Es war kurz vor 17 Uhr Ortszeit in Washington, Donald Trump befand sich gerade in einer Diskussion über die von der Antifa ausgehende Gefahr für die USA, als sich Außenminister und Sicherheitsberater Marco Rubio herunterbeugte und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Er habe gerade erfahren, „dass wir sehr nah an einem Deal im Nahen Osten sind“, verriet Trump dem Publikum.
Die Kameras fingen ein, was auf der handschriftlichen Notiz stand, die Rubio ihm gab: „Du musst einen Truth Social Post freigeben, damit du den Deal zuerst bekannt geben kannst.“ Knapp zwei Stunden später veröffentlichte Trump auf seinem Kanal die Botschaft, auf die die Angehörigen der von der Hamas am 7. Oktober 2023 verschleppten Geiseln seit zwei Jahren warten: „Hamas und Israel haben sich geeinigt.“
Was wurde vereinbart?
Laut Trump haben sich die Terrororganisation Hamas und Israel unter der Vermittlung Katars, Ägyptens und der Türkei in indirekten Verhandlungen auf die „erste Phase“ von Donald Trumps Friedensplan geeinigt. Dieser sieht vor, dass die Hamas alle Geiseln, lebend oder tot, freilässt. Von den 48 Geiseln sollen 20 noch am Leben sein. Im Gegenzug zieht sich die israelische Armee an eine „vereinbarte Linie“ zurück, so Trump. Zusätzlich lässt Israel 250 zu lebenslanger Haft verurteilte Terroristen sowie 1700 weitere palästinensische Häftlinge frei. Humanitäre Hilfe soll den Gaza-Streifen erreichen.
Die Hamas bestätigte die Einigung am Abend. „Wir fordern Präsident Trump, die Garantiemächte des Abkommens und alle arabischen, islamischen und internationalen Parteien auf, die Besatzungsregierung zur vollständigen Umsetzung der Bestimmungen des Abkommens zu zwingen und ihr nicht zu gestatten, sich der Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen zu entziehen oder diese zu verzögern“, teilten die Terroristen in einem Statement mit. Israels Premier Benjamin Netanjahu dankte Trump für seine Vermittlung und sprach von einem „großen Tag für Israel“. Mit „Gottes Hilfe bringen wir alle nach Hause“, sagte er mit Bezug auf die Geiseln.
Was passiert als Nächstes?
Bereits heute soll der Deal formell in Ägypten unterzeichnet werden. Das meldete die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Verhandlungskreise. Netanjahu kündigte an, für diesen Donnerstag sein Kriegskabinett einzuberufen, um sich die Zustimmung für das Abkommen einzuholen.
Trump bestätigte gegenüber dem Portal „Axios“, am Sonntag nach Israel reisen zu wollen. „Sie wollen, dass ich vor der Knesset spreche“, sagte er im Interview. Er werde das tun, wenn das der Wunsch sei.
Was steht noch nicht fest?
Bislang unklar ist der genaue zeitliche Ablauf der Geiselfreilassung. Wie das Portal „Axios“ berichtet, ist von Anfang nächster Woche die Rede. Trump sprach am Abend in einem Interview mit Fox News von Montag. Eine Bestätigung seitens der Hamas gibt es dazu noch nicht.
Ursprünglich war in Trumps Friedensplan von einer 72-Stunden-Frist die Rede. Sollte der Deal heute unterzeichnet werden, würde diese am Sonntag ablaufen. Ebenfalls offen ist, ob alle Geiseln auf einmal freikommen, oder in Etappen. Gegen letzteres hatten sich Trump, aber auch Israel stets gestellt.
Was ist mit Phase 2?
Trumps 20-Punkte-Plan sieht für die zweite Phase die Bildung eines „Friedensrates“ vor, dem der Präsident selbst vorsitzen und dem auch der ehemalige britische Premierminister Tony Blair angehören soll. Vorgesehen ist außerdem eine internationale Schutztruppe aus Kontingenten muslimischer Staaten der Region, aber auch aus anderen Teilen der Welt. Offenbar könnten dazu auch Indonesien und Pakistan Kräfte entsenden.
Schließlich soll Gaza unter US-Regie wieder aufgebaut werden – und ganz am Schluss des Trump-Plans heißt es, wenn all dies erledigt sei, „könnten endlich die Bedingungen erfüllt sein für einen glaubwürdigen Weg zu palästinensischer Selbstbestimmung und Staatlichkeit“.
Zentral ist auch die Entwaffnung der Hamas und die Forderung, dass sie künftig keine Rolle mehr in Gaza spielen soll. Im Gegenzug soll sie Amnestie erhalten. Über all das wird noch verhandelt werden müssen. „Ich denke, Sie sehen das alles verschwinden“, sagte Trump am Mittwochabend im Fox-Interview und schob hinterher: „Es wird eine andere Welt sein.“
Wie hat Trump das geschafft?
Als Israel vor exakt vier Wochen hochrangige Hamas-Funktionäre in Katar per Luftschlag ausschalten wollte, sah man in Washington eine Gelegenheit, nochmals einen Versuch zu unternehmen, die festgefahrenen Gespräche ins Laufen zu bringen. Der Angriff hatte im Weißen Haus große Verärgerung ausgelöst, da man einerseits nicht vorab von Israel informiert worden war und er andererseits auf dem souveränen Territorium eines engen Verbündeten der USA stattgefunden hatte. Nicht nur die USA waren verärgert, auch sämtliche arabische Partner.
Trump entschloss sich, dieses Momentum zu nutzen und entwarf einen 20-Punkte-Plan, der – anders als sein bisheriger Friedensplan – nicht mehr nur israelische Wünsche erfüllte. Am Rande der UN-Generalversammlung warb der US-Präsident bei den arabischen Ländern für das Vorhaben.
Da der Plan bisherige rote Linien der israelischen Regierung überschritt, war Netanjahu nicht sonderlich angetan. „Nimm es oder lass es bleiben“, soll der US-Präsident ihm in einem „strengen und klaren“ Telefonat gesagt haben. In letztem Fall würden die USA Israel jedoch die Unterstützung entziehen, so die überlieferte Drohung, die damit dem Bericht zufolge einherging. Anfang vergangener Woche akzeptierte Netanjahu den Plan.
Zwar hatte Trump kein direktes Druckmittel, auch die Hamas zum Einlenken zu bringen. Doch er hatte die arabischen Länder auf seiner Seite, darunter Katar, das stets gute Beziehungen zu den Terroristen unterhält. Das erwies sich als wichtiger Faktor, um die Hamas zur Zustimmung zu bewegen.
Gregor Schwung berichtet seit 2025 als außenpolitischer Korrespondent über transatlantische Beziehungen, internationale Entwicklungen und geopolitische Umbrüche mit einem besonderen Schwerpunkt auf die Ukraine und die USA.
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