US-Präsident Donald Trump ist wütend auf Spanien – und bekommt dafür inzwischen auch Zustimmung von osteuropäischen und skandinavischen Staaten an der Frontlinie zu Russland. Sie empfinden es als ungerecht, dass ausgerechnet Spanien, das derzeit ein robustes Wirtschaftswachstum erlebt, nicht stärker zu Europas Bemühungen beiträgt, die Ukraine militärisch zu unterstützen und die gemeinsame Abschreckung zu stärken.
In der kommenden Woche beraten die EU-Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel in Brüssel über eine stärkere Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen. Und Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez wird voraussichtlich enorm unter Druck geraten.
Sollte er sich den Forderungen nach einem Ausbau der militärischen Abschreckung nicht anschließen, drohe eine offene Konfrontation mit den anderen Staats- und Regierungschefs, sagt ein mit den Gipfel-Vorbereitungen vertrauter Diplomat. Ein anderer EU-Diplomat erklärt, auch Länder wie Italien und Portugal müssten ihren Beitrag für den Norden des Kontinents leisten – insbesondere dann, wenn sie auf der anderen Seite Solidarität bei der Migration aus Afrika und dem Nahen Osten erwarteten.
„Wir hoffen jetzt, dass das Nato-Ziel von fünf Prozent wirklich schnell umgesetzt wird, denn uns läuft die Zeit davon“, sagte Finnlands Verteidigungsminister Antti Häkkänen, dessen Land eine mehr als 1300 Kilometer lange Grenze zu Russland hat. „Als Frontstaat betonen wir, dass andere Länder ihren Anteil leisten müssen – und zwar zügig.“
Doch genau an diesem Punkt wird es kompliziert. Auf einem Gipfel im Juni hatten die Nato-Staaten vereinbart, ihre Verteidigungsausgaben innerhalb der nächsten zehn Jahre auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Bisher hatte das Ziel bei nur zwei Prozent gelegen. Einige Regierungsvertreter aus Nordeuropa halten das neue Ziel für unzureichend und zu langsam angesichts des Kriegs in der Ukraine und zunehmender Verletzungen des europäischen Luftraums durch russische Drohnen und Kampfflugzeuge.
Zudem wächst in Europa die Erkenntnis, dass die Staaten ihre Verteidigungsausgaben zwingend eigenständig erhöhen müssen, da langfristig nicht garantiert ist, dass die USA ihre Rolle als Schutzmacht Europas spielen werden. Trotzdem verweigert Spaniens Regierungschef Sánchez seit Monaten die Zustimmung zum neuen Nato-Ziel.
Damit zog er den Zorn von US-Präsident Trump auf sich. Der drohte Spanien in dieser Woche mit Strafzöllen und sogar mit einem Ausschluss aus der Nato. Madrids Verteidigungsausgaben lagen vor diesem Jahr bei lediglich 1,28 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – der niedrigste Wert aller Mitgliedstaaten. Sánchez verteidigte seinen Kurs und argumentierte, dass Spaniens Ausgaben ausreichten, um seine Nato-Verpflichtungen zu erfüllen.
Trump bezeichnete diese Haltung als „unglaublich respektlos“ und verlangte Sanktionen. „Sie sollten dafür bestraft werden. Ja, das finde ich“, sagte der US-Präsident am Dienstag. Schwedens Verteidigungsminister Pål Jonson, Vertreter des jüngsten Nato-Mitglieds, zeigte Verständnis für Trumps Kritik: „Es ist entscheidend, dass alle Verbündeten ihre Zusagen jetzt einlösen – auch Spanien.“
Nato-Generalsekretär Mark Rutte versuchte, die Auseinandersetzung auf einem Treffen der Verteidigungsminister in Brüssel am Mittwoch herunterzuspielen. „Es liegt stets in der Verantwortung der einzelnen Verbündeten, so viel beizutragen, wie ihnen möglich ist“, sagte Rutte dort.
Mittelmeerländer hinken hinterher
Spaniens Verteidigungsministerin Margarita Robles verteidigte das Engagement ihres Landes: „Niemand kann an Spaniens Loyalität gegenüber der Nato zweifeln. Wir sind seit 40 Jahren verlässlicher Partner.“ Trotzdem bleibt die Frage, wie die Kosten für die Verteidigung Europas künftig aufgeteilt werden sollen.
Die EU-Kommission stellte in dieser Woche ihre finale Strategie zur militärischen und verteidigungspolitischen „Einsatzbereitschaft“ vor. Auf dem Gipfel kommende Woche beraten die europäischen Staats- und Regierungschefs, wie die Unterstützung für die Ukraine im Krieg gegen Russland finanziert werden kann.
Zwischen Januar 2022 und August 2025 stellte Spanien lediglich 790 Millionen Euro an Militärhilfe für die Ukraine bereit und lieferte einige Panzer und Luftabwehrsysteme, wie aus dem Ukraine Support Tracker des Kieler Instituts für Weltwirtschaft hervorgeht. Zum Vergleich: Deutschland unterstützte Kiew mit 17,7 Milliarden Euro, Großbritannien steuerte 13,3 Milliarden Euro bei.
Insgesamt hinken die Mittelmeerländer bei den Waffenlieferungen weit hinter den nördlichen und baltischen Staaten hinterher – Italiens Militärhilfe beläuft sich auf 1,7 Milliarden Euro, Griechenlands auf 150 Millionen Euro. Spanien wäre nach Auffassung von EU-Offiziellen aufgrund der robusten Wirtschaftslage eigentlich in der Lage, stärker zu helfen: Das Land verzeichnete 2024 ein Wachstum von 3,2 Prozent, für dieses Jahr wird es auf 2,6 Prozent geschätzt.
US-Präsident Trump drohte bereits Strafzölle gegen Madrid an. Das lässt die EU bisher aber kalt. Rechtlich sei es den USA nicht möglich, gezielt nur ein einzelnes EU-Land wie Spanien mit solchen Maßnahmen zu belegen, da die Handelspolitik gemeinschaftlich durch die EU-Kommission geregelt wird, heißt es in Brüssel. Möglich wäre allerdings, dass Trump gezielte Zölle auf spanische Exportprodukte wie Schweinefleisch oder Sherry erhebt.
„Für den Handel ist ausschließlich die Europäische Kommission zuständig, die im Namen aller Mitgliedstaaten handelt“, erläuterte EU-Kommissionssprecher Olof Gill. Jegliche Maßnahmen gegen einzelne Mitgliedstaaten werde die EU angemessen beantworten. Gill erinnerte zudem an das jüngst geschlossene Handelsabkommen zwischen der EU und den USA, das als Basis für die Lösung etwaiger Streitfragen diene.
Der Konflikt belastet das Verhältnis zwischen Madrid und Washington, doch innenpolitisch bringt er dem spanischen Premier Vorteile. Jüngsten Umfragen zufolge gilt Sánchez im eigenen Land als wenig vertrauenswürdig – 67 Prozent der Spanier halten ihn für „nicht verlässlich“. Dennoch befürwortet eine Mehrheit ausdrücklich seinen Widerstand gegen eine drastische Erhöhung der Verteidigungsausgaben.
Politologe Pablo Simón von der Universität Carlos III. in Madrid sieht die spanische Tradition bestätigt. Er erinnert daran, dass das Land dazu neige, sich aus sicherheitspolitischen Streitfragen herauszuhalten und in weltpolitischen Konflikten Neutralität zu bewahren. Bereits der Nato-Beitritt 1982 war höchst fragwürdig, und Millionen Spanier protestierten, als ihre Regierung 2003 den US-geführten Irak-Krieg unterstützte.
„Die Position von Sánchez ist so populär, weil sie die vorsichtige Haltung der Spanier gegenüber militärischen Fragen widerspiegelt – und weil Donald Trump in Spanien denkbar unbeliebt ist“, sagt Simón. „Solange die Bevölkerung glaubt, dass ihre Regierung ihre internationalen Pflichten erfüllt, ist diese Strategie innenpolitisch Erfolg versprechend.“
Hinzu kommt: Selbst wenn Sánchez Trumps Forderungen nachkäme, fehlte ihm der Rückhalt im Parlament, die Verteidigungsausgaben deutlich anzuheben. Die konservative Opposition würde der Regierung voraussichtlich nicht den Gefallen tun, einen höheren Militärhaushalt zu unterstützen. Und der linksgerichtete Koalitionspartner Sumar lehnt prinzipiell alles ab, was zu einer Kürzung von Sozialausgaben führen könnte.
Mitarbeit: Esther Webber, Seb Starcevic, Laura Kayali, Victor Jack
Dieser Text erschien zunächst in „Politico“, mit dem WELT im Axel Springer Global Reporters Network verbunden ist. Übersetzt und redaktionell bearbeitet von Klaus Geiger.
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