Es dürfte der letzte große Auftritt von Kanzler Scholz gewesen sein. Auf dem Kirchentag bekommt er noch einmal die große Bühne. Schlagfertig, selbst-ironisch und mit dem Publikum auf seiner Seite endet eine Stunde Geplauder für den SPD-Politiker mit Steh-Applaus.

Nur einmal ploppt in Halle 4 auf dem Messegelände in Hannover eine typische Haltung des Kanzlers der vergangenen Jahre auf - als die Moderatorin fragt, wann er das letzte Mal geweint habe. Olaf Scholz zögert kurz, dann kontert er: "Ist schon länger her und geht Sie auch nichts an." Das klingt pampig. Aber er erntet breiten Applaus in der vollen Halle auf dem Evangelischen Kirchentag.

Dort präsentiert sich der SPD-Politiker bei seinem wohl letzten Auftritt als scheidender Kanzler vor einem größeren Publikum mit dem obligatorischen roten Kirchentagschal um den Hals ansonsten entspannt und witzig. Und als scheidender Kanzler, der mit sich im Reinen ist. Er scherzt, unter anderem über seine frühere Wehrdienst-Verweigerung, die er mit dem Verweis auf Karl May durchgesetzt habe. Und Scholz bestreitet, frustriert über das nahende Ende seiner Amtszeit zu sein.

"Es ist wichtig, dass man sich immer sagt: Ich bin ein 84 Millionstel aller Deutschen, auch wenn ich der Kanzler bin", sagt er zur Einstellung zu Spitzenjobs. Und erntet wieder Applaus. Nächste Woche sei er dann auch nicht mehr als ein "Bürger mit Vergangenheit".

Potenziell kritische Themen wie Militärhilfe für die Ukraine oder die Klimaschutzpolitik, die auf Kirchentagen schon mal heftigen Streit auslösen können, spricht Scholz selbst an. Aber alles bleibt ruhig. Auf die Frage, was er sich vorwerfe, meint Scholz selbstbewusst: Er habe in den dreieinhalb Jahren für Weichenstellung für die kommenden Jahre gesorgt. "Und keine davon wird rückgängig gemacht."

Olaf Scholz mit Seitenhieb gegen die Grünen

Einen kleinen Seitenhieb auf die Grünen schiebt Scholz mit der Bemerkung hinterher, dass er hoffe, dass auch diejenigen, die mehr Klimaschutz wollten, nun verstünden, warum man ein solches Heizungsgesetz nicht wieder vorlegen dürfe. "Es müssen Anforderungen sein, bei denen sich alle (Menschen) auch vorstellen können, dass sie sie erfüllen können." Er reiche nicht, einfach ein Scheckbuch daneben zu legen.

Scholz, der in seiner Amtszeit gerne auch mal als Rechthaber auftrat, gibt sich in Hannover vor den Tausenden Kirchentags-Besuchern selbstironisch. Als der frühere Hamburger Bürgermeister auf seine Geburt und seine Erinnerungen an Osnabrück angesprochen wird, verdreht er etwa die Augen. Er habe dort doch nur die ersten drei Jahre verbracht. Dann fügt er selbstironisch hinzu: Er habe "unglaublich detaillierte Erinnerungen. Ich bin fast versucht zu sagen, da sollte kein Untersuchungsausschuss kommen." Der Kanzler erntet Lacher von denen, die an seine Erinnerungslücken bei der Cum-Ex-Untersuchungen denken.

Als er gefragt wird, wie lange man Berufspolitiker sein könne, überlegt der 66-Jährige kurz und antwortet, solange man etwas mit Herzen vertreten könne. "Fürs Dabeisein-Wollen ist das Amt zu stressig", meint er mit Blick aufs Kanzleramt und lässt das Publikum ein einziges Mal rätseln, ob zumindest dies eine kleine Spitze gegen seinen wahrscheinlichen Nachfolger Friedrich Merz sein könnte.

Aber dann betont Scholz, dass er überzeugter Demokrat sei und schon am Dienstag deshalb ohne große Wehmut den CDU-Chef zum Kanzler wählen werde. Und er verspricht, als Ex-Kanzler nicht dauernd die Tagespolitik zu kommentieren. Das Mandat als Bundestagsabgeordneter werde er aber wahrnehmen, schiebt Scholz hinterher und lenkt die Aufmerksamkeit von seiner krachenden Wahlniederlage darauf, dass er in seiner Karriere in zwei Bundesländern sechsmal in Wahlkreisen das Direktmandat für den Bundestag gewonnen hat. "Das ist das höchste Amt, in das ein Politiker in Deutschland direkt gewählt werden kann."

Dann ist die Stunde für Scholz vorbei. Der Norddeutsche verabschiedet sich mit einem einfachen "Tschüss" und bekommt ein letztes Mal stehende Ovationen. Als die Moderatorin schmeichelt, man hätte auch gut eine Stunde weiter reden können, scherzt der Fast-Kanzler-Rentner "Ich habe Zeit". Dann tritt Scholz ab.

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