Die Qualität der deutschen Schulen sinkt weiter. Das bilanziert der neue Bildungsmonitor des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) für 2025, der WELT AM SONNTAG in Auszügen bekannt ist. „Die Lage an Deutschlands Schulen bleibt schlecht. Sie hat sich gegenüber 2024 weiter leicht verschlechtert“, sagt Axel Plünnecke, der dort das Cluster Bildung, Innovation, Migration leitet. Drei zentrale Indizes belegten dies: Bei Integration und Bildungschancen liegt der Wert für 2025 um 43,7 Punkte unter dem Vergleichsjahr 2013. Bei der Schulqualität sind es minus 28,2 Punkte, bei der von den Kindern mitgebrachten Bildungsarmut minus 26 Punkte.
Plünnecke sieht eine „Wasserscheide“ um das Jahr 2015. Davor seien die Schulen besser geworden, danach schlechter. In den vergangenen zehn Jahren seien viel mehr Kinder in die Schulen gekommen, als die Kultusminister 2010 dachten. Mehr Kinder seien an sich ein Gewinn für das Land, „aber 2015 hat das Schulsystem überfordert, man fand keine schnellen Antworten auf die Herausforderungen der gestiegenen Fluchtmigration“.
Es brauche gezielte Förderung. „Diese kommt bis heute zu spät.“ Plünnecke plädiert für verbindliche Sprachtests. „Heute haben die Kinder in 30 bis 40 Prozent unserer Schulen große Defizite.“ Viele Kinder erreichten etwa beim Lesen die Mindeststandards nicht.
Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) sagte WELT AM SONNTAG, im Koalitionsvertrag habe man angesichts der schlechter werdenden Deutschkenntnisse eine „flächendeckende, verpflichtende Sprach- und Entwicklungsdiagnostik für vierjährige Kinder“ vereinbart. Nur wer Förderbedarf früh erkenne, könne Kinder gezielt unterstützen. „Eltern spielen dabei eine Schlüsselrolle.“ Ziel sei es, Chancen zu eröffnen, nicht zu sanktionieren. „Aber wenn Kinder Hilfe brauchen und Unterstützung dauerhaft ausbleibt, müssen wir gemeinsam Lösungen finden“, sagte Prien. Die bildungspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Anne König, regt an, „im Zweifel auch über wirksame Sanktionen nachzudenken.“
Auch die SPD verlangt verbindliche Sprachtests. Sie könnten helfen, „individuelle Förderbedarfe frühzeitig festzustellen“, sagte die bildungspolitische Sprecherin Jasmina Hostert. Fördermaßnahmen müssten zudem verbindlich sein. Die Linke fordert mehr Aufwendungen für die frühkindliche Bildung. „Es braucht eine große Ausbildungsoffensive und mehr Investitionen in Bildung, statt Erzieherinnen noch mehr Aufgaben aufzubürden“, sagte Sprecherin Nicole Gohlke.
Die Grünen plädieren für bundesweite Standards. „Sprache ist der Schlüssel zur Welt“, sagt Anja Reinalter. Verbindliche Tests seien sinnvoll, Strafen für Eltern nicht: „Es geht darum, Eltern mitzunehmen, zu überzeugen und gemeinsam das Beste für ihre Kinder zu erreichen.“ Götz Frömming, Bildungspolitiker der AfD-Fraktion, sieht verbindliche Sprachtests zwiegespalten. Die eigentlichen Probleme lägen in Brennpunktschulen, wo daheim kein Deutsch gesprochen werde. „Für den Spracherwerb ist das familiäre Umfeld wichtig.“ Man brauche utopisch viel Geld und Personal, um das bewältigen zu können. „Nichts kann ein funktionierendes Elternhaus ersetzen.“
Auch Bildungsforscher und Verbände fordern ein entschlossenes Handeln. „Entscheidend für Bildungserfolg ist nicht erst die Schule, sondern die Zeit davor. Die Bildungskarriere eines Kindes wird im Kindergarten gemacht. Versäumte Förderung verursacht enorme Folgekosten. Prävention ist günstiger als lebenslange Reparatur“, sagte Havva Engin von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg dieser Redaktion.
Der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung, Gerhard Brand, zeichnet ein drastisches Bild. „Wir können die aktuellen Schülerzahlen mit originär ausgebildeten Lehrkräften schon gar nicht mehr abdecken. Heute tragen Kinder oft die elterlichen Probleme in die Schule. Und die Lehrkraft soll’s richten.“ Er fordert kleinere Klassen, bessere Ausbildung von Quereinsteigern und mehr gesellschaftliche Unterstützung. „Schule kann aber nicht alles richten. Eltern, Kommunen und Vereine müssen ihren Beitrag leisten. Es braucht ein gemeinsames Verständnis von Bildung als Lebenschance.“
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