Jeden Tag sterben Kinder in Gaza. Ein neuer Friedensplan könnte diese Todesspirale sofort stoppen. Doch jene, die seit Monaten überall einen Waffenstillstand verlangen, lehnen ihn plötzlich ab. Warum Frieden besser ist als Perfektion und wir jetzt handeln müssen, statt Ideologie über Menschenleben zu setzen.

Die Sonnenallee in Berlin gehört zu den bekanntesten Straßen des Landes. Filmfreunde assoziieren die knapp fünf Kilometer lange Straße, die sich vom berühmten Hermannplatz quer durch Neukölln bis nach Treptow-Köpenick zieht, vornehmlich mit dem 1999 in die Lichtspielhäuser gekommenen, gleichnamigen Film von Leander Haußmann. In jüngster Vergangenheit sorgte die Sonnenallee erneut für Furore.

Als die Terror-Organisation Hamas am 7. Oktober 2023 Israel überfiel und mit beispielloser Grausamkeit etwa 1.200 Menschen tötete, zahlreiche Frauen vergewaltigte und knapp 250 Geiseln nahm, wurde die Sonnenallee zum Schauplatz einer Baklava verteilenden Terror-Cheerleader-Bewegung, die man in dieser Ausprägung in Deutschland nicht vermutet hatte. Teilweise verbotene Slogans wie "From the River to the Sea", Aufrufe zur globalen Intifada, der Wunsch nach Auslöschung Israels und Angriffe auf Journalisten führen seither auf Anti-Israel-Demonstrationen regelmäßig zu Dutzenden von Festnahmen.

Das in Berlin recht ausgeprägte Delta zwischen politischer Theorie und Praxis fördert diese Eskalation. Politiker beteuern gerne wortreich, "dort mit voller Härte des Gesetzes" durchzugreifen, lassen aber zu selten Taten folgen. Durch diese Nachlässigkeit blühen nicht nur Antisemitismus, sondern auch antimuslimischer Rassismus auf. Denn man spielt den empörungsaffinen Lautsprechern der rechten Social Media Bubble und ihrer absurden Agenda in die Karten mit dem durch Unterlassen beförderten Eindruck, alle muslimischen Migranten seien tendenziell antisemitische Islamisten und damit Staatsfeinde.

Frieden jetzt - Perfektion später!

Ein Kernproblem des Nahostkonfliktes und seiner Diskurs-Rezeption ist seither: Die eine Seite beschwert sich fortlaufend, jegliche Israelkritik werde sofort als Antisemitismus gecancelt. Die andere klagt, man gelte umgehend als Genozid-Befürworter, sobald man daran erinnere, wer den Krieg in Gaza begann. Schubladendenken macht dich entweder zum rassistischen Zionisten oder zum Hamas liebenden Terrorfan. Stimmen der Versöhnung sind kaum zu vernehmen. Willy Brandt setzte in den 70er Jahren auf "Wandel durch Annäherung" und der Eiserne Vorhang begann zu bröckeln. Wäre es nicht einen Versuch wert, trotz verhärteter Argumentationsfronten auch heute den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden? Jedes Leben, insbesondere das von Kindern, welches durch den Krieg in Gaza geraubt wird, ist tragisch, unverzeihlich und eine Schande für unsere angeblich so pazifistische, moderne Welt.

Natürlich ist die Frage, ob in Gaza ein Genozid und/oder eine Hungersnot stattfinden, sehr wichtig. Heute jedoch liegt ein Friedensangebot auf dem Tisch, das für Gaza, Israel, Muslime und Juden das Ende von Krieg und Terror bringen könnte. Wäre es nicht klug, zu sagen: Wir beenden jetzt sofort das Leid - und lassen Völkerrechtsfragen anschließend von Experten klären, ohne dass nebenbei täglich Menschen sterben? Perfekt ist der Plan mit Sicherheit nicht. Aber wenn die leidenden Menschen in Gaza nicht mehr täglich um das Leben ihrer Kinder bangen, ist er dann als historische Chance nicht zumindest besser als der Status Quo?

Statt sich dem überwältigenden Großteil der Welt anzuschließen, die den Friedensplan unterstützen, begeben sich selbsternannte Talkshow- und Social-Media-Vordenker mit ihrer Ideologie-Agenda aber lieber in den Interpretationskrieg. Sie ignorieren, dass der Friedensplan bereits von Deutschland, Frankreich, Italien, Europa, USA, Kanada und vielen afrikanischen Ländern für gut befunden wurde. Dazu mit Katar, Saudi-Arabien, Jordanien, Russland und der Türkei auch von einer ganzen Reihe Staaten, denen man vieles unterstellen kann - ausufernde Sympathien für Israel jedoch nicht. Eine so breite Zustimmung aus Ländern mit unterschiedlichsten Religionen, Kulturen, Weltanschauungen und Zielen gab es für einen Friedensplan zuvor vielleicht noch nie. Dennoch bekommt man den Eindruck, es gäbe heute nur noch zwei Gruppen, die den Friedensplan ablehnen: Linke und Hamas.

Warum lehnen Linke Frieden ab?

Bleibt die Frage, warum Menschen, die sich für Pazifisten halten und seit Monaten ihre Kufiyas durch die Städte tragen, um vehement für ein "Ceasefire" zu werben, jetzt einen Friedensplan ablehnen. Warum sie von ihren sicheren Sofas in Berlin, New York, Madrid oder Toronto dem palästinensischen Volk plötzlich empfehlen, doch lieber in einem brutalen Krieg auszuharren.

Von grotesk-absurden Nonsens-Vergleichen wie "Der Plan ist, als würde man der Ukraine sagen, sie solle alle Waffen abgeben und Russland die Administration über ihr Land übertragen" mal abgesehen, sind einige dieser Argumente zunächst durchaus nachvollziehbar. Jedenfalls, wenn man sich nicht in einer bedingungslosen Pro-Israel-Haltung einbetoniert hat. Die Einwände lauten:

1. Die Palästinenser sollten entscheiden, was mit ihnen und ihrem Land passiert, nicht Amerika oder Israel.

2. Man kann Israel nicht trauen, die wollen ganz Gaza okkupieren.

Beide Einwände sind nachvollziehbar, halten einer genaueren Analyse aber nur bedingt stand. Der erste Punkt ist schnell abgeräumt. Er existiert nur in der Theorie. Gaza ist keine Demokratie, ein Volksentscheid mitten im Krieg ist ausgeschlossen. Plus: Formaljuristisch hat Palästina bereits zugestimmt - durch die Palästinensische Autonomiebehörde, der einzigen international anerkannten politischen Vertretung der Palästinenser.

Der zweite Punkt ist diffiziler, denn er basiert auf einer These. Doch Thesen sind ein dialektisches Konstrukt der Philosophie: Eine These wird aufgestellt, eine Gegenthese entwickelt. Entwirft man die kontroverse These, der einzige jüdische Staat der Welt werde den Friedensvertrag mit Sicherheit brechen, findet man sich schnell in einem Bereich wieder, den Theodor Adorno einst als die Definition von Antisemitismus beschrieb: das Gerücht über Juden. Mit der Behauptung, der "böse Jude" halte sich später nicht an Absprachen, kippt die These in antisemitische Muster.

Das Misstrauen gegenüber Israel, insbesondere unter Ministerpräsident Netanjahu, ist zwar verständlich, denn Siedlungspolitik und rechtsextreme Stimmen in seiner Regierung nähren berechtigte Zweifel an langfristigen Friedensabsichten. Dennoch gilt: Wenn Israel den Plan bräche, stünde es gegen den erklärten Willen der gesamten internationalen Gemeinschaft - inklusive seines mächtigsten und wichtigsten Verbündeten, der USA. Eine erneute Besetzung Gazas wäre völkerrechtlich nicht gedeckt und politisch kaum durchsetzbar. Nicht mal im eigenen Land.

Frieden ist immer einen Versuch wert

Womit wir wieder am Ausgangspunkt wären - der kleinste gemeinsame Nenner. Die eigentliche Frage lautet doch: Ist ein sofortiges Ende des Krieges nicht wertvoller als jede Spekulation? In jeder Stunde, die vergeht, sterben Kinder und Familien verlieren ihre Heimat. Den Friedensplan abzulehnen, heißt, diesem Leid weiter zusehen zu wollen. Frieden ist nie perfekt. Aber er ist immer besser als Krieg. Das ist doch genau das, was die Ceasefire-Bubble seit Monaten predigt.

Spekulation rettet keine Menschenleben. Die gesamte Welt steht hinter dem Friedensplan, die gesamte Welt ist dafür verantwortlich, dass er funktioniert. Verstößt Israel dagegen, haben sie dafür keine Legitimation mehr. Sich gegen Hamas zu verteidigen, war völkerrechtlich gedeckt. Der militärische Verbleib in Gaza nach diesem Friedensvertrag wäre es nicht. Israel würde sich dann nicht mehr gegen Hamas stellen, sondern gegen alle, inklusive seinem mächtigsten und wichtigsten Verbündeten, den USA.

Dass eine israelische Regierung diesen kapitalen Fehler begeht und gegen den Willen der Welt und Großteile der eigenen Bevölkerung die amerikanisch-israelische Freundschaft für einen Landstrich riskiert, der halb so groß ist wie Hamburg, halte ich für ausgeschlossen. Aber das ist auch nur eine Meinung, getrieben vom Wunsch, Palästinenser und Israelis könnten endlich in Frieden koexistieren. Und wer sich das nicht wünscht, sollte seinen moralischen Kompass grundlegend neu justieren lassen. Egal, auf welcher Seite er steht.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke