Auf der Computerspiele-Messe Gamescom werben der Bundesnachrichtendienst und die Bundeswehr um Gamer. Diese sollen besonders technikaffin und stressresistent sein. Aus dem virtuellen Spiel werde brutale Realität, warnen Kritiker.

Deutsche Sicherheitsbehörden suchen nach jungem Personal und setzen dabei wie in den Vorjahren auf die Gaming-Welt. Bei der Gamescom in Köln präsentieren sich die Bundeswehr und der BND mit eigenen Messeständen, wo sie Werbegespräche mit Gamern führen.

"BND-Legenden: Operation Blackbox" heißt das Computerspiel des Nachrichtendienstes, in dem Gamer als Spion auf eine virtuelle Mission in einen sogenannten Schurkenstaat geschickt werden. Der Titel des Spiels ist eine Anspielung auf die Arbeit "unter Legende", also mit falschem Namen und erfundenem Lebenslauf. Außerdem sei es ein Hinweis, dass der BND seine Arbeit nicht im Detail öffentlichkeitswirksam zeigen könne, erklärt BND-Sprecherin Julia Linner: "Für viele war er bislang eine Blackbox, diese wollen wir ein bisschen mehr öffnen."

Der BND sucht junge Fachkräfte, sagt Linner. Die Gamescom ist für die Personalsuche aus Sicht des Nachrichtendienstes ein guter Ort: "Es gibt Gemeinsamkeiten zwischen den Leuten, die wir gern in unseren Reihen hätten, und den Besucherinnen und Besuchern der Gamescom: Beide sind technikaffin, sie schlüpfen gern in verschiedene Rollen, nehmen andere Identitäten an, begeben sich auf Missionen und decken Zusammenhänge auf."

100 Quadratmeter groß ist der BND-Stand, dafür reisen 40 Mitarbeiter in die Kölner Messehallen. Sie tragen blaue Poloshirts mit einem weißen BND-Schriftzug. Einen mittleren sechsstelligen Euro-Betrag kostet der Messeauftritt, inklusive der Kosten für das entwickelte BND-Videospiel, das Gamer in etwa 20 Minuten durchspielen.

Bundeswehr will sich als moderner Arbeitgeber präsentieren

Nur ein paar Schritte weiter wirbt auch die Bundeswehr um Nachwuchs: Die deutsche Armee lädt an verschiedenen Stationen der Gamescom zum Mitmachen ein. Die Besucher können am Computer virtuell mit einem Panzer fahren und an einem Simulator einen Hubschrauber fliegen. In einer Ecke des Standes geht es dann raus aus der virtuellen Welt: Besucher ziehen sich Schutzwesten an und machen Liegestütze. "Bereit für das nächste Level?", steht auf einem Werbeplakat.

Messestand-Leiter Marco Mann sieht den Stand als einen wichtigen Baustein in der Personalgewinnung. "Wir sind da, wo sich die Zielgruppe befindet." Ein Stück weit ersetze man das Küchentisch-Gespräch in vergangenen Wehrpflicht-Zeiten - als Wehrpflichtige ihren Freunden und ihrer Familie von ihren Erfahrungen bei der Bundeswehr berichteten und die Armee dadurch in der breiten Gesellschaft im Gespräch blieb. Viele junge Menschen hätten heute im Alltag keine Berührungspunkte mit der Bundeswehr.

Armee wirbt seit 2009 auf der Gamescom

Die Bundeswehr-Einheit der Elektronischen Kampfführung ist ebenfalls vor Ort, ein Soldat hat ein einfaches Spiel mit Hilfe einer Künstlichen Intelligenz entwickelt. 150 Quadratmeter groß ist der Gamescom-Stand - 50 Quadratmeter mehr als im Vorjahr. Eine Statistik, wie viele Neueinstellungen auf den Erstkontakt bei der Messe zurückzuführen sind, gibt es nicht.

Die Besucherinnen und Besucher am Stand wirken zunächst neugierig: Ein junges Pärchen sagt, sie wollten "nur mal gucken", ein junger Mann findet es hier "irgendwie cool" und ein Gamescom-Besucher mittleren Alters erinnert sich etwas nostalgisch an seine eigene Zeit als Wehrdienstleistender. Ein anderer Messe-Besucher trägt einen Jutebeutel mit der Werbeaufschrift des Egoshooter-Spiels "Call of Duty: Black Ops 7" - Interesse an der Bundeswehr habe er aber nicht.

Viele Spiele, die bei der Gamescom vorgestellt werden, sind Egoshooter. Dabei spritzt oft virtuelles Blut und es fallen Schüsse. Dass die Armee ausgerechnet bei der Computerspiele-Messe die Werbetrommel rührt, stößt auf Kritik. "Die Bundeswehr hat auf der Gamescom nichts zu suchen", sagt Jürgen Grässlin, Bundessprecher der "Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen".

"Gamer simulieren bei Killerspielen das Töten in wechselnden Rollen, beim Spielen werden sie für das Töten des Feindes mit Bonuspunkten belohnt", sagt der Pazifist Grässlin. "Im Falle einer Verpflichtung für die Bundeswehr könnte es passieren, dass aus dem virtuellen Spiel mit der Waffe brutale Realität auf dem Schlachtfeld wird." Er halte diesen Weg der Personalgewinnung für falsch. Auch die Anwesenheit des BND findet Grässlin bedenklich.

Gamer gelten als hartnäckig und lernfähig

Der Branchenverband Game stuft das Fachkräfte-Potenzial von Gamern als groß ein: "Die Gamerinnen und Gamer bringen ganz viele Kompetenzen mit, die man heute in der Berufswelt braucht: Sie sind digital, gut in der Kommunikation, können gut im Team arbeiten und sind stressresistent", erklärt Verbandsgeschäftsführer Felix Falk. "Selbst wenn sie 30 Mal in einem Level scheitern, bleiben sie dran und schaffen es beim 31. Mal."

Der Digitalverband Bitkom misst dem Gaming seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine "eine ganz neue Bedeutung" bei und weist darauf hin, dass talentierte Gamer für das ukrainische Militär rekrutiert werden, um Drohnen zu steuern. Auch bei der Bundeswehr seien Fähigkeiten von Gamern gefragt, etwa der Umgang mit Joystick und Controller, Reaktionsschnelligkeit und Multitasking, argumentiert der Verband. Diese Fähigkeiten könnten durch Videospiele geschult werden.

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