Die USA starten einen neuen Versuch, den festgefahrenen Ukraine-Krieg zu beenden. Dafür haben sie einen 28-Punkte-Plan aufgelegt, der in der Ukraine und Europa für Entsetzen gesorgt hat, weil er größtenteils russische Wünsche berücksichtigt. Nachdem US-Außenminister Marco Rubio in Genf am Sonntag zahlreiche Änderungsbegehren entgegennahm, diskutierten bei Caren Miosga Armin Laschet (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, die Militärexpertin Claudia Major, und der Journalist und Bambi-Preisträger Paul Ronzheimer, ob aus diesem Engagement tatsächlich Frieden entstehen kann.
Kriegsreporter Ronzheimer („Bild“/WELT) gilt als einer der besten Kenner der Ukraine und ihrer politischen Realität. Er spricht regelmäßig mit Soldaten, Politikern und Menschen vor Ort. Ronzheimer sagt: „Jeder in der Ukraine weiß, dass es irgendwann zu schmerzhaften Zugeständnissen kommen wird. Die Russen kommen zwar sehr langsam voran, aber sie kommen voran.“ Dieser Abnutzungskrieg, der viele russische Soldatenleben kostet, könne am Ende nur einen Sieger haben: Russland. Ronzheimer betont, in dem sogenannten Friedensplan stünde deshalb „alles, was Wladimir Putin immer schon wollte“.
Claudia Major mag gar nicht von einem Plan sprechen, sie sagt: „Ich würde das so nicht nennen, weil es so schlampig und schlecht formuliert und durchdacht ist. Ich nenne es Dokument. Darin geht es nicht nur um die Ukraine, darin geht es auch um uns, um ganz Europa.“ Ihr fällt es sichtlich schwer, an einen nachhaltigen Frieden zu glauben: „Aus russischer Perspektive gibt es keinen Grund, diesen Krieg zu beenden. Es ist ein Abnutzungskrieg, den sie irgendwann gewinnen werden. Russland versucht, mit Verhandlungen das zu kriegen, was sie militärisch derzeit nicht bekommen.“
Europapolitiker Laschet bemängelt die schlechte Position der Europäer, sieht aber die Schuld klar in den eigenen Reihen: „Europa agiert nur, um das Schlimmste zu verhindern. Es ist schon wieder nur eine Reaktion. Wenn wir eine Idee haben, sagen wir sie den Amerikanern, damit die sie möglicherweise in ihre Gespräche einbringen. Wir sind aber selbst kein aktiver Akteur. Da ist keine Strategie erkennbar. Kein Wenn-dann.“
Major daraufhin zu Laschet: „Sie sind seit Mai an der Regierung. Immer nur zu sagen, Europa liefert nicht, klingt komisch. Wir als größtes Land Europas könnten auch in Vorleistung gehen. Es rächt sich, dass die Europäer in den letzten zehn Jahren militärisch nicht investiert haben.“ Darin gibt ihr Laschet Recht, schiebt das im Falle Deutschlands aber auf SPD und Grüne. Erst beim russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 sei bei diesen Parteien ein Umdenken in Kraft getreten: „Satelliten, Aufklärungen, da haben wir festgestellt, dass wir überhaupt keine Fähigkeiten haben. So großspurig wir jetzt auch reden, wir Europäer könnten für die Ukraine die USA nicht ersetzen.“
Einig ist sich die Runde darin, dass die USA zwar als Vermittler bemüht sind, aber keine Partei ergreifen. Major kommt deshalb zu dem Schluss: „Wir erleben eine Endamerikanisierung der Nato. Die Amerikaner wollen kein Beteiligter mehr sein, sondern ein Moderator.“ Dazu würde passen, dass in dem Dokument verankert ist, dass Russland ein Mitspracherecht haben soll, wer künftig Nato-Mitglied wird. "Das wäre eine totale Bankrotterklärung“, sagt Major.
Laschet pflichtet ihr bei: „Der mächtigste Mann der Welt legt dieses Dokument auf den Tisch. Die Amerikaner betrachten sich als neutraler Vermittler zwischen Russland und Europa.“ Ronzheimer dämmert: „Er erkennt, dass viel Druck auf Selenskyj mehr bringt als viel Druck auf Putin.“ Ronzheimer erinnert daran, worum es für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj jetzt geht: „Für Selenskyj geht es als Präsident um alles. Um seine politische Zukunft, möglicherweise auch um sein eigenes Leben.“ Für ihn als Selenskyj-Kenner sei klar, dass er für eine mögliche Wahl nicht noch einmal als Präsident zur Verfügung stehen wird.
Wie aber soll Selenskyj seinem Volk zunächst einmal klarmachen, dass er zu Gebietsabtretungen bereit ist? Ein Punkt, der für alle am Tisch ein No-Go darstellt. Laschet sagt: „Es darf keine völkerrechtliche Anerkennung ukrainischer Gebiete an Russland geben.“ Und Major findet: „Zwei Atommächte drücken der Ukraine auf, dass es völlig ok ist, dass man mit Krieg Grenzen verschieben kann. Dieses ganze Dokument atmet den Willen, die Ukraine kontrollieren zu wollen und das auch auf Europa ausrollen zu wollen. Das ist das Leitmotiv hinter all den Punkten.“
Eine Alternative wäre laut Laschet ein Waffenstillstand. „Das bedeutet, keiner darf mehr mit Gewalt eine Grenze verschieben“, sagt er. Ein solcher Waffenstillstand könne lange bestehen, habe aber nie eine völkerrechtliche Endgültigkeit.
Ronzheimer und Major schütteln unisono den Kopf. „Putin wird bei einem so abgeänderten Plan nicht dabei sein“, sagt Ronzheimer. Major: „Ich glaube, nicht, dass eine Neufassung dieses Dokuments aus russischer Sicht interessant sein wird. Man sollte sich nicht länger der Illusion hingeben, die man manchmal in der deutschen Debatte hat, dass Russland diesen Krieg beenden will."
Laschet aber betont, es sei nun mal die Aufgabe der Politik, alles für den Frieden zu versuchen. Zumal es gar nicht so sehr darauf ankäme, wie Putin reagiert, sondern wie Donald Trump es am Ende tut: „Unser Schwerpunkt sollte nicht Putin sein, sondern die Frage: Wie können wir Trump, Rubio und die Kräfte, die weiter mit Europa in der Nato arbeiten wollen, in den USA stärken?“
Major wirkt ein wenig resignierend, als sie zu dem Fazit kommt: „Würde dieser Plan, so wie er jetzt daliegt, umgesetzt werden, würde er zu einer Kampfpause führen, die es Russland erlauben würde, seine Streitkräfte in aller Ruhe zu regenerieren.“ Sicherheitsgarantien seien ein zentraler Punkt, der bislang zu wenig Aufmerksamkeit in den Diskussionen gefunden hat, sagt sie. Wer sorgt dafür, dass ein Abkommen, wie auch immer es am Ende aussehen mag, umgesetzt wird? Dass jeglicher Bruch sanktioniert wird?
Laschet nickt: „Dieser Punkt muss nachgeschärft und unterlegt werden. Selenskyj kann einen solchen Schritt im eigenen Land nur erklären, wenn er aufzeigen kann: Hier sind zahlreiche Garantieren – damit haben wir die Sicherheit, dass uns so etwas nicht wieder passieren kann.“
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