Am Montag hat Donald Trumps Friedensplan für Gaza höchste internationale Weihen erhalten, als der UN-Sicherheitsrat sich mehrheitlich hinter das amerikanische Projekt und die Entsendung von Stabilisierungstruppen stellte. Doch damit ist der Weg noch keineswegs frei für eine nachhaltige Befriedung des Küstenstreifens. Denn während Israels Premier Benjamin Netanjahu die Entscheidung des UN-Sicherheitsrates begrüßte, übte die Hamas scharfe Kritik.
„Die internationale Truppe mit Aufgaben und Rollen im Gaza-Streifen zu versehen, eingeschlossen die Entwaffnung des Widerstandes, entblößt sie ihrer Neutralität und verwandelt sie in eine Konfliktpartei, die die Besatzung unterstützt“, hieß es am Dienstag in einer Erklärung der Terrororganisation. Die Islamisten hatten seit 2006 ein Unterdrückungsregime in Gaza errichtet und immer wieder militärische Konflikte mit Israel vom Zaun gebrochen, zuletzt mit dem verheerenden Massaker an israelischen Zivilisten am 7. Oktober 2023.
Tatsächlich haben beide Seiten formell bisher allein Phase Eins des Trumpschen Friedensplanes zugestimmt. Die sieht einen partiellen Rückzug der Israelis auf eine erste Waffenstillstandslinie vor, die sogenannte gelbe Linie, und den Austausch von allen verbleibenden israelischen Geiseln gegen in Israel inhaftierte und zu Haftstrafen verurteilte Palästinenser. Die nächsten Phasen sehen dann den israelischen Abzug aus weiteren Gebieten vor, die Entsendung einer Stabilisierungstruppe, die Entwaffnung der Hamas und die Einsetzung einer palästinensischen Technokratenregierung unter internationaler Aufsicht. Die Terrorgruppe ist bisher aber weder bereit, auf die Macht im Gaza-Streifen zu verzichten noch dazu, sich entwaffnen zu lassen.
Das zeigt, dass die Hamas am bewaffneten Kampf gegen Israel festhalten will. Sie braucht ihre Waffen auch, um die eigene Macht in Gaza zu erhalten. Nach dem 7. Oktober kann Israel jedoch seinerseits nicht erlauben, dass die Terrororganisation auch in Zukunft eine Gefahr für israelische Zivilisten darstellt. Eine Position, die deshalb in Trumps Friedensplan einfloss und nun auch vom UN-Sicherheitsrat unterstützt wird.
Wie wenig die Hamas gewillt ist, diesem Teil des Friedensplanes zuzustimmen, zeigt ein Bericht des staatlichen israelischen Fernsehsenders Kan. Demnach soll die Hamas Munition und modernere Waffensysteme im Jemen, anderen afrikanischen Ländern und verbündeten Nationen anhäufen, um sie dann von dort nach Gaza und andere Orte bringen zu lassen, wenn die Lage es erlaubt. Die Hamas könnte sich also teilweise entwaffnen lassen, um sich dann von außen erneut mit Waffen zu versorgen.
Das israelische Militär meldet auch zunehmende Probleme mit Waffenschmuggel aus Ägypten nach Israel selbst. So hat das israelische Militär allein im vergangenen Monat 130 schwere Transportdrohnen abgefangen, mit denen vor allem Gewehre über die Grenze geschmuggelt wurden, darunter zwei schwere Maschinengewehre. Der größte Teil dieser Waffen scheint bestimmt zu sein für kriminelle Organisationen in Israel. Die Israelis befürchten laut einem Bericht der „Times of Israel“, dass schwere Waffen auf diesem Wege auch in die Hände von Terroristen gelangen könnten.
Das israelische Militär schätzt, dass zwischen 100 bis 300 Ägypter am Waffenschmuggel im Sinai beteiligt sind. Die könnten in Zukunft auch die Hamas wieder mit Waffen versorgen, wenn Israel sich aus weiteren Gebieten in Gaza zurückzieht und Stück für Stück die Kontrolle über den Streifen aufgibt.
Derzeit versuchen die USA, die Hamas davon zu überzeugen, einer Entwaffnung zuzustimmen, um die nächsten Phasen von Trumps Friedensplan umzusetzen. Für den heutigen Mittwoch war deshalb ein Treffen in Istanbul geplant zwischen dem amerikanischen Nahostunterhändler Steve Witkoff und einer Hamas-Delegation unter Führung von Khalil al-Hayya, einem Mitglied des Politbüros der Terrororganisation.
In den vergangenen Wochen hatte Witkoff versucht, zumindest eine „kleine“ Einigung beider Seiten zu erzielen, die eine Art Pilotcharakter hat. So sollen geschätzte 100 bis 200 Hamas-Kämpfer in Tunneln eingeschlossen sein, die sich unter der Stadt Rafah im israelisch beherrschten Teil befinden. Wittkoff versucht die Israelis zu überzeugen, den Kämpfern freies Geleit entweder in den nicht von Israel beherrschten Teil Gazas oder ins Ausland zu gewähren.
Israel hat das bisher abgelehnt, die Amerikaner hoffen aber, dass eine Einigung in dieser Frage Vorbildcharakter haben könnte für den Umgang mit den geschätzten 20.000 noch verbliebenen Hamas-Kämpfern in Gaza. Es ist unklar, ob die Kämpfer in den Tunneln unter Rafah ihrerseits bereit sind, sich entwaffnen zu lassen.
Die Entwaffnung der Hamas ist jedoch generell die Schlüsselfrage, an der sich die Zukunft in Gaza entscheidet. Denn wenn die Organisation ihre Waffen nicht abgibt und ihre Kämpfer nicht ins Exil gedrängt werden, dann ist eine Rückkehr der Hamas an die Macht vorprogrammiert– und künftige, von Hamas ausgelöste Kriege mit Israel ebenfalls.
Zudem dürfte auch die Bereitschaft von Staaten, Truppen für eine Stabilisierungsoperation abzustellen, mit davon abhängen, ob sie sich mit einer bewaffneten Terrororganisation konfrontiert sähen oder nicht. Clifford May, Präsident und Nahostexperte der Foundation for the Defense of Democracies, sagt: „Solange die Hamas sich weigert, entwaffnet zu werden, werden die meisten Länder zögerlich sein, Soldaten für eine Stabilisierungstruppe zu schicken und der Wiederaufbau Gazas wird im besten Falle nur schleppend vorankommen“.
Clemens Wergin ist seit 2020 Chefkorrespondent Außenpolitik der WELT. Er berichtet vorwiegend über den Ukraine-Krieg, den Nahen Osten und die USA.
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