Der russische Machthaber hat in Alaska nicht nur die Bilder bekommen, die er wollte. Er hat auch Zeit gewonnen, um seinen Krieg auszuweiten. Trump hingegen setzt den ukrainischen Präsidenten unter Druck, auf Putins Bedingungen einzugehen.
In den letzten Monaten haben sich die russischen Luftangriffe auf das ukrainische Hinterland massiv intensiviert. Mittlerweile fliegen oft bis zu 800 Drohnen pro Nacht auf Städte wie Kiew, begleitet von ballistischen Raketen und Marschflugkörpern. Im Vorfeld des Treffens von US-Präsident Donald Trump mit Kremlchef Wladimir Putin konnten die Bewohner der ukrainischen Hauptstadt einige Tage lang ausnahmsweise ein wenig ausschlafen. Sie erlebten eine der ruhigsten Phasen seit Herbst 2024, als sich die Anzahl der Angriffe deutlich zu erhöhen begann.
Verwunderlich ist das nicht. Auf solchen Beschuss reagierte Trump in der Vergangenheit nämlich genervt. Dass Putin ihn vor dem angeblich historischen Treffen von Anchorage nicht zusätzlich verärgern wollte, war keine Überraschung.
Trotzdem verlief die vergangene Nacht in der Ukraine nervös. Zu groß war die Befürchtung, dass in Alaska etwas über die Ukraine über ihren Kopf hinweg beschlossen werden könnte, was inakzeptabel für sie ist. Im Vorfeld war in den internationalen Medien viel über absurde Forderungen an die Ukraine diskutiert worden, etwa die, für einen Waffenstillstand die gesamte Region Donezk freiwillig zu räumen - was aus ukrainischer Perspektive weder politisch noch militärisch klug wäre. Dass Russland weiterhin auf seinen Maximalforderungen besteht, zu denen der ukrainische Abzug aus allen teilbesetzten Regionen, die sogenannte "Entmilitarisierung" und am liebsten auch die Anerkennung der okkupierten Regionen als russisch gehören, ist in Kiew ohnehin jedem klar.
Kein Grund zum Aufatmen für Selenskyj
Daher gab es in der Ukraine im Voraus vor allem eine Hoffnung: Wenn es in Alaska nicht zum Schlimmsten kommt, wäre das schon eine gute Nachricht. Die ersten Bilder aus Anchorage ließen dann Böses vermuten. Putin, der seit dreieinhalb Jahren einen brutalen, umfassenden Angriffskrieg führt, wurde vom Präsidenten der USA auf dem roten Teppich empfangen. Trump applaudierte Putin sogar zur Begrüßung. Noch vor einem Jahr war das unvorstellbar. Die Bilder, die der russische Machthaber wollte, hat er bekommen.
Das Schlimmste ist zwar nicht eingetreten, jedenfalls noch nicht. Trotzdem ist fraglich, ob es für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Gründe zum Aufatmen gibt. Am Montag fliegt er nach Washington, dann wird er möglicherweise mehr erfahren.
Letztlich hatte der Gipfel in Alaska, soweit bisher bekannt, gar kein Ergebnis. Die Statements von Trump und Putin waren alles andere als konkret, Fragen von den anwesenden Journalisten wurden nicht entgegengenommen - und das gemeinsame Mittagsessen sowie das restliche Programm wurden abgesagt. Was auch immer Trump hinterher über den "großen Fortschritt" bei seinem persönlichen Austausch mit Putin erzählte, der Gipfel in Anchorage war ganz offensichtlich nicht der Erfolg, den Trump sich ursprünglich ausgemalt hatte.
Trump setzt Selenskyj unter Druck
Denn Putin, dessen Armee derzeit ihre Sommeroffensive durchführt, bleibt unverändert bei seinen Bedingungen. Es war zwar nur ein Satz in seinem Statement - dessen Bedeutung kann jedoch kaum unterschätzt werden: In Anwesenheit von Trump wiederholte der Kremlchef seine Standardfloskel, die "Kernursachen" des "Konflikts" müssten beseitigt werden. Es ist der übliche Kremlsprech. Was genau Moskau damit meint, war Trump möglicherweise unklar. Dabei ist bekannt: Aus Sicht des Kreml bestehen die "Kernursachen" in der Existenz einer unabhängigen und freien Ukraine außerhalb des russischen Einflussraums.
Nach seinem Auftritt mit Putin machte Trump in einem Interview mit dem US-Sender Fox News ein paar Äußerungen, die Selenskyj Kopfschmerzen bereiten dürften. Auf die Frage von Moderator Sean Hannity, was er Selenskyj raten würde, sagte Trump: "Du musst einen Deal machen." Russland sei "eine sehr große Macht, und sie sind das nicht". Es komme nun auf Selenskyj an. "Ich würde auch sagen, dass die europäischen Nationen sich ein wenig engagieren müssen, aber es hängt von Präsident Selenskyj ab."
Aus dem Kreml sind etwas andere Töne zu hören. Putins außenpolitischer Berater Jurij Uschakow etwa sagte, dass das Thema eines trilateralen Treffens von Trump, Putin und Selenskyj gar nicht besprochen worden sei - und dass es unklar sei, wann das nächste Treffen zwischen Putin und Trump stattfinden könnte.
Russland bereitet die nächsten Angriffe bereits vor
Für den ukrainischen Präsidenten bleibt es ein diplomatischer Spagat, den er in den Beziehungen mit Trump bewerkstelligen muss. Nach dem Treffen in Alaska ist klar: Es wird für Kiew schwer bis unmöglich sein, diese US-Regierung auf die eigene Seite zu ziehen. Gründe dafür, um die von Trump angekündigten Sanktionen gegen Russland zu verschärfen oder gegen Drittländer einzuführen, die bei Moskau Öl einkaufen, gibt es längst mehr als genug. Dass dies in absehbarer Zeit geschieht, befindet sich jedoch außerhalb der politischen Realität. Für die Ukraine bleibt es das Maximalziel, dass die USA zumindest weiterhin Waffen und Munition über europäische Länder an Kiew verkaufen und Aufklärungsdaten mit der Ukraine teilen. Langfristig dürfte selbst das schwierig werden.
Und so steht Putin am Ende als klarer Sieger des Gipfels in Anchorage fest. Verwunderlich ist dies kaum. Neben den Bildern und der internationalen Legitimation hat er wieder Zeit gewonnen, um seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine weiterzuführen - ohne harte Reaktionen aus den USA befürchten zu müssen.
Vermutlich wird er den Krieg in den nächsten Tagen und Wochen nicht nur in der Region Donezk ausweiten, wo logistisch wichtige Städte wie Pokrowsk immer stärker unter Druck stehen. Die erhöhte Aktivität von russischen Aufklärungsdrohnen in den letzten Tagen deutet klar darauf hin, dass weitere große Luftangriffe in der gesamten Ukraine geplant sind. Die kurze Zeit, in der die Menschen in Kiew und anderswo im ukrainischen Hinterland halbwegs ruhig ausschlafen konnten, ist wohl vorbei.
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