hat eine gewisse Ressource und die ist eines Tages aufgebraucht. Je nach Geologie kann das Vorratsvermögen für 10, 20 oder 30 Jahre reichen oder für mehr als 100 Jahre. Aber die Eröffnung wird schwieriger, weil die Auflagen komplexer werden: Früher dauerte es von der ersten Erkundung bis zum Betrieb fünf bis sieben Jahre. Heute schafft man das nicht mehr unter zehn Jahren.

Sind es dieselben Auflagen, die man von Bauprojekten kennt? Der Artenschutz von Vögeln, Raupen oder Eidechsen?

In Österreich gibt es viele Auflagen im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes. Ab einer gewissen Größe des Steinbruchs müssen Unternehmen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen. Dort dürfen alle Parteien mitreden. Wenn es viele Einsprüche gibt, kann das Jahre dauern. Wir verlegen Biotope oder siedeln Tiere um, wenn wir einen neuen Steinbruch eröffnen. In einem großen Steinbruch in Saalfelden in Salzburg haben wir sogar Raufußhuhn-Management betrieben. Diesen Vögeln haben wir sozusagen einen neuen Flugplatz gebaut, damit sie woanders landen.

Ein Steinbruch ist auch ein heftiger Eingriff in die Natur.

Wir tun viel dafür, um einen möglichst "grünen" Steinbruch zu erreichen. Wenn man in Rumänien einen Hektar Wald wegen Bergbau rodet, muss man als Ausgleich die vierfache Fläche neu anbauen. Wir haben auch alles umgesetzt, was in die Sparte "Effizienz" fällt. Denn diese Maßnahmen reduzieren die Kosten und helfen somit uns und der Natur.

Zum Beispiel?

Im Steinbruch optimieren wir Abbauplanung und Logistik. Wenn die Transportwege kürzer sind, verbrauchen die Maschinen weniger Diesel.

Das sind diese tonnenschweren Kipplader, die man von Bildern kennt?

Ja. Die ganz großen Muldenkipper haben eine Nutzlast von mehreren Hundert Tonnen. Unsere sind kleiner, aber trotzdem imposant: Die haben in den meisten Fällen eine Nutzlast von 40 Tonnen. Wir achten darauf, dass sie voll beladen nicht bergauf, sondern immer bergab fahren.

Klingt logisch. Die berühmten "Low Hanging Fruits", bei denen mit minimalem Aufwand maximaler Ertrag erzielt wird, sind damit bereits geerntet?

Ja, wahrscheinlich in der gesamten Branche. In einem Steinbruch wird in der Wand gebohrt und gesprengt. Dann kommt ein Bagger und lädt die Steine auf eine Schwerlastmulde. Die Mulde bringt die Steine zur Aufbereitungsanlage mit Brecher und Sieben. Diese Geräte verursachen viel CO2. Die Aufbereitungsanlagen sind inzwischen aber fast überall elektrifiziert - auch, weil der Betrieb mit Strom billiger als Diesel ist. Damit das funktioniert, wurden schon vor Jahren Stromleitungen gebaut. Jetzt müssen wir den Transport und die Maschinen dekarbonisieren. Denn die greifen quasi händisch in den Haufen rein und laden das Gestein auf. Diese Technologien stecken aber noch in den Kinderschuhen.

Weil es schwierig ist, große Fahrzeuge wie Lastwagen zu elektrifizieren?

Es wird in diese Richtung gehen. Wir testen aktuell mit mehreren privaten Firmen und der Uni Aachen elektrifizierte Schwerlastmulden im Kalksteinbruch Eigenrieden in Thüringen. Die sind auch autonom und haben gar keine Fahrerkabinen mehr.

So spart man Personal und CO2 …

Früher hat man gesagt: Wie erkläre ich den Leuten, dass sie nicht mehr gebraucht werden? Heute finden wir fast keine Mitarbeiter mehr und sind zum autonomen Fahren gezwungen. Aber das ist gar nicht so einfach. Die Kollegen sind nicht sicher, ob es gelingt. Im Kalksteinbruch Gratkorn in der Steiermark testen wir außerdem einen Wasserstoffradlader. Der funktioniert. Bei dem sind eher Logistik und Infrastruktur die Herausforderung: Wie transportiert man den Wasserstoff und wo lagert man ihn im Steinbruch in einer Tankstelle? Wir arbeiten mit großen Baumaschinenherstellern zusammen, um Erfahrungen zu sammeln und zu schauen, ob das skalierbar ist. Aber das sind hohe Investitionen. Gewinnbringend ist das nicht.

Woran hakt es bei der elektrischen Schwerlastmulde?

Im Detail weiß ich das nicht, aber das ist bei Innovationen normal: Scheitern ist öfter als Gelingen. Da muss man einfach dranbleiben und vielleicht noch ein anderes Modell testen. Auch der Wasserstoffradlader ist bisher nur ein funktionierender Prototyp. Die Belastungsprobe wird der zweijährige Langzeittest. Dafür suchen die Hersteller enorm belastende Steinbrüche, die der Maschine viel abverlangen, um bestmöglich zu klären: Funktioniert sie, oder nicht?

Machen Sie das, weil Sie es machen müssen oder machen wollen?

Regulierung ist ein Grund. Die wird kommen. Wer darauf nicht vorbereitet ist, hat einen Wettbewerbsnachteil. Dazu kommt: Nachhaltigkeit kann und muss ein Geschäftsmodell werden. Wie erwähnt: Alles, was Effizienz bringt, wurde schon gemacht. Alles andere verursacht aktuell Mehrkosten. Die muss man jetzt in Kauf nehmen, um Erfahrungen zu sammeln, bis es sich wieder lohnt. Das wird funktionieren - davon bin nicht nur ich überzeugt.

Weil der Dieselbetrieb Ihrer Maschinen wie die heimische Gasheizung in Zukunft immer teurer werden wird?

Nein, den Diesel kaufen alle ein. Wenn er teurer wird, wird er für alle teurer. Und sollte der E-Antrieb günstiger sein, werden alle auf diesen Zug aufspringen. Dort gibt es keine Verzerrungen. Aber Not macht erfinderisch. Plötzlich probiert man Dinge, an die man vorher nie gedacht hat. Einige Ansätze haben sich bereits herauskristallisiert. Es funktioniert nicht alles, aber Scheitern hilft. Die Kunst ist: Wenn man scheitert, dann bitte möglichst schnell. Das wollen wir konsequent leben.

Außerdem sagen wir als Strabag - und das ist der dritte Aspekt: Wir wollen etwas fürs Klima tun und bis 2040 klimaneutral sein. Das ist ein Versprechen an die Gesellschaft und unsere Kunden, denn die Konsequenzen sehen und spüren wir bereits.

Mit Leopold Leonhartsberger sprachen Clara Pfeffer und Christian Herrmann. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Das komplette Gespräch können Sie sich im Podcast "Klima-Labor" anhören.

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