Für Bürgergeld-Empfänger zahlt der Staat zwar Beiträge in die Krankenkassen ein - doch diese Pauschale reicht laut Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen nicht aus. Die Differenz zahlen damit alle Beitragszahler mit, wogegen sich die Kassen juristisch wehren.
Der gesetzlichen Krankenkassen wollen den Bund vor Gericht verklagen, um eine Entlastung bei den hohen Kosten für die Versicherung von Bürgergeld-Empfängern zu erstreiten. Für die Krankenversicherung bleibe "der Bund den gesetzlichen Krankenkassen Jahr für Jahr rund zehn Milliarden Euro schuldig", erklärte die GKV-Verwaltungsratsvorsitzende Susanne Wagenmann. Diese Unterfinanzierung sei rechtswidrig.
Für diese Kosten müssen nach aktueller Praxis die gesetzlichen Kassen aufkommen - und damit die rund 75 Millionen gesetzlich Versicherten und ihre Arbeitgeber. Der GKV-Verwaltungsrat habe deshalb bei seiner Sitzung beschlossen, Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland einzureichen, um den Bund für diese Kosten heranzuziehen. Der Beschluss im Verwaltungsrat fiel einstimmig und wird von 74 der 94 gesetzlichen Krankenkassen unterstützt, welche insgesamt rund 71 Millionen Versicherte repräsentieren.
"Wir erleben bei den Beiträgen für Bürgergeld-Beziehende, dass sich der Staat auf Kosten der GKV-Beitragszahlenden entlastet", kritisierte Wagenmann. Die Folge seien höhere Arbeitskosten für die Unternehmen und geringere Netto-Gehälter für die Beschäftigten. "Dieses Vorgehen der Bundesregierung schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland, denn so wird Arbeit immer teurer", kritisierte Wagenmann.
"Nun reicht es", ärgerte sich der Co-Verwaltungsratsvorsitzende Uwe Klemens. "Wir sehen uns jetzt gezwungen, den Rechtsweg zu beschreiten und zu klagen." Der Spitzenverband wolle damit erreichen, "dass unsere Versicherten und deren Arbeitgeber nicht länger mit einer Finanzierungsaufgabe des Staates belastet werden". Bislang sei es so, dass der Bund die Kassen bei den Versicherungskosten für die Bürgergeld-Beziehenden "auf rund zwei Dritteln der Kosten sitzen lässt".
Klemens warnte zudem vor deutlich steigenden Zusatzbeiträgen für das Jahr 2026. Er verwies darauf, dass die Krankenkassen im Dezember über die Höhe der Zusatzbeiträge für 2026 entscheiden müssten. Wenn die Finanzierungslücke nicht geschlossen werde, "werden wir deutlich (...) die Zusatzbeiträge erhöhen müssen",
Bund zahlte Bürgergeld-Pauschale von 108,48 Euro
Laut GKV zahlte der Bund im Jahr 2022 für Bürgergeld-Empfänger eine Beitragspauschale von monatlich 108,48 Euro. Um die Ausgaben der Kassen zu decken, hätte der Bund aber 311,45 Euro im Monat zahlen müssen. Durch derartige Diskrepanzen werde "die Solidargemeinschaft der GKV seit vielen Jahren in Milliardenhöhe belastet", kritisierte der Spitzenverband. Aktuell beträgt die Pauschale demnach 133,17 Euro im Monat.
In seiner Klage argumentiert der Verband, dass die Finanzierung des Versicherungsschutzes für Bürgergeld-Beziehende "in die alleinige Verantwortung des Bundes" falle. Die aktuelle Unterfinanzierung stelle einen "rechtswidrigen Eingriff in das Recht der Sozialversicherungsträger zu organisatorischer und finanzieller Selbstständigkeit" dar.
Klage am Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Der GKV-Spitzenverband verweist auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Sozialversicherungsbeiträge nicht zur Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben verwendet werden dürften. Beklagt wird die Bundesrepublik Deutschland, die durch das Bundesamt für Soziale Sicherung vertreten wird. Erstinstanzlich zuständig für die Verfahren ist das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen.
Die Gesamtausgaben der gesetzlichen Kassen lagen im vergangenen Jahr bei mehr als 327 Milliarden Euro - mit deutlich steigender Tendenz. Die Opposition forderte die Koalition zu raschem Handeln auf. "Es ist traurig, dass diese Klage überhaupt notwendig ist", sagte BSW-Chefin Sahra Wagenknecht. "Die Gesundheitsministerin und der Finanzminister sollten schnellstmöglich die Zehn-Milliarden-Lücke schließen, um nicht nur den nächsten Anstieg der Krankenkassenbeiträge zu verhindern, sondern sie mal wieder zu senken."
Wagenmann: Verband will keine "Almosen"
GKV-Verwaltungsratsvorsitzende Wagenmann begründete den Zeitpunkt der Klage mit fehlenden politischen Zusagen. Während frühere Koalitionsverträge noch Absichtserklärungen zur Lösung des Problems enthalten hätten, fehle bei CDU, CSU und SPD jeder Hinweis darauf. "Die Bundesregierung scheint die Augen vor dieser sozialpolitischen Ungerechtigkeit zulasten der gesetzlich Versicherten und ihrer Arbeitgeber zu verschließen", sagte Wagenmann. Der Verband wolle keine "Almosen", sondern die ordnungspolitisch korrekte Finanzierung einer staatlichen Aufgabe. Sie bezeichnete die Erfolgsaussichten der Klage als "recht hoch".
Die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken hatte die volle Kostenübernahme für Bürgergeld-Bezieher im Bundeshaushalt zwar gefordert, konnte sich damit in den Haushaltsverhandlungen aber nicht durchsetzen. Warken will mit einer Expertenkommission Vorschläge zur Stabilisierung der Beitragssätze in der GKV erarbeiten.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke