Auf den ersten Blick sieht es gut aus: Deutschland erfüllt sein CO2-Reduktionsziel im Jahr 2024. Doch die neue schwarz-rote Regierung kann sich laut Berechnungen des unabhängigen Expertenrats für Klimafragen nicht zurücklehnen. Die langfristigen Klimaziele sind kein Selbstläufer.
Deutschland hat sein kurzfristiges Klimaziel für das Jahr 2024 formal erreicht. Das geht aus dem Prüfbericht des unabhängigen Expertenrats für Klimafragen hervor. Die fünf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler warnten allerdings, der Rückgang der Treibhausgas-Emissionen sei etwa durch den milden Winter teilweise nur witterungsbedingt. Auch die schwache Konjunktur habe dazu beigetragen, dass weniger Energie verbraucht worden sei. Das Klimaziel für 2030 verfehlt Deutschland nach den aktuellen Projektionsdaten.
Skeptisch äußerte sich der Expertenrat zu den angekündigten Maßnahmen im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aus Union und SPD. Zwar seien dort zahlreiche klimapolitisch relevante Vorhaben aufgeführt, etwa zur Gebäudesanierung oder Infrastruktur. Doch die Ausgestaltung sei noch offen. In der Summe sei eher mit neutralen oder leicht emissionssteigernden Effekten zu rechnen. "Von den im Koalitionsvertrag angekündigten Vorhaben geht nach heutigem Stand kein nennenswerter positiver Impuls für die Zielerreichung 2030 aus", heißt es in dem Prüfbericht. "Damit besteht die Gefahr, dass sowohl die Ziele 2030 nicht erreicht werden als auch das Ziel der Klimaneutralität 2045 außer Reichweite gelangt."
In der Bundesregierung wurde dagegen darauf verwiesen, dass das durch eine Grundgesetzänderung ermöglichte, aus neuen Schulden finanzierte Sondervermögen von 500 Milliarden Euro auch 100 Milliarden Euro für Vorhaben vorsehe, die dem Klimaschutz dienten. Davon erwarte sich die Regierung durchaus Impulse. Details zu diesen Vorhaben sind jedoch nicht bekannt.
Klimaziel für 2030 wackelt
Die Experten in ihrem Prüfbericht bestätigten im März veröffentlichte Berechnungen des Umweltbundesamtes. Die bundesweiten Treibhausgasemissionen lagen demnach 2024 bei rund 649 Millionen Tonnen sogenannten Kohlendioxid-Äquivalenten. Das sei ein Rückgang um 3,4 Prozent gegenüber 2023. Allerdings falle die Abnahme deutlich geringer aus als noch 2023. Den größten Beitrag zur Minderung der Emissionen habe erneut die Energiewirtschaft geliefert, vor allem durch den Rückbau von Kohlekraftwerken.
In der Industrie stagnierten demnach die Emissionen. In Gebäuden und im Verkehr sanken sie zwar leicht, überschritten aber erneut ihre jeweiligen Sektorziele. Ein "relevanter Teil der Emissionsreduktion" 2024 sei durch strukturelle Entwicklungen erreicht worden: Dazu gehörten der Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Rückbau von Kohlekraftwerken.
Kritisch fällt der Blick der Experten in die Zukunft aus: Laut aktuellen Projektionsdaten verfehlt Deutschland voraussichtlich das Klimaziel für 2030. Demnach könnten die Emissionen nur um 63 Prozent gegenüber 1990 sinken. Im Klimaschutzgesetz ist ein Rückgang um 65 Prozent verankert.
Klimaschutzprogramm steht noch aus
Formell sieht der Expertenrat dennoch keinen unmittelbaren Handlungsbedarf. Das bis 2030 geltende Emissionsbudget werde insgesamt noch knapp eingehalten. Im deutschen Klimaschutzgesetz ist festgelegt, wie viel Treibhausgas Deutschland zwischen 2020 und 2030 pro Jahr höchstens ausstoßen darf - alle jährlichen Mengen zusammen ergeben das Emissionsbudget. Durch die Corona-Jahre und die damit verbundene schwächelnde Wirtschaft gab es zu Beginn des Jahrzehnts deutliche Rückgänge.
Im vergangenen Jahr war der Expertenrat auf der Grundlage der damaligen Berechnungen noch von einer Zielverfehlung ausgegangen. Wäre dies nun erneut der Fall gewesen, wäre die Bundesregierung verpflichtet gewesen, zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen zu beschließen. Die neue Bundesregierung muss aber innerhalb von zwölf Monaten nach Beginn einer neuen Wahlperiode ein Maßnahmenprogramm vorlegen, wie das Klimaziel für 2040 erreicht werden soll - also bis Ende März 2026. Das ergibt sich aus dem Klimaschutzgesetz.
Für diesen Zeitraum sieht der Expertenrat deutlichen Handlungsbedarf: Nach derzeitigen Berechnungen würden die nationalen Klimaziele im Jahr 2040 - eine Reduktion um mindestens 88 Prozent gegenüber 1990 - wie auch die jährlichen Minderungsziele deutlich verfehlt. Dies müsse die Regierung im Klimaschutzprogramm "vollständig adressieren". Bis 2045 will Deutschland sogar komplett klimaneutral sein, also nicht mehr Treibhausgase ausstoßen, als wieder gespeichert werden können. Auch dieses Ziel wird Deutschland nach Einschätzung der Fachleute sehr deutlich verfehlen.
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