Die Rechtsaußen-Partei AfD bekommt wieder keinen Ausschuss-Vorsitz im Bundestag. Das können die Abgeordneten anderer Parteien mit Mehrheit demokratisch so beschließen. Aber es ist leider das Gegenteil von klug.

Wie erwartet sind alle AfD-Kandidaten für den Vorsitz eines Bundestagsausschusses durchgefallen. Sie haben jeweils nicht die nötige Mehrheit der anderen Ausschussmitglieder hinter sich gebracht, die sie in den Vorsitz wählen können, aber nicht müssen. Es gibt nämlich keinen juristischen Anspruch auf einen Vorsitz oder eine solche Mehrheit. So weit, so demokratisch. Aber eben auch: so kurzsichtig, so unklug?

Ja, dieser pauschale Anti-AfD-Reflex ist ein politischer Fehler. Die Ablehnung fühlt sich wesentlich besser an, als sie in Wahrheit ist: Sie beraubt gerade die Parteien der Regierungsmehrheit einer wichtigen Chance - im Kampf gegen die AfD. Darüber wird in den nächsten Monaten zu reden sein. Der Streit um die Ausschuss-Vorsitzenden ist ja keineswegs befriedet oder begraben. Auf Einsicht der AfD muss man zwar nicht groß hoffen. Auf Einsicht der anderen aber schon.

Mit der Einstufung der AfD als bundesweit gesichert rechtsextremistisch ist die Hürde, deren Bundestags-Abgeordnete in herausgehobene Ämter zu wählen, selbstverständlich höher geworden. Noch dazu war weitgehend indiskutabel, was die Rechtsaußen-Partei als Kandidaten aufgeboten hatte. Deshalb kann man jeden Abgeordneten einer anderen Partei verstehen, wenn er seine Stimme verweigert. Man kann ihn (oder sie) erst recht verstehen, weil die AfD die anderen Parteien und deren Abgeordneten unablässig beschimpft oder verunglimpft. Und zum Dank dann einen dieser AfD-Rüpel in ein repräsentatives Amt mit Einfluss wählen? Nein!

So kann man es sehen, keine Frage. Es ist auch nicht "undemokratisch", es so zu sehen, wie die AfD nun lauthals jammert. Die juristisch einklagbaren Regeln des Parlaments sind an diesem Punkt über jeden Zweifel erhaben und vom Bundesverfassungsgericht gerade erst bestätigt. Aber ist es deshalb auch politisch klug, der AfD die Posten zu verweigern, die eine andere Oppositionspartei ihrer Größe zweifelsohne bekäme? Dient es wirklich der Sache, der sich die Nein-Sager verschrieben haben - der AfD ihre zuletzt zehn Millionen Wähler wieder abspenstig zu machen? Nein, da sind erhebliche Zweifel angebracht.

Beweislast statt "Opferrolle"

Die AfD ist die größte Oppositionspartei im Bundestag. Im Spiel der parlamentarischen Kräfte bedeutet das etwas, das man nicht reflexartig geringschätzen sollte, nur weil es sich um die AfD handelt: Immerhin geht es am Ende ja um deren Wähler - und die sehen die AfD eher als eine normale Partei, denn als einen Paria, den man isolieren sollte oder gar isolieren muss. Auch die Einstufung durch den Verfassungsschutz erfüllt vielleicht eine bestimmte Bedingung für ein Parteiverbot, aber bei Weitem nicht alle. So lange ist die AfD Teil des parlamentarischen Betriebes - und ihr bestimmte Funktionen dort zu verwehren massiv erklärungsbedürftig.

Vor allem aber: Die Abgeordneten der anderen Parteien könnten endlich einmal den Spieß herumdrehen. Sie könnten im einen oder anderen Ausschuss einen AfD-Kandidaten, der halbwegs vorzeigbar ist, zum Vorsitzenden wählen - und ihn dann an seinen Worten und Taten messen. Die AfD könnte plötzlich nicht mehr ihre übliche "Opferrolle" spielen, sondern hätte die Beweislast: dass ihre Leute etwas in der Sache können jenseits von Pöbeln und Poltern im Plenum. Und sollte sich über kurz oder lang herausstellen, dass ein AfD-Ausschussvorsitzender in den Augen der Mehrheit seines Ausschusses versagt, würde er von eben dieser Mehrheit wieder abgewählt. Anders als ein Bundestags-Vizepräsident, der für die ganze Legislaturperiode im Amt ist, wenn er erst einmal gewählt wird.

Bei den Ausschüssen könnte also der Satz gelten: Sollen sie doch zeigen, was sie können. Und wenn sie nichts können, entsteht kein nennenswerter Schaden. So hielt man es im 2017 im gewählten Bundestag: Nach weniger als zwei Jahren entledigten sich die Abgeordneten des Rechtsausschusses geschlossen des AfD-Vorsitzenden, der bis heute regelmäßig übel auffällt im Parlament. Ob die AfD-Vertreter in solchen Ämtern "normalisiert" werden - ganz gleich, wie sie sich aufführen - das liegt somit in der Hand der Abgeordneten der anderen Parteien. Das geschieht nicht automatisch.

Die AfD ist in der Welt und im deutschen Parlament. Man muss mit ihr umgehen. Am besten klug und nicht nur mit Reflexen.

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