Russland hat die Ukraine lange als Geldwaschmaschine für kriminelles und geheimdienstliches Kapital genutzt. Mit der Annäherung des Landes an die Europäische Union wurde dieses Vorgehen schwieriger. Auch das ist ein Grund für den Überfall.

Der Kriegsherr im Kreml und seine Bauchredner betrachten die Ukraine mit all ihren Reichtümern als ihren Besitz. "Das ist unser Land", brüllt man in den Propaganda-Shows im russischen Staatsfernsehen. Die Ukraine soll nicht nur "zu" Russland gehören, etwa in einer Konföderation oder einem Staatenbund. Sondern "sie gehört uns". Ein tödlicher Unterschied für Ukrainer.

Die Besitzansprüche von Putin-Russland beziehen sich nicht nur auf das Land und die Menschen, sondern auch auf Immobilien, Rohstoffe, Bergbauunternehmen, Hotels, Fabriken, Ackerflächen und sogar Flüsse, die unter anderem die okkupierte Halbinsel Krim mit Wasser versorgen sollen. Mindestens 40.000 ukrainische Unternehmen gehörten am 24. Februar 2022 ganz oder teilweise Eigentümern aus der Russischen Föderation.

Diese Unternehmen kamen aus allen möglichen Wirtschaftszweigen: Autohandel, Geflügelzucht, Sportclubs, Beton-Produzenten, Lokomotiven-Hersteller, Kosmetikfirmen, Pharmafirmen, Brennstofffirmen. Auch Eigentümer von Immobilien, Grundstücken und Banken waren darunter, Unternehmen aus dem Transportwesen, Beratungsleistungen aus den Bereichen Geologie und Geodäsie, Gastronomie sowie landwirtschaftliche Betriebe. Das größte russische Unternehmen in der Ukraine dürfte die Sberbank gewesen sein. Sie hatte damals mehr als eine halbe Million Privatkunden, das regionale Netzwerk der Bank umfasste 93 Filialen. Eigentümer: das russische Finanzkonglomerat PJSC Sberbank of Russia, die größte Bank Russlands.

Gesetz soll wirtschaftliche Verflechtung beenden

Im März 2022, gleich nach Beginn der vollumfänglichen Invasion, beschlossen die Regierung und das Parlament der Ukraine ein Gesetz über die Zwangsenteignung von Eigentum der Russischen Föderation und ihrer Einwohner in der Ukraine. Damit sollte die Nutzung wirtschaftlicher Ressourcen zum Nachteil der Ukraine und zugunsten des Aggressors verhindert werden.

Das Gesetz gilt auch, wenn russische Staatsbürger nur teilweise Begünstigte sind, also mit Ukrainern zusammen über Besitz verfügen und die Russische Föderation nur indirekt beteiligt ist. Bürger der Russischen Föderation, die die bewaffnete Aggression gegen die Ukraine nicht unterstützen und die auf Seiten der Ukraine am bewaffneten Konflikt beteiligt sind oder waren, sind vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgeschlossen.

Juristische Bestimmungen sind schnell formuliert, ihre praktische Umsetzung jedoch zieht sich oft jahrelang hin. So wurden vor zwei Jahren in der zentralukrainischen Staat Poltawa die zahlreichen Immobilien einer russisch-ukrainischen Generalfamilie zwar nach dem Beschluss eines Kiewer Bezirksgerichts beschlagnahmt. Aber ein neuer privater Verwalter konnte erst in diesem Sommer für einige der Häuser und Hotels gefunden werden.

Der "Pate" von Poltawa

Den Informationen der ukrainischen Ermittlungsbehörden zufolge kaufte der russische General Waleri Kapashyn in den letzten Jahrzehnten "mit Geldern zweifelhafter Herkunft" massenhaft Immobilien in Poltawa auf. Er registrierte sie auf den Namen seiner Tochter, seines Schwiegersohns und anderer ihm nahestehender Personen. Der Bruder seines Schwiegersohns bekleidete lange Zeit Ämter im Stadtrat als Leiter der Transportabteilung und sogar als Leiter der Abteilung für Bürgerbeschwerden.

Die Liste der gesperrten Vermögenswerte umfasst mehr als 20 Gewerbeobjekte, mehr als 3000 Quadratmeter Wohnimmobilien und 17 Grundstücke in der Region Poltawa. Darunter sind einige der teuersten der Stadt, etwa der Hotel- und Restaurantkomplex "Lileya" in der Nähe des "weißen Pavillons", eines der Wahrzeichen von Poltawa. Regelmäßig hat dieses Unternehmen Ausschreibungen für die Bewirtung ausländischer Delegationen gewonnen. Prominente Ausländer, die vom Bürgermeister oder dem Stadtrat empfangen wurden, aßen ausschließlich in diesem Restaurant.

"Kapashyn unterstützte alle Führer von Poltawa finanziell", berichtete kürzlich Viktor Yagun, ein ehemaliger Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der Ukraine, der als Aktivist seit langem gegen die schleichende Unterwanderung der Stadt durch die Generalfamilie ankämpft. Die auch mit dem Geld des Generals gewählten Bürgermeister zeigten ihre Dankbarkeit mit der Übertragung städtischen Eigentums an Kapashyn, seine Familie und der Familie nahestehende Geschäftsleute. Der "Pate von Poltawa" war ein Mäzen, dessen Namen ohne seine Zustimmung nicht genannt werden durfte.

Ein General und Giftmischer in der Armee Russlands

Kapashyn wurde 2016 von Putin mit dem Orden "Für Verdienste um das Vaterland" ausgezeichnet. Russischen Oppositionsmedien zufolge ist er einer der Entwickler des Nervengifts Nowitschok. Er hat über einhundert Schriften zu chemischen Waffen verfasst. In Russland leitete er zwanzig Jahre lang die "Bundesverwaltung für die sichere Lagerung und Vernichtung chemischer Waffen". Offiziellen Angaben zufolge wurden im September 2017 sämtliche Chemiewaffen in Russland vernichtet. Doch die für ihre Lagerung zuständige Abteilung existiert noch und erhält Milliarden aus dem Haushalt, so Viktor Yagun.

Die Einpeitscher des Kriegs in Moskau behaupten natürlich nicht, dass sie Poltawa okkupieren wollen, um das Eigentum eines ihrer Generäle zu sichern. Nein, sie erfinden Bio-Labore, in denen angeblich Biowaffen hergestellt werden, die angeblich eine Gefahr für Russland darstellen. Sie nennen verletzte Sicherheitsinteressen als Grund für die "militärische Spezialoperation", nicht schnöden Mammon, nicht schnöde Gier.

Geldwaschmaschine für kriminelles und geheimdienstliches Kapital aus Russland

Der Fall aus Poltawa zeigt beispielhaft die Kapitalverflechtungen zwischen Russland und der Ukraine, die Verquickungen ökonomischer mit militärischen Interessen. Für die meisten Ukrainer ist es kein Geheimnis, dass Vertreter der "Elite" Russlands strategisch wichtige Objekte und Unternehmen in ihrem Land aufgekauft haben, oft mit Hilfe ukrainischer Verwandter oder von Behördenleitern, wie den Bürgermeistern von Poltawa.

Diese Geschäftspraktiken bewährten sich schon in den wilden 1990er Jahren, während der Transformation von sowjetischem Volkseigentum zu privatem Besitz und Kapital. Wichtige Bereiche der sowjetischen Rüstungsindustrie befanden sich in der Ukrainischen Sowjetrepublik, insbesondere der Motorenbau und die Produktion von Raketen- und Raumfahrttechnik. Die Kooperationsbeziehungen wurden von den Rüstungsbetrieben der heutigen Kriegsgegner in privatwirtschaftlicher Form fortgesetzt, auch mit Geschäftsabschlüssen "unter der Hand", unter Missachtung geltender Gesetze.

Die Ukraine war damals eine ideale Geldwaschmaschine für kriminelles und geheimdienstliches Kapital aus Russland. Je enger aber die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit der Ukraine mit der Europäischen Union wurde, desto schlechter war es für diese Machenschaften und desto mehr fühlten sich russische Oligarchen bedroht, weil sie nun zunehmend rechtlich legitimierte Kontrollen befürchten mussten.

Der heimtückische Überfall auf die friedliche Ukraine hat den Prozess der Abkoppelung der ukrainischen Volkswirtschaft von russischem Kapital enorm beschleunigt. Die Suche nach "toxischen" unternehmerischen Verbindungen wird ständig erweitert. Doch selbst im Januar 2025 gewannen "Unternehmen mit russischer Vergangenheit" noch staatliche Ausschreibungen in der Ukraine. Bis zur vollständigen Entflechtung beider Volkswirtschaften und der drastischen Verringerung feindlicher ökonomischer Einflussmöglichkeiten gibt es noch einiges zu tun.

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