Großbritannien, Kanada und Australien haben Palästina als Staat anerkannt, Frankreich wird - vermutlich schon heute - folgen. Damit werde die Hamas belohnt, sagt Israel. Stimmt das wirklich? Was wollen die Länder erreichen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Welches Ziel verfolgen die drei Staaten mit ihrer Anerkennung?

Viele westliche Regierungen hatten sich nach dem Gewalt-Exzess der Hamas am 7. Oktober 2023 mit dem angegriffenen Israel solidarisiert und betont, dass Israel das Recht habe, sich gegen die Terroristen der Hamas zu verteidigen. Seit vielen Monaten allerdings fordert die israelische Offensive einen sehr hohen Preis an zivilen Opfern - durch die Militäroffensive, aber auch durch die zeitweise komplette Blockade von Nahrungsmittel-Hilfen für die Not leidende Bevölkerung im Gazastreifen.

Viele Staaten sind nun in Sorge, dass der Gazakrieg absehbar nicht enden und auch seine Ziele nicht erreichen wird. Die kritische Position hochrangiger israelischer Militärs bestätigt diese Sorge. Dazu befürchten die westlichen Regierungen, dass Israel sich nicht auf eine politische Lösung für den Gazastreifen einlassen möchte, die auch den dort lebenden Palästinensern eine Perspektive geben würde. Dafür gibt es gute Gründe.

Teile der amtierenden Regierung in Israel sind extremistisch und nationalistisch, so sprechen sich der Finanzminister Bezalel Smotrich und Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir schon seit Monaten immer wieder für eine "Umsiedlung der Bewohner des Gazastreifens" aus.

Verteidigungsminister Israel Katz lässt im südlichen Gazastreifen eine abgetrennte und bewachte Zone einrichten, in die Palästinenser vor den israelischen Angriffen fliehen können. Allerdings gibt es aus dieser Zone kein Zurück mehr. Man kann sie nicht Richtung Gaza wieder verlassen, sondern nur auf dem Weg der Ausreise aus dem Gazastreifen. Von vielen Beobachtern wird diese Politik als Vorstufe einer Vertreibung der Palästinenser gewertet. Zugleich gehen die illegalen Besetzungen israelischer Siedler im Westjordanland massiv voran.

Solchem Gebaren möchten sich westliche Staaten, die Palästina nun anerkennen, entgegenstellen. Das taten schon im vergangenen Jahr Spanien, Irland und Norwegen. Ziel der Anerkennung ist den Regierungen zufolge, die Lage in der Region zu stabilisieren und die Zweistaatenlösung am Leben zu erhalten.

Für Israels Regierung ist die Zweistaatenlösung keine Option. Sie wird als existenzielle Gefahr betrachtet. Doch 151 der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen haben Palästina bereits anerkannt. Sie sehen eine Chance für Frieden nur dann, wenn auch die Palästinenser eine politische Perspektive haben, eine Aussicht auf ihren eigenen Staat. Das soll die Anerkennung Palästinas sicherstellen. Sie beinhaltet ein sicheres Israel, aber eben auch ein sicheres Palästina - ohne die Hamas. 142 Staaten sprechen sich für eine Entmachtung der Terrorgruppe aus, federführend Saudi-Arabien. Die Hamas wäre also kein Machtfaktor mehr in einem anerkannten palästinensischen Staat.

Um welches Gebiet geht es dabei?

Die Anerkennung bezieht sich auf klar abgesteckte Gebiete, nämlich das Westjordanland, den Gazastreifen und Ostjerusalem. Diese Gebiete und noch etwas mehr wurden den Palästinensern 1947 in einem Teilungsplan von den Vereinten Nationen zuerkannt. Dort sollten sie ihren Staat gründen, so wie die Juden 1948 den Staat Israel gründeten.

Die arabische Seite akzeptierte diesen Plan jedoch nicht, fünf arabische Staaten griffen Israel direkt nach seiner Staatsgründung an. Israel wehrte sich erfolgreich und eroberte Teile des für den Palästinenserstaat vorgesehenen Gebietes. In einem weiteren Krieg, dem Sechs-Tage-Krieg 1967, besetzte Israel dann das gesamte Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem. Es blieb kein Land mehr übrig, in dem die Palästinenser eine staatliche Hoheit hätten ausüben können.

Exakt auf dieses israelisch besetzte Gebiet - Westjordanland, Gazastreifen, Ost-Jerusalem - bezog sich die Staatsgründung der Palästinenser 1988. Und auf exakt dieses Gebiet bezieht es sich auch, wenn jetzt Großbritannien, Australien, Kanada und in Kürze wohl Frankreich den Staat Palästina anerkennen. Sie unterstützen damit nicht die häufig vorgebrachte Forderung "From the river to the sea", die einen palästinensischen Staat vom Jordan bis zum Mittelmeer errichten und Israel von der Landkarte tilgen will. Es geht um einen Staat in den von den Vereinten Nationen zugedachten Gebieten.

Ist die Anerkennung durch westliche Staaten ein Erfolg für die Hamas?

Das behauptet die israelische Seite, wenn etwa ihr UN-Botschafter Danny Danon erklärt, dieser "Zirkus", also die Anerkennung Palästinas, belohne den Terrorismus. Und auch die Terroristen selbst wollen die Welt glauben machen, dass sie diesen Schritt begrüßen. Schon als Spanien, Norwegen und Irland Palästina 2024 anerkannten, erklärten die Terroristen diesen Prozess zu einem "direkten Ergebnis" der "legendären Standhaftigkeit des palästinensischen Volkes" und forderten weitere Länder dazu auf, "unsere legitimen nationalen Rechte anzuerkennen".

Doch solche öffentlichen Aussagen der Hamas-Führung waren damals und sind heute nichts als Augenwischerei. Von Anfang an wollte die islamistische Terrorgruppe ihre Gewalt gegen Juden, ihr monströses Massaker vom 7. Oktober 2023, als Teil des palästinensischen Freiheitskampfs ausgeben. Folgerichtig müssen die Terroristen so tun, als seien diplomatische Schritte wie dieser in ihrem Sinne.

Die Wirklichkeit sieht anders aus: Die Hamas will den Staat Israel auslöschen und jeden Juden, dessen sie habhaft werden kann, umbringen. Das steht in ihren Statuten, und das nennt das Völkerrecht einen Genozid. Mit dem Massaker vom 7. Oktober haben die Terroristen demonstriert, dass sie zum Völkermord an Israel auch bereit wären.

Eine friedliche Koexistenz zweier Staaten - eines jüdischen und eines palästinensischen - wäre in den Augen der Hamas eine Katastrophe. Sie würde jede Chance darauf, Israel zu vernichten, unmöglich machen.

Zudem wäre klar, dass die Hamas als Voraussetzung für eine Zweistaaten-Lösung zerstört werden müsste. Terroristen können keine Partner für eine Friedenslösung sein. Mit der Hamas als Machtfaktor in Gaza wäre eine Zwei-Staaten-Lösung nicht denkbar. So sehen es fast alle UN-Staaten, die Palästina anerkannt haben. Wenn die internationale Gemeinschaft diese Forderung ernst meint, wäre jeder Schritt, der die israelische und die palästinensische Seite einer solchen Friedenslösung näherbringen könnte, für die Hamas und ihre Zielsetzung existenziell bedrohlich. Israel hingegen befürchtet, man ließe die Hamas bestehen und sie könnte sich in einem unabhängigen Palästinenserstaat zu einer neuen, für Israel lebensbedrohlichen Kraft entwickeln.

Was genau bedeutet eine Anerkennung Palästinas als Staat?

Was man als Bürgerin oder Bürger Deutschlands wohl für selbstverständlich erachtet, trifft auf palästinensische Menschen nicht zu: Sie sind im Sinne der Vereinten Nationen (UN) keine Bürger eines Staates Palästina. Zwar hat der palästinensische Nationalrat 1988 den eigenen Staat ausgerufen, aber was nützt es, wenn viele mächtige Regierungen innerhalb der UN diese Staatlichkeit nicht anerkennen? Dazu zählen die USA, Deutschland und weitere Länder Europas.

Inzwischen wird Palästina bereits von 151 Mitgliedstaaten der UN als Staat anerkannt. Bei 193 UN-Mitgliedern insgesamt ist die Quote also recht hoch. Die erste Anerkennungswelle rollte schon nach der Staatsgründung 1988. Zwei Jahre danach hatten 100 Nationen der Welt Palästina offiziell anerkannt, darunter waren vor allem kommunistische Staaten und viele Länder Afrikas.

In einer zweiten Welle kamen um 2012 herum noch einmal viele Länder dazu, vornehmlich aus Südamerika, und als europäisches Land Schweden. Diese zweite Welle kam dadurch zustande, dass der Palästinenserchef Mahmud Abbas damals seine Strategie im Kampf um einen eigenen Staat änderte: Statt der gewaltsamen Auseinandersetzung mit Israel setzte er nun auf internationale Diplomatie. Das Kalkül: Je mehr Regierungen uns als Staat anerkennen, desto stärker wird der Druck auf Israel, das auch zu tun.

Die Strategie ging teilweise auf, weil die internationale Anerkennung für den Staat Palästina noch breiter wurde. Es fehlten aber weiterhin wichtige Länder Europas und die USA, die den größten Einfluss auf die israelische Regierung haben. Das Ziel, Israel zum Anerkennen des Staates Palästina zu bewegen und einen erneuten Einigungsprozess in Gang zu bringen, wurde bislang nicht erreicht.

Warum erkennt Deutschland den Staat Palästina nicht an?

"Mit Blick auf die Beziehung zu Israel hat Deutschland traditionell sehr wenig Spielraum, und das hängt natürlich vor allem mit der deutsch-jüdischen Vergangenheit zusammen", sagt Nahost-Experte Stetter. Die deutsche Orientierung an den USA, von denen bislang ebenfalls keine Anerkennung des Palästinenserstaates erfolgt, lässt sich auch in anderen Konflikten beobachten.

Doch auch Deutschland strebt erklärtermaßen eine friedliche Koexistenz des jüdischen und des palästinensischen Volkes an. "So fern sie auch gerade in diesen Stunden ist, eine verhandelte Zweistaatenlösung ist der Weg, der Israelis wie Palästinensern ein Leben in Frieden, Sicherheit und Würde ermöglichen kann", so formulierte es Außenminister Johann Wadephul vor seiner Abreise nach New York. "Ein solcher Prozess muss jetzt beginnen."

Die Zwei-Staaten-Lösung ist also auch aus deutscher Sicht der Weg zum Frieden, doch die Anerkennung eines palästinensischen Staats steht für Deutschland am Ende eines solchen Friedensprozesses, nicht am Anfang.

Für Stetter ist das Argument, bevor die staatliche Anerkennung erfolge, müssten sich die Konfliktparteien einigen, grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen. "In vielen Konflikten weltweit ist das die übliche Formel", sagt der Politologe, ergänzt aber auch, dass "es durchaus auch Argumente dafür gibt, dass eine Anerkennung Palästinas einen Friedensprozess zwar nicht ersetzt, aber eine Voraussetzung sein könnte, dass ein solcher überhaupt einmal wieder möglich wird".

Mit den ersten einflussreichen und wirtschaftsstarken westlichen Staaten, die Palästina nun anerkennen, soll der Druck auf Israel stärker werden - mit Blick auf Gaza und mit Blick auf den illegalen Siedlungsbau von Israelis im Westjordanland. Die Unterzeichner der Anerkennung treibt die Sorge um, dass es irgendwann keine palästinensischen Gebiete mehr geben könnte, die man noch als Staat anerkennen kann. Weil Israel in der Zwischenzeit am Boden Fakten schafft.

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