Erneut legt Kanzler Merz eine 180-Grad-Drehung hin: bei der Veröffentlichung von Waffenlieferungen an Kiew. Die sollen weitgehend geheim bleiben. Beim ehemaligen ukrainischen Botschafter Melnyk stößt dies auf Unmut. Und es wird spekuliert: Hängt die Geheimhaltung mit der Debatte um einen Waffentyp zusammen?
Der ukrainische Diplomat Andrij Melnyk hat den neuen Bundeskanzler Friedrich Merz für die Rückkehr zur Geheimhaltung bei den Waffenlieferungen in die Ukraine kritisiert. "Da werden böse Erinnerungen wieder wach an die Zeit, als die Ampel-Regierung im Frühjahr 2022 mit Geheimhaltung fehlende Militärunterstützung verschleiern wollte", sagte der frühere Botschafter in Deutschland.
Merz hatte gleich nach seinem Amtsantritt in Abstimmung mit Verteidigungsminister Boris Pistorius entschieden, die Veröffentlichung aller Waffenlieferungen in die Ukraine zu stoppen. Damit kehrt er zu einer Geheimhaltungspraxis zurück, die es in den ersten Monaten nach der russischen Invasion in der Ukraine von Februar bis Juni 2022 unter Bundeskanzler Olaf Scholz gegeben hatte.
Merz hatte das damals als Oppositionsführer scharf kritisiert. "Wir werden hingehalten, es gibt Ausflüchte, es gibt keine präzisen Angaben darüber, was Deutschland eigentlich liefert. Und das Ganze wird dann noch begründet damit, dass es geheim gehalten werden müsste aus Sicherheitsgründen", sagte er im April 2022 in einem Interview von ntv und RTL.
Merz 2022: "Ich würde die Öffentlichkeit besser informieren"
Auf die Nachfrage, was er denn anders machen würde, wenn er Bundeskanzler wäre, sagte Merz damals: "Ich würde die Öffentlichkeit besser informieren." Es sei richtig, Transportwege für Waffen geheim zu halten. "Aber wir müssen doch die Öffentlichkeit darüber informieren, was geliefert wird. Wir müssen die Öffentlichkeit darüber informieren, woran es liegt, dass bestimmte Dinge noch nicht geliefert worden sind. Also die Bundesregierung setzt sich ohne Not dem Verdacht aus, dass sie ihre Zusagen nicht einhält."
Zwei Monate später beugte sich die Regierung Scholz dem öffentlichen Druck und veröffentlichte eine detaillierte Liste mit allen Waffenlieferungen im Internet, die bis zum Regierungswechsel am 6. Mai regelmäßig aktualisiert wurde. Melnyk, der die Ukraine ab Ende Mai als Botschafter bei den Vereinten Nationen vertreten wird, war zu Beginn des Krieges Botschafter in Deutschland und stemmte sich schon damals gegen die Geheimhaltung. "Zu Recht wurde diese Hinhaltetaktik heftig kritisiert, nicht nur durch die Ukraine selbst, sondern auch vom Oppositionsführer Friedrich Merz", sagt er.
Melnyk: Putin muss wissen, welche Waffen Kiew erhält
Auch heute wäre es in dieser entscheidenden Phase des Krieges für die ukrainische Gesellschaft wichtig zu erfahren, welche Waffen aus Deutschland geliefert werden und wie schnell, so Melnyk. Die Veröffentlichung der Waffenlieferungen wäre auch ein starkes Signal an Russland und hätte Präventivwirkung. "Putin muss genau wissen, was konkret die neue Bundesregierung militärisch tun wird, um ihn zu einem gerechten und dauerhaften Frieden zu zwingen."
Im Umfeld von Merz argumentiert man anders. Dort wird die Kehrtwende zur Geheimhaltung damit begründet, dass man eine "strategische Ambiguität" herstellen wolle. Das bedeutet, dass man den Gegner über das eigene Handeln im Unklaren lässt, um ihm keine militärischen Vorteile entstehen zu lassen. Es gehöre zur "Taktik in der Kriegsführung", öffentliche Debatten über Waffenlieferungen zu reduzieren, heißt es.
Es gibt nun Spekulationen darüber, inwieweit die neue Geheimhaltungstaktik mit der Debatte über eine Lieferung der Marschflugkörper Taurus zu tun haben könnte, die Merz der Ukraine in Aussicht gestellt hat. "Man möchte hoffen, dass diese neue - sehr merkwürdige - Linie der Geheimhaltung nichts mit Taurus zu tun haben könnte", sagt Melnyk dazu.
Merz wich - anders als früher - schon bei seinem Besuch in Kiew am Samstag Fragen nach Taurus aus. "Unter meiner Führung wird die Debatte um Waffenlieferungen, Kaliber, Waffensysteme, und und und, aus der Öffentlichkeit herausgenommen", sagte er in einem Interview von ntv und RTL.
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