19 russische Drohnen über Polen - das ist kein Versehen, sondern ein Mittelfinger aus dem Kreml. Die Nato muss deutlich reagieren und hat dazu beste Möglichkeiten.

Wladimir Putin ist in einem Punkt wirklich kooperativ: Er macht kein Geheimnis aus seinen Absichten. Klar, der russische Diktator zieht auch an vielen verdeckten Strippen, um die westlichen Demokratien zu entzweien und zu schwächen. Seien es versuchte Anschläge auf deutsche Frachtflugzeuge, auf einen Rüstungskonzernchef, auf Trinkwassersysteme auf Schiffen der Marine oder die IT in deutschen Behörden.

Man schreckt bei Enttarnung der hybriden Angriffe kurz auf und stellt dann erleichtert fest: Ach, naja. Der Leipziger Frachtflieger ist gar nicht abgestürzt. Das Öl im Trinkwasser hat man rechtzeitig entdeckt und Armin Papperger wurde nicht ermordet, sondern gibt weiter Interviews. Ich leg mich wieder hin.

Als ob aber auch Putin im Kreml denken würde, "Leute, so blind kann man doch gar nicht sein, Ihr müsst doch endlich verstehen, dass wir im Krieg sind", hat er in der gestrigen Nacht offen gewalttätig gegen einen Nato-Staat agiert. Nach allem, was bisher bekannt wurde, sind fast zwanzig russische Kampf-Drohnen in den polnischen Luftraum eingedrungen.

Polen bezeichnete das am Morgen als einen "Akt der Aggression", und genau das ist es auch. Zwar sind keine Opfer zu beklagen und auch schwere Schäden wurden bislang nicht gemeldet. Aber all das hätte es geben können. In den betroffenen Gebieten im Osten Polens wurden die Menschen dazu aufgerufen, zuhause zu bleiben. Polnische und niederländische Kampfjets stiegen auf und holten mehrere der Flugkörper vom Himmel. Nur darum ist "nichts" passiert.

Wer auf diesen offen vorgetragenen Angriff nicht reagiert, verliert in den Augen Putins jede Souveränität und Stärke. Wer auf Drohnen über Nato-Territorium nicht reagiert, ist eine Lusche in seinen Augen. Das aber ist brandgefährlich. Denn eine Lusche kann angegriffen werden, ohne viel Gegenwehr zu befürchten - mit Nadelstichen wie dem in der gestrigen Nacht. Mit "grünen Männchen" wie 2014 auf der Krim. Oder mit einem Dutzend Panzern, die bei Gelegenheit mal ins Baltikum übersetzen - wie in manchem Szenario von Experten beschrieben.

Die Gefahr ist groß, dass die Nato-Staaten eine kraftvolle Reaktion auf Russlands Nadelstich scheuen. Aus gutem Grund will niemand mit einem Dutzend Drohnen auf russisches Territorium antworten. Aber die Nato hat eine viel bessere Möglichkeit zurückzuschlagen - indem sie die Ukraine endlich so stark macht, dass sie Putins Schurkenarmee aus dem Land schmeißen kann.

Die Drohnen, die in den polnischen Luftraum einflogen, mussten zuvor ukrainisches Gebiet überqueren. In Zukunft sollte die Nato sich vor möglichen russischen Angriffen schützen, indem sie die feindlichen Flugkörper gar nicht erst in Richtung der Grenze kommen lässt. Das wäre eine kraftvolle und direkte Antwort auf die jüngste Kreml-Aggression und käme der Westukraine enorm zugute.

Damit die Ukraine die russischen Eindringlinge endlich und endgültig loswird, braucht es nicht nur mehr Panzer, Artillerie und Munition für kraftvolle Offensiven. Es braucht auch weit fliegende Raketen und Marschflugkörper, wie den deutschen Taurus, um Putins Raffinerien, die russischen Lebensadern, lahmzulegen. Schon jetzt wird das Benzin in Russland knapp. Hier zeigt sich eine offene Flanke, hier muss noch viel mehr passieren.

EU-Staaten füllen die Kriegskasse des Kreml

Um Russland in seine offenen Flanken zu treten, braucht es auch deutlich härtere Sanktionen als bislang gegen die dortige Energie-Industrie und vor allem: ein Ende der europäischen Energie-Importe. Die gehen nicht nur nach Ungarn oder Österreich. Auch Frankreich, Italien, Belgien, Spanien und die Niederlande füllen nach wie vor die Kriegskasse des Kreml mit ihrem Geld für russisches Gas. Das muss aufhören, und zwar schnell.

All diese Mechanismen in Gang zu setzen, auf militärischer und wirtschaftlicher Ebene, ist ein enormer Kraftakt und kostet viel Geld und Bereitschaft zur Einigkeit. Es nicht zu tun, wäre heute billig und bequem - Drohnenangriff verurteilen, ein bisschen verbales Säbelrasseln vom Nato-Generalsekretär, vielleicht sagt US-Präsident Trump auch noch was - und Ruhe im Karton.

Mit Blick auf die Zukunft Europas wäre das fatal. Denn wer verhindern will, dass der russische Imperator morgen ein paar Quadratkilometer Estlands besetzt - etwa, "um die dortige russische Minderheit zu schützen" - der muss heute zweifelsfrei klar machen, dass das keine gute Idee wäre.

Diese Klarheit braucht es gegenüber Putin, aber auch nach innen, für die europäischen Nato-Staaten selbst. Denn nur, wer auf starke Partner baut, traut sich auch selbst Gegenwehr gegen den Aggressor. Putin scheint eine lange Lunte zu haben, was Warnungen angeht. Wer ihm klar machen will, wo die rote Linie verläuft, muss sehr deutlich werden. Im Falle der Ukraine hat das vor drei Jahren nicht geklappt. Diesen Fehler darf die Nato nicht nochmal machen.

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