Am Ende des Chemnitzer Parteitags muss die Linken-Spitze eine Niederlage einstecken. Entgegen der Empfehlung von Parteichef van Aken votiert die knappe Mehrheit der Delegierten für die Jerusalemer Erklärung als Antisemitismus-Definition. Dafür gibt es nun ein kritisches Echo.

Die Linke hat sich gegen die in Deutschland übliche Definition von Antisemitismus gestellt und damit Kritik des Zentralrats der Juden auf sich gezogen. "Die Linke zeigt, wo sie steht - und das ist nicht an der Seite der Jüdinnen und Juden in Deutschland", erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster zu einem Beschluss der Linken. Kern des Streits ist, welche Art von Kritik an Israel als antisemitisch gilt.

Parteichef Jan van Aken stellte klar: "Beim Schutz von Jüdinnen und Juden, sowohl hier als auch in Israel, gibt es kein Vertun. Das Existenzrecht Israels bleibt auch weiterhin unangefochten Teil unserer DNA." Kritik an der israelischen Regierung sei jedoch kein Antisemitismus. Eine knappe Mehrheit der Delegierten beim Linken-Parteitag in Chemnitz hatte sich am Samstag gegen van Akens ausdrücklichen Wunsch hinter die sogenannte Jerusalemer Erklärung von 2021 gestellt.

Auch aus der Partei selbst gab es bereits am Samstag Kritik an der Entscheidung. "Ein fataler Beschluss", schrieb die Thüringer Landtagsabgeordnete der Linken, Katharina König, bei Bluesky. Damit habe die Mehrheit entschieden, "dass die Linke nicht mehr für #gegenjedenAntisemitismus steht". Es gehe bei dem Beschluss nicht um Definitionen, schreibt die ehemalige Bundestagsabgeordnete Martina Renner, "sondern darum, Personen und Gruppen vom Antisemitismus-Vorwurf freisprechen zu können, um weiter kooperieren zu können".

Streit um Antisemitismusdefinitionen

Die Jerusalemer Erklärung wurde von Wissenschaftlern entworfen als Alternative zur sogenannten IHRA-Definition von Antisemitismus, die der Zentralrat und auch die Bundesregierung unterstützen. Anders als diese erwähnt die Jerusalemer Erklärung Israel nicht explizit, sondern definiert Antisemitismus so: "Antisemitismus ist Diskriminierung, Vorurteil, Feindseligkeit oder Gewalt gegen Jüdinnen und Juden (oder jüdische Einrichtungen als jüdische)."

Die IHRA-Definition lautet: "Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann." Dies könne sich gegen Personen und Institutionen richten. Die Bundesregierung fügte hinzu: "Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein."

Die Verfasser der Jerusalemer Erklärung kritisieren, die IHRA-Definition sei für "unterschiedlichste Interpretationen offen" und schade dem Kampf gegen Antisemitismus. Sie fassen den Begriff Antisemitismus enger.

IHRA als "Einfallstor für autoritäres Handeln"

Dahinter stellt sich der Parteitagsbeschluss - getrieben von interner Kritik, dass die Linke das kriegerische Vorgehen der israelischen Regierung im Gazakrieg nicht streng genug verurteile. Im Beschluss "Antisemitismus, Repression und Zensur bekämpfen" heißt es, die IHRA-Definition sei ein "Einfallstor für autoritäres, staatliches Handeln": "Damit hat sich die Definition auch in diesem Sinne zu einem repressiven Instrument entwickelt, um unliebsame Kritik und politischen Protest zu verhindern."

Zentralratspräsident Schuster hielt dagegen: "Die Ignoranz der Linkspartei gegenüber der jüdischen Gemeinschaft, in der die IHRA-Definition weltweit anerkannt ist, zeigt einen radikalen Kern der Partei, der - getrieben von Israelhass - dazu beiträgt, den Antisemitismus unserer Zeit zu verschweigen."

Für Linken-Chef van Aken ist der Konflikt ein Rückschlag. Er hatte den Angriff der Terrorgruppe Hamas 2023 in Israel erlebt und stellt sich gegen Kritik, die den Staat Israel infrage stellt. Im Herbst 2024 hatte er mühsam eine Kompromisslinie der Partei zum Nahost-Konflikt ausgehandelt und wollte das Thema in Chemnitz ruhen lassen. Dort argumentierte er vor dem Beschluss zur Jerusalemer Erklärung: "Ich möchte diesen Antrag ablehnen."

Seit dem beispiellosen Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober 2023 verübt hatten, führt Israel Krieg im Gazastreifen. Angesichts der hohen Zahl ziviler Opfer und der katastrophalen Lage in Gaza geriet Israel daraufhin international immer stärker in die Kritik. Seit Beginn des Gazakrieges wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten palästinensischen Gesundheitsbehörden über 52.000 Menschen getötet.

Linken-Chef: Muss Auseinandersetzung geben dürfen

In einer Reaktion auf Schusters Kritik sagte van Aken: "Der Zentralrat sollte anerkennen, dass beide Definitionen auch von Jüdinnen und Juden erarbeitet und vertreten werden. Das Problem an der IHRA-Definition ist unter anderem, dass sie eine kritische Auseinandersetzung mit dem Staat Israel und somit seiner Regierung nahezu verunmöglicht. Diese Auseinandersetzung muss es jedoch gerade in Zeiten dieses brutalen Krieges in Gaza geben dürfen."

Die Linke werde weiter den Austausch mit jüdischen Organisationen in Deutschland suchen und die eigenen Positionen reflektieren. "Dennoch bleibt festzuhalten: Kritik an der brutalen Kriegsführung in Gaza und an der rechtsextremen israelischen Regierung ist kein Israelhass und auch kein Antisemitismus."

Der Parteitag fasste unter Mitwirkung von van Aken auch einen Beschluss zum Gazakrieg. Darin heißt es: "Israel verwendet das Aushungern der Zivilbevölkerung als Methode zur Beschleunigung der nachhaltigen Zerstörung aller Lebensgrundlagen und dauerhafte Zwangsvertreibung der Palästinenser:innen." Die Linke verurteile diese "Kriegsverbrechen" scharf. Gefordert wird auch die Freilassung der 2023 von der Hamas verschleppten Geiseln.

Eigentlich hatte die Linke auf dem ersten Parteitag nach ihrem Erfolg bei der Bundestagswahl große Einigkeit gefeiert. Die Partei hatte wider Erwarten 8,8 Prozent der Stimmen erzielt. Zudem hat sie in den vergangenen Monaten ihre Mitgliederzahl mehr als verdoppelt und zählt nun nach eigenen Angaben 112.000 Menschen.

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