Normalerweise streiten sie sich in ihrem eigenen Podcast, diesmal bei Sandra Maischberger: Gewohnt meinungsstark diskutieren Augstein und Blome über die neue Bundesregierung, den Kampf gegen die AfD und die begrenzte Möglichkeit eines Friedens in der Ukraine.
Wenn sie zusammentreffen, geht es oft heftig zur Sache: Der Verleger der Wochenzeitung "Freitag", Jakob Augstein, und der Politikchef von ntv und RTL, Nikolaus Blome. Früher bei Phoenix, heute in ihrem eigenen Podcast, gelingt es ihnen, sich intelligent zu streiten über Politik. Am Montagabend treffen sie sich bei Sandra Maischberger, die sich sehr große Mühe geben muss, die beiden Journalisten in die Richtung zu lenken, die sie gerne möchte. Immerhin versucht sie es standhaft.
Augstein ist bekennendes SPD-Mitglied. Er habe gegen den Koalitionsvertrag gestimmt, erwähnt er gleich zu Beginn des gemeinsamen Talks. Blome habe das verantwortungslos gefunden, sagt er. Er, Augstein, sei nicht überzeugt gewesen, dass die schwarz-rote Koalition für die SPD so gut sei.
Ohne die SPD hätte es keine Regierung gegeben, argumentiert Blome. Zwar hätte die CDU auch die AfD als theoretischen Koalitionspartner gehabt, "aber das wäre das Ende der CDU gewesen", so Blome. "Das kann man wollen, aber ich würde es für nicht so klug halten. Die CDU ist die letzte Volkspartei im Land, anders als die SPD, die das schon versemmelt hat."
"Das stimmt offenkundig nicht", antwortet Augstein. Die CDU sei nicht die einzige Volkspartei in Deutschland. "Die AfD ist inzwischen eine Volkspartei, auch wenn Ihnen und mir das vielleicht nicht gefällt. Wenn sie ein Fünftel der Wähler repräsentieren und im Osten zwei Drittel, wenn das keine Volkspartei ist, dann kenne ich das Definitionskriterium nicht so richtig."
Blome schränkt ein: Die AfD spreche in West- und Ostdeutschland unterschiedliche Milieus an. "Insofern ist sie eine ostdeutsche Volkspartei." Das Problem der AfD: "Die AfD disqualifiziert sich als Volkspartei, weil sie nicht koalitionsfähig ist." "Noch nicht", so Augstein. "Aber wenn Jens Spahn die CDU weiter transformiert hat, dann wird die AfD sehr gut koalitionsfähig sein."
Augstein traut Merz nicht
Augstein und Blome wären nicht die, die sie sind, hätten sie nicht auch unterschiedliche Meinungen zu Friedrich Merz. Augstein findet an dem neuen Bundeskanzler vieles schlecht, aber nicht alles. Dieser habe sich bei Olaf Scholz bedankt, lobt der Verleger. "Wir sind inzwischen so weit, dass man auf so was hinweisen muss", merkt er an. Und er sagt: "Das war echt ein guter Ton."
"Aber es war nicht ehrlich gemeint", kontert Blome. "Und das weiß man auch. Das sah gut aus, anständig. So sind die Zeiten aber nicht mehr. Keiner glaubt das, was er da gesagt hat. Und darum fand ich es überflüssig."
Augstein nennt Blome daraufhin einen "Berufszyniker" und sagt: "Dem Bundeskanzler, der sich ins Amt geschwindelt hat, dem traue ich gar nicht." Würde Merz ihm die Hand geben, würde er anschließend nachschauen, ob er noch alle Finger hätte, so Augstein.
Blome kann dann aber doch als bekennender Konservativer etwas Gutes an Merz finden. Er sehe die Regierung nicht als ideologisches Großprojekt, das habe dieser in seiner Regierungserklärung betont. "Das fand ich außerordentlich vielversprechend, das ein bisschen zurückzunehmen und nicht mit dem großen Visionsansatz zu kommen, sondern zu sagen: Wir wollen, dass der Staat am Ende halbwegs wieder funktioniert - was er zwar in vielen Teilen tut, aber in vielen Teilen auch nicht, wie man täglich spüren kann." Die neue Regierung habe sehr viel Geld zur Verfügung, und dieses Ziel könne man damit erreichen. "Und das ist schon eine ganze Menge."
Aber da sei ja das Thema Rente zum Beispiel. Die Rente müsse dringend reformiert werden, doch die Regierung schiebe diese Reform weit nach hinten, so Augstein. Blome gibt ihm da recht: "Beim Thema Sozialstaat klappt das mit den Reformen nicht so gut, denn die neue Sozialministerin Bärbel Baas macht exakt das weiter, was Hubertus Heil gemacht hat. Sie muss jetzt ein bisschen das Bürgergeld abwickeln, aber bei Rente und bei allen anderen Sozialstaatsprüfungen, die im Koalitionsvertrag sogar stehen, mauert sie und lenkt ab." Blome kann sich offenbar eine Reform des Rentensystems vorstellen, hin zu gerechteren Renten.
Wann endet die Koalition?
Augstein glaubt nicht daran, dass die schwarz-rote Koalition volle vier Jahre hält. "Ich glaube, sie wird es schwer haben, länger zu halten als die Ampel", sagt er. "Wenn sie länger hält, dann nur deswegen, weil die SPD Todesangst hat und weiß: Wenn sie aus diesem Schiff aussteigt, dann wartet nur noch der Meeresgrund auf sie."
"Dann wartet das Schicksal der FDP auf sie", stimmt Blome zu. Und er prognostiziert: "Insofern wird diese Regierung durchhalten." Wichtig sei aber eine gute Stimmung, um die AfD kleinzukriegen. "Nehmen wir mal für eine Sekunde an: Da gibt es ein paar objektive Zahlen bei der Migration, beim Wirtschaftswachstum oder bei den Finanzen. Hören dann die Leute auf, die AfD zu wählen? Das ist das eigentliche Experiment."
"Ich würde dem Kollegen voll inhaltlich recht geben", antwortet Augstein. Und er beantwortet Blomes Frage: "Ich glaube nicht. Ich glaube, dass dieser Kulturwandel, der da eingeleitet worden ist, schon so weit gediehen ist, dass es darum nicht mehr geht."
Lob für Merz' Außenpolitik
Auch außenpolitisch kommen auf Merz schwere Tage zu. Blome lobt, dass sich die vier "Willigen" aus Europa nun zusammengetan haben und mit einer Stimme sprechen. "Das entscheidende Problem in der ganzen Gleichung ist die sehr variable Variable namens Donald Trump." Natürlich spiele auch der russische Präsident Putin in Sachen Ukrainekrieg eine wichtige Rolle, so der ntv-Politikchef: "Am Ende wird Wladimir Putin irgendwann entscheiden müssen, ob er aufhören möchte, Kinderkrankenhäuser zu bombardieren. In der Sekunde mündet der Krieg zumindest in einen Waffenstillstand."
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