Gut vorbereitet kamen Bundeskanzler Merz und seine Mitstreiter ins Weiße Haus, um Ukraines Präsident Selenskyj bei dessen Treffen zu unterstützen. Der Plan geht auf, ist aber nur ein erster Minischritt. Den nächsten müsste Putin gehen - oder US-Präsident Trump.

Acht Europäer im Gleichschritt, ein geschmeichelter US-Präsident und dessen Telefonleitung nach Moskau. Das war nötig, um auf dem diplomatischen Parkett etwas zu bewegen, was den verfahrenen Ukraine-Krieg beenden soll. Das war nötig, um Donald Trump auf einen Weg mit Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj zu bekommen, ohne dass er sich mit ihm verbünden muss.

Noch während die große Gruppe am Montag im Weißen Haus beriet, rief Trump bei Wladimir Putin an. Wäre der Kremlchef, so die paraphrasierte Frage, die 40 Minuten gedauert haben soll, zu einem Zweiertreffen mit Selenskyj bereit? Also Verhandlungen des Angreifers und des Verteidigers auf Augenhöhe, was es bislang nicht gegeben hat, seit Russland vor dreieinhalb Jahren im Nachbarland einfiel. Putin stimmte zu, sagte Selenskyj danach, der selbst keine Bedingungen stellte.

Eine innerhalb von 24 Stunden zusammengetrommelte europäische Politik-Gang hat Trump also dazu gebracht, Putin die diplomatische Pistole auf die Brust zu setzen. Die Details sollen US-Vizepräsident JD Vance und Außenminister Marco Rubio ausarbeiten. Das an sich ist ein enormer Fortschritt. Die USA wollten in Trumps zweiter Amtszeit bislang nichts mehr zu tun haben mit dem Krieg im geografisch fernen Europa; außer, wenn es um mögliche Rohstoffe in der Ukraine oder Geschäfte in Russland geht. Vance beschwerte sich über die "Schnorrer" aus Übersee, die sich auf das US-Militär verließen.

Kommt das Treffen der Kriegsgegner wie vorgesehen innerhalb der nächsten zwei Wochen zustande, wird klar werden, ob Putin an einer Verhandlungslösung interessiert ist. Oder ob er nur eine weitere Nebelkerze geworfen hat, um militärisch weiter machen zu können, was er will. Selenskyj selbst wird entscheiden, ob er Putin de facto Gebiete anbieten möchte. De jure ist das unmöglich, das verbietet die ukrainische Verfassung. Bewegt sich Putin nicht, würde er Trump bloßstellen. Möchte der sein Gesicht nicht verlieren, müsste er den nächsten Schritt gehen, um den Kremlchef zu zwingen - wie immer das auch aussehen mag.

Neutraler Vermittler mit Haltung gefragt

Trump dachte lange, so hat er es mehrfach betont in den vergangenen Tagen, dass es einfacher würde, den Krieg zu beenden. Er bezirzte Putin, er drohte Selenskyj, er drohte Russlands Verbündeten und sogar in Richtung Kreml; aber nichts hat ihn näher an seine erklärten Ziele gebracht: das Ende der Kampfhandlungen in Osteuropa und somit sein persönliches eines Friedensnobelpreises. Trump wäre gern der neutrale Vermittler. Doch er ist nun mit der Realität konfrontiert: Als US-Präsident ist er praktisch dazu gezwungen, in einem Konflikt von solcher geopolitischen Bedeutung verbindliche Zusagen zu machen.

Hält er sich komplett heraus, brennt die Lunte am Pulverfass in Europa weiter. Schlägt er sich auf die Seite Moskaus, stellt er die Nato und die gesamte geopolitische Ordnung infrage. Ginge er in Selenskyjs Sinne vor, müsste er Sanktionen gegen Moskau und dessen Handelspartner verhängen und so seine angebliche Freundschaft mit Putin aufs Spiel setzen. Seinen guten Draht zum Kremlchef sieht Trump als Schlüssel. Also geht er den Weg, auf den ihn die Europäer öffentlich loben: Der Frieden gehe nur über Sicherheitsgarantien der USA. Es ist ein gelungener Drahtseilakt, Trump nicht als Verbündeten zu behandeln, ihn aber zu entsprechenden Zusagen zu bringen: ein Vermittler mit Haltung. "Eine Meisterklasse in Diplomatie", bescheinigte die "New York Times" den Europäern.

Wegen des Verhandlungsortes im Weißen Haus war die Aufmerksamkeit der US-Medien so groß wie lange nicht. Das ist Trump nicht entgangen, er lobte am Montag sogar höchst ungewöhnlicherweise die Medien. Schon während der Gespräche im Weißen Haus verschickte seine Presseabteilung die lobenden Worte seiner Gäste als Mitteilung. Die Welt erlebe "das Wiederaufleben der amerikanischen Führung", hieß es darin. "Durch sein unermüdliches Engagement für den Frieden ist Präsident Trump entschlossen, den jahrelangen Stillstand zu überwinden und den Weg für ein Ende des Blutvergießens zu ebnen."

Akzeptiert Putin tatsächlich Artikel-5-ähnliche Sicherheitsgarantien als Teil eines Abkommens, wäre das ein diplomatischer Durchbruch. Artikel 5, das ist die Zusicherung unter den Nato-Mitgliedern, einen Angriff auf einen Verbündeten wie einen Angriff auf sich selbst zu behandeln. Bislang geschah dies nur nach 9/11, woraufhin die Nato in Afghanistan einmarschierte. Sicherheitsgarantien außerhalb des Bündnisses müssten genau festlegen, was in welchem Fall passiert. Wer schießt wann und womit, wenn russische Soldaten eine noch festzulegende Grenze übertreten? Wie reagieren die Bündnispartner bei hybrider Kriegsführung gegen Kiew, also etwa Cyberangriffen, politischer Einmischung, Sabotage oder anderen Aktionen?

Auch Moskau muss Kompromisse machen

Bislang stehen die Forderungen und Kriegsziele Moskaus dieser Idee eines internationalen Sicherheitsnetzes für die Ukraine komplett entgegen: Wegen der westlichen Orientierung Kiews und eines möglichen Nato-Beitritts hatte Putin den Krieg begonnen. Sicherheitsgarantien würden aller Voraussicht nach auch ausländische Streitkräften in der Ukraine bedeuten. Eine starke ukrainische Armee und die von Selenskyj angekündigten Waffenkäufe im Wert von 90 Milliarden Dollar von der US-Rüstungsindustrie ist das Gegenteil der Forderung des Kremls nach der Demilitarisierung des Nachbarn.

In den kommenden zehn Tagen sollen die Sicherheitsgarantien der Europäer und der USA schriftlich ausgearbeitet werden, dann wird vieles klarer werden. Insbesondere stellt sich die Frage, welche Zusagen die USA genau machen. Denn es ist das erste Mal, dass Trump sagt, die Vereinigten Staaten würden Garantien geben für das Existenzrecht der Ukraine und folglich, im Falle eines Friedensabkommens, gegen einen möglichen erneuten Aggressor Russland an Kiews Seite stehen. "Das ist ein riesiger Schritt nach vorne", sagte Selenskyj dazu. Nato-Generalsekretär Mark Rutte bezeichnete es als "Durchbruch".

Auf verbales Gepolter und Ultimaten Trumps ist international nicht viel zu geben, das haben die ersten sieben Monate seiner zweiten Amtszeit deutlich gemacht. Gegen Russland und dessen Handelspartner hatte der US-Präsident zuletzt Zölle und Sanktionen angekündigt, sollte Putin keinen Waffenstillstand mit der Ukraine vereinbaren. Noch im Flugzeug nach Alaska am vergangenen Freitag drohte er Putin mit "schweren Konsequenzen", sollte dieser keinem Waffenstillstand zustimmen. Nach dem Gipfel der beiden geschah: nichts. Kein Waffenstillstand, keine Strafmaßnahmen.

Verhandlungen statt Diktatfrieden

Etwas erreicht haben wenige Tage später Nato-Generalsekretär Mark Rutte, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Bundeskanzler Friedrich Merz, Italiens Ministerpräsidentin Georgia Meloni, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Premier Keir Starmer und Finnlands Präsident Alex Stubb. Dafür brauchte es ihr gemeinsames Mantra nach Sicherheitsgarantien, ausgiebiges Lob an Trump für dessen Rolle und ein abgestimmtes Konzert an Schwerpunkten. Nun muss sich Putin bewegen.

Unklar ist weiterhin, was die beiden Staatschefs in Alaska vereinbarten. Dort sagte Putin, er erwarte, dass die Ukraine und die Europäer das Ergebnis des Treffens akzeptieren, um den Konflikt mit der Ukraine beizulegen. Was dieses Ergebnis war, ist nicht klar. Wohl aber, dass die europäische Gang der Acht am Montag geschlossen in Washington auftrat, um die Friedensinitiative mit einem klaren Ausblick voranzutreiben: ein verhandeltes Kriegsende statt des befürchteten Diktatfriedens.

Sollte Putin auf seinen bisherigen Maximalforderungen und Kriegszielen bestehen, könnte er diese teilweise untergraben und sich damit selbst schaden. Denn meint Trump es ernst mit dem Frieden, dürfte er sich ungern vor den Augen der Welt von einem Kriegstreiber auf der Nase herumtanzen lassen.

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