SAMP/T ist die europäische Alternative zum US-Flugabwehrsystem Patriot, weil es auch ballistische Raketen eliminieren kann. In einem Bericht ist jedoch von Problemen in der Ukraine die Rede. Der Hersteller spricht hingegen von "übertroffenen Erwartungen". Eine verbesserte Version sei ein "Gamechanger".

Seit der zeitweisen Aussetzung der US-Militärhilfe für die Ukraine und den Spannungen mit Washington blicken EU-Staaten äußerst kritisch auf ihre eigenen Waffenarsenale. Die sind bekanntermaßen oft gespickt mit Gerät aus den USA, auf das möglicherweise eines Tages kein Verlass mehr ist. Mittlerweile hat sich deswegen die Frage aufgedrängt, wo die US-Abhängigkeit zu groß ist - und was Europa selbst zu bieten hat.

Viele Staaten vertrauen zum Beispiel auf das US-Flugabwehrsystem Patriot, das fast alles vom Himmel holen kann - auch die besonders schwer abzuschießenden ballistischen Raketen. Mit diesen tötete Russland zuletzt Dutzende Zivilisten bei besonders schlimmen Angriffen auf ukrainische Städte wie Sumy und Krywyj Rih. Die europäische Alternative zu Patriot ist das französisch-italienische SAMP/T.

Die Ukraine setzt beide Systeme ein, besitzt aber zu wenige. Kiew lobt vor allem die Leistungen von Patriot immer wieder und bittet um mehr Batterien. In einem Bericht des "Wall Street Journals" hieß es, das europäische System SAMP/T habe Schwierigkeiten bei der Eliminierung von Russlands ballistischen Raketen gehabt und sei Patriot unterlegen.

Der Hersteller Eurosam wollte auf Anfrage von ntv.de nicht auf den konkreten Einsatz von SAMP/T in der Ukraine eingehen, genau wie die Verteidigungsministerien von Frankreich und Italien. Eurosam teilte aber allgemein mit: "Wir haben von den Streitkräften äußerst positive Rückmeldungen über die Wirksamkeit erhalten, die unsere Erwartungen übertroffen haben."

SAMP/T habe mehrfach bewiesen, dass es in der Lage sei, ballistische Raketen abzuschießen, sagte ein Sprecher zu ntv.de. Schon 2013 habe das System mit einer Aster-Flugabwehrrakete ein Ziel eliminiert, das einer taktischen ballistischen Scud-Rakete entspreche. SAMP/T ist allerdings beschränkt auf die Abwehr von ballistischen Kurzstreckenraketen in der 600-Kilometer-Reichweitenklasse. In diese fallen unter anderem die von Russland gegen die Ukraine häufig eingesetzten Iskander-M, die auch in der Exklave Kaliningrad an der Ostsee stationiert sind.

Macron: SAMP/T NG als Patriot-Alternative anbieten

Große Hoffnungen ruhen auf einer deutlich verbesserten Version von SAMP/T. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte diese wegen der zeitweisen Aussetzung der US-Militärhilfe für die Ukraine ins Schaufenster gestellt und sich für eine Reduzierung der Abhängigkeit von Washington ausgesprochen. SAMP/T NG ("next generation") solle den Ländern, die Patriot kaufen wollen, angeboten werden, so der Staatschef.

Potenzielle Kunden sind da: Mehrere Staaten haben sich 2022 in der Sky Shield Initiative zusammengeschlossen, um Europas Luftabwehr zu verstärken. Dänemark wird laut Verteidigungsministerium entweder SAMP/T NG oder Patriot beschaffen. Laut der estnischen Rundfunkanstalt EER wird sich auch Estland zwischen den beiden Systemen entscheiden. Das kostengünstige israelische "David's Sling", das sich Finnland zulegt, soll ebenfalls in der Auswahl sein. Laut Militärblogs denkt zudem Kroatien über die Beschaffung von SAMP/T NG nach.

Eurosam hat SAMP/T NG werbewirksam zu einem "game changer" erklärt. Neben ballistischen Raketen mit einer Reichweite über 600 Kilometern sollen sogar Hyperschallraketen eliminiert werden können. Frankreich und Italien haben insgesamt 18 SAMP/T NG bestellt, teilte der Sprecher ntv.de mit. Die Serienproduktion wurde bereits in Auftrag gegeben. Der wohl größte Nachteil: Die Entwicklung ist noch nicht komplett abgeschlossen, die Auslieferung beginnt laut Eurosam erst 2026.

Neue Aster-Rakete und neuer Radar

Zur Abschreckung oder gar Verteidigung gegen Russland bräuchte es viele Systeme und ausgebildetes Personal. Europa mal eben reihenweise mit SAMP/T NG auszustatten, dürfte schwierig werden. Bereits vom Vorgänger wurden nur wenige Exemplare gebaut. Die Verfügbarkeit von Aster-Flugabwehrraketen soll - wie bei vielen anderen Typen auch- knapp sein und die Produktion besonders lange dauern.

Ein erster erfolgreicher Test der modernsten Aster-Flugabwehrrakete "30 B1 NT" für SAMP/T NG gegen ein "Ziel in einem komplexen Szenario" wurde Ende vergangenen Jahres vermeldet. Aster soll die einzige europäische Raketenfamilie sein, die in der Lage ist, die "meisten hochentwickelten Bedrohungen" abzuwehren und kann auch von Schiffen aus eingesetzt werden.

Der vom Rüstungskonzern Thales entwickelte und produzierte Radar "Ground Fire 300 MRI" hat zudem den Höhepunkt einer langen Testreihe erfolgreich abgeschlossen. Der Radar soll über die Funktion der autonomen Erkennung ballistischer Raketen verfügen. Er könne bis zu 1000 Ziele gleichzeitig verfolgen, schrieb das Portal Defense Express. Der Ground Fire 300 dürfte das volle Potenzial des SAMP/T NG entfalten, so der Bericht.

"Da sind die Russen uns einfach überlegen"

Die EU hält einen Angriff Russlands auf einen Mitgliedsstaat in wenigen Jahren für möglich. Der Militärhistoriker Sönke Neitzel sprach im ntv-Salon gar von einem möglichen Szenario in diesem Sommer, das Experten in Litauen genannt haben sollen: Russland könne ein Militärmanöver in Belarus für einen Angriff nutzen.

Der Politologe Carlo Masala verwies auf die Schwächen von Europas Flugabwehr. "Die Luftverteidigung wird hauptsächlich von den Amerikanern gestellt. Wenn die Amerikaner den Europäern keine Luftverteidigung mehr bieten, haben wir in Deutschland acht Patriot-Batterien. Wenn Sie die klug aufstellen, kriegen Sie Berlin geschützt und noch ein Drittel von Hamburg."

Wenn er Putin wäre, der genügend ballistische Raketen und Marschflugkörper habe, würde er die überallhin schicken, nur nicht nach Berlin, sagte Masala bei ntv. "Weil ich weiß, alles andere ist nicht geschützt. Da sind die Russen uns einfach überlegen."

Das israelische Flugabwehrsystem Arrow 3, das Deutschland an drei Standorten aufbaut, ist nicht auf die Zerstörung von ballistischen Kurzstreckenraketen ausgelegt. Es konzentriert sich stattdessen auf Mittel- und Langstreckenbedrohungen außerhalb der Erdatmosphäre. Für die Eliminierung von Drohnen und Marschflugkörpern hat sich Erfahrungen in der Ukraine zufolge das deutsche Iris-T bewährt.

Seine Überlegenheit in der Luft nutzt Russland derzeit besonders stark für schlimmste Angriffe auf die Ukraine. Die Verteidiger dort verfügen laut Berichten nur über zwei SAMP/T-Batterien und sechs bis sieben Patriots. Deutlich zu wenig für solch ein großes Land. Kürzlich tötete eine ballistische Iskander-M-Rakete mit Streumunition in Krywyj Rih bei einem der schwersten russischen Luftangriffe 20 Menschen, darunter viele Kinder. Einen noch verheerenderen Angriff gab es kurze Zeit später auf Sumy mit über 30 Toten.

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