In Rheinland-Pfalz sind unangekündigte Tests an Schulen ab dem gerade angelaufenen Schuljahr 2025/26 grundsätzlich nicht mehr erlaubt. Lehrer müssten schriftliche und mündliche „Hausaufgabenüberprüfungen“ ab sofort vorher ankündigen, wie das Bildungsministerium in Mainz am Montag mitteilte. Damit ist gemeint, dass Lehrer schon bei der Verkündung von Hausaufgaben ankündigen müssen, wenn ihre Schüler dazu bald einen Test schreiben sollen.
Immer mehr Kinder und Jugendliche empfänden „Schule als Raum des Unwohlseins“, sagte Landesbildungsminister Sven Teuber (SPD). Dem wolle er „mit mehr Beziehungsarbeit, Freude am Lernen sowie zeitgemäßen Feedback- und Prüfungskulturen begegnen“.
Auf WELT-Anfrage dazu teilt ein Sprecher des Bildungsministeriums mit, dass „Schule dann Potenziale hebt und Leistungen ermöglicht, wenn sie eine Kultur lebt, die Sorgen nimmt und Freude am Lernen bietet. Durch die Ankündigung der Hausaufgabentests wird die Prüfkultur transparenter und gerechter.“
Zu den nun verbotenen Stegreifabfragen gehörten „alle Formen von Leistungsüberprüfungen, die einen Bezug zu einer Hausaufgabe haben“, sofern sie unangekündigt seien, erklärt der Sprecher. Dazu zählten auch einfache Vokabeltests. Sollten Lehrer das Verbot nicht einhalten, werde es „entsprechende Hinweise geben“.
Der Umgang mit spontanen Leistungsabfragen ist in Deutschland – entsprechend dem Bildungsföderalismus – unterschiedlich. In Bayern etwa sind sogenannte Exen üblich, unangekündigte Prüfungen mehrmals im Schuljahr. Im Juli lehnten CSU, Freie Wähler und AfD im bayerischen Bildungsausschuss eine Schülerpetition mit mehr als 60.000 Unterschriften ab, die die Abschaffung der Exen forderte. Auch in Thüringen sind solche Tests gängige Praxis.
„Bildungsvorstellungen des 20. Jahrhunderts überwinden“
In Rheinland-Pfalz, in dem eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP regiert, ist mit den Stegreifabfragen jetzt also Schluss. Die Grünen begrüßen das. „Es ist überfällig, Bildungsvorstellungen des 20. Jahrhunderts zu überwinden, die auf Druck, Auswendiglernen und Aussortieren setzen“, sagt Daniel Köbler, stellvertretender Vorsitzender der rheinland-pfälzischen Grünen und Mitglied im Bildungsausschuss des Landtags, WELT. Köbler fordert zusätzlich zur Abschaffung von Tests die gänzliche Abschaffung „des erzwungenen Sitzenbleibens“.
Für Stefan Thoma, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, steht zudem fest: „Es wurde keine Leistungsüberprüfung abgeschafft, sondern diese weiterhin existente Form der Hausaufgabenüberprüfung wird nun einfach zuvor angekündigt.“ Stresssituationen seien für Schüler nicht grundsätzlich schlecht, aber zur Wissensabfrage brauche es keine unangekündigten Prüfungen, sagt Thoma WELT: „Als Lehrer kann ich in jeder Stunde fernab von schriftlichen Tests und mündlichen Abfragen meine Schüler zu Lerninhalten wiederholend befragen.“
Helge Schwab (Freie Wähler), Mitglied im Bildungsausschuss des Landtags, erklärt die Neuregelung hingegen für nicht sinnvoll, denn: „Stresssituationen gehören in der Schule dazu – wie im gesamten Leben. Schülerinnen und Schüler müssen lernen, damit umzugehen.“
Der Deutsche Lehrerverband lehnt die Neuregelung ab und spricht sich für die Stegreifabfragen aus: „Unangekündigte Tests tragen dazu bei, dass kontinuierlich gelernt wird“, sagt Verbandspräsident Stefan Düll. „Sie spiegeln zudem Situationen im Beruf oder auch Privatleben wider, in denen ohne Vorbereitung reagiert werden muss. Misserfolge muss man durchstehen.“
Der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Baum, kann die neue Ankündigungspflicht für Schultests nachvollziehen. „In einem modernen Pädagogik-Verständnis sollte nicht der Druck einer Note, sondern die Lernfreude und die Möglichkeit zur Vertiefung im Vordergrund stehen“, sagt er WELT. Zum Lernen gehöre auch Selbstdisziplin. „Vokabeln, Jahreszahlen und Gedichte müssen nun einmal auswendig gelernt werden“, betont Baum. „Strenge und Stress können genauso zu einem erfolgreichen Lernsetting beitragen wie Förderung und Freude.“
Bildungsforscher Olaf Köller vom Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik äußert sich skeptisch zur Ankündigungspflicht für Lehrer. Er hält die Erwartungen von Bildungsminister Teuber für überzogen: „Die neue Regelung lässt den Lehrkräften ja noch Spielraum, ob sie überhaupt die Hausaufgaben überprüfen.“ Die Reform werde nur etwas bringen, wenn Leistungstests häufiger stattfänden, als es derzeit der Fall sei – „dann gern mit Ankündigung“.
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