Nicht das ganze EU-Parlament ist mit der Arbeit von der Leyens zufrieden. Sie könne zu wenig Ergebnisse vorweisen, heißt es. Im Juli muss sich die Kommissionschefin deshalb einem Misstrauensvotum stellen, heute erneut - alle scheitern. Zwei Lager überlegen, weitere Anträge zu stellen.
Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen hat zwei weitere Misstrauensvoten im Europäischen Parlament überstanden. Für den Vorstoß der rechten PfE-Fraktion votierten in Straßburg 179 Abgeordnete bei 378 Gegenstimmen, für den Antrag aus dem linken Lager 133 bei 383 Gegenstimmen. 37 enthielten sich bei der Abstimmung über den PfE-Antrag, 78 bei demjenigen von links.
Für ein erfolgreiches Misstrauensvotum wären zwei Drittel der abgegebenen Stimmen - ohne Enthaltungen - nötig gewesen, mindestens aber 360. Insgesamt beteiligten sich von den aktuell 719 Abgeordneten je 594 an den Abstimmungen über beide Anträge. Wenn das EU-Parlament einen der Anträge angenommen hätte, wäre die EU-Kommission zum Rücktritt gezwungen gewesen. Bei einer ersten Misstrauensabstimmung im Juli hatten 175 Abgeordnete gegen von der Leyen gestimmt, 360 stellten sich hinter sie.
Der PfE-Antrag, den alle 84 Abgeordneten der Fraktion unterzeichnet hatten, kritisierte unter anderem von der Leyens Wirtschafts-, Klima- und Migrationspolitik und warf ihr Intransparenz und Zensur vor. Zur PfE-Fraktion gehören unter anderem Politikerinnen und Politiker der Fidesz-Partei von Viktor Orban sowie der Partei Rassemblement National (RN) von Frankreichs Rechtspopulistin Marine Le Pen und ihrem politischen Ziehsohn Jordan Bardella - der bei neuen Wahlen der nächste französische Präsident oder Premierminister werden könnte. Die RN-Abgeordneten im Europaparlament hatten auch schon das erste Misstrauensvotum gegen von der Leyen und ihr Team im Juli mitinitiiert.
Den Antrag aus dem linken Spektrum hatten fast alle Linken-Abgeordneten unterzeichnet sowie vereinzelte Grüne, ein Parlamentarier der Sozialdemokraten und mehrere Fraktionslose, darunter die fünf deutschen Abgeordneten vom Bündnis Sahra Wagenknecht. Damit erreichten sie gerade so die Schwelle von einem Zehntel aller EU-Abgeordneten, um den Misstrauensantrag einreichen zu können. Die Gruppe wirft von der Leyen insbesondere vor, nicht genug gegen die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen zu unternehmen. Außerdem kritisiert sie - wie auch die PfE - den Zoll-Deal der EU mit US-Präsident Donald Trump.
Von der Leyen bleibt gelassen
Bei der Aussprache zu den Anträgen im Parlament am Montag wirkte von der Leyen friedlicher als bei der Debatte im Juli. Sie rief die Parlamentarierinnen und Parlamentarier zur Einheit auf und betonte, dass eine Spaltung den Interessen des russischen Präsidenten Wladimir Putins diene. Ein so harter Schlagabtausch, wie es ihn im Juli vor allem zwischen den Vorsitzenden der Konservativen und Sozialdemokraten gegeben hatte, fand nicht statt.
Die Fraktionsspitzen der konservativen EVP, sozialdemokratischen S&D, liberalen Renew und Grünen hatten im Plenum keine Unterstützung für die Misstrauensanträge signalisiert. Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber von der CSU stellte sich klar hinter von der Leyen. Er warf Bardella vor, mit dem Misstrauensantrag eine Kampagne für den französischen Wahlkampf zu führen.
Weil die Fraktionen im EU-Parlament nicht so geschlossen abstimmen wie etwa im Bundestag, hatte die Linken-Gruppe bei ihrem Antrag laut ihrem Co-Vorsitzendem Martin Schirdewan auf Unterstützung von Abgeordneten aus dem Mitte-links-Spektrum abgezielt. "Unser Ergebnis zeigt: Der Druck auf Ursula von der Leyen und ihre Kommission wächst und die Linke wird diesen Druck innerhalb des Europäischen Parlaments und auf den Straßen Europas weiter verstärken", teilte Schirdewan zu dem Misstrauensvotum mit. Zu dem Vorwurf, dass es angesichts der geopolitischen Lage Stabilität in der EU bräuchte, sagte er: "Eine Stabilität des Scheiterns brauchen wir nicht."
Weitere Misstrauensanträge gegen von der Leyen?
Die Misstrauensanträge zeigen, dass vor allem die politischen Ränder von der Leyen zunehmend in die Mangel nehmen. Schirdewan ist sich darüber hinaus sicher, dass es weitere Misstrauensanträge gegen die EU-Kommission geben wird. Auch der Chef der Europa-SPD, René Repasi, sieht diese Möglichkeit. "Von der Leyen steht jetzt in der Bringschuld", hieß es von ihm. Es sei absehbar, dass die Kritik im Parlament wieder deutlich lauter werden könne. Dem Portal "Politico" zufolge sagte Repasi, dass es in Zukunft einen entsprechenden Antrag der S&D geben könnte, wenn von der Leyen keine Ergebnisse liefere.
"Ein Misstrauensantrag ist dennoch kein Spielball für Stimmungspolitik - es ist das schärfste und letzte Kontrollmittel des Parlaments", stellte Repasi auf Anfrage klar. Sollten die Sozialdemokraten von der Leyen den Rücken kehren, riskiert sie damit, die Möglichkeit zu verlieren, Mehrheiten mit der Mitte des Parlaments zu bilden. Während der Abstimmung war von der Leyen nicht im Parlament, sondern nahm am Global Gateway Forum der EU-Kommission in Brüssel teil.
Misstrauensanträge gegen die Kommission sind eigentlich äußerst selten. Zum Rücktritt einer EU-Kommission führte lediglich ein drohender erfolgreicher Misstrauensantrag im Jahr 1999. Damals stellte eine von dem Luxemburger Jacques Santer geführte Kommission ihre Posten vorsorglich zur Verfügung, nachdem ein Bericht über Betrug, Missmanagement und Vetternwirtschaft vorgelegt worden war.
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