Neue Aufregung um die deutschen Regierungsprogramme zur Evakuierung von afghanischen Staatsbürgern nach Deutschland: Wie WELT aus Sicherheitskreisen erfuhr, läuft in Islamabad aktuell eine Großrazzia zum Aufspüren von Afghanen, die kein gültiges Aufenthaltsvisum für Pakistan besitzen. Im Fokus: Menschen, die mit einer Aufnahmezusage für die Bundesrepublik in der pakistanischen Hauptstadt festsitzen und dort von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) versorgt werden.

Nach Informationen von WELT durchsuchten pakistanische Sicherheitskräfte in den vergangenen Tagen zahlreiche Herbergen, teils auch Unterkünfte internationaler Hotelketten, und nahmen ausnahmslos alle Afghanen ohne Visum fest. Sowohl GIZ-Mitarbeiter als auch deutsche Diplomaten und Beamte – vor Ort und in Berlin – versuchen zur Stunde, pakistanische Regierungsstellen dazu zu bringen, die Inhaftierten nicht in ihre Heimat abzuschieben.

Angaben von diversen mit der Angelegenheit betrauten Personen zufolge habe es in den vergangenen Wochen „rund 400 Festnahmen“ von Afghanen mit Aufnahmezusage für Deutschland gegeben; mehrere Dutzend Afghanen seien bereits in ihre Heimat deportiert worden, wo sie allerdings weiterhin Unterstützung über von der Bundesregierung eingesetzte Dienstleister erhalten.

Mehrfach hatte die pakistanische Regierung Berlin in den vergangenen Monaten aufgefordert, die Aufnahmeprogramme endlich zu beenden; anderenfalls werde man, so die Ankündigung, Afghanen abschieben, deren Visum aufgrund der Tatenlosigkeit der Bundesregierung abgelaufen sind. Auf Bitten Berlins war die Frist auf Ende Juni verlängert worden, aber wieder passierte nichts. Von den rund 2200 in Islamabad festsitzenden Personen haben nach WELT-Informationen nur noch ein paar Dutzend ein Visum; eine Verlängerung ist derzeit nur in Ausnahmefällen möglich.

Außenminister Johann Wadephul (CDU) hatte angekündigt, sich an bestehende Aufnahmezusagen für in Pakistan befindliche Personen halten zu wollen – sofern diese rechtlich bindend sind. Seit vier Monaten wurden allerdings keine Afghanen aus den Aufnahmeprogrammen mehr aus Islamabad nach Deutschland gelassen – mutmaßlich nicht zuletzt deswegen, weil in den Monaten zuvor jeder einzelne Aufnahmeflug Aufregung und teils auch scharfe Kritik ausgelöst hatte. Außerdem hatte die Koalition vereinbart, keine weiteren Aufnahmeprogramme mehr aufzusetzen.

„Das, was wir hier erleben, macht schlicht keinen Sinn“

In Berlin weiß man: Je länger die Afghanen in Islamabad festsitzen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die pakistanische Regierung die Geduld verliert und die Leute außer Landes schafft – und sich Deutschland dann nicht mehr um sie kümmern muss. Andererseits gibt es die nun laufenden großen Bemühungen deutscher Seite, Islamabad gnädig zu stimmen – und die Betroffenen zurück in die Obhut der GIZ zu entlassen. „Das, was wir hier erleben, macht schlicht keinen Sinn. Die Bundesregierung müsste endlich auf höchster Ebene mit der pakistanischen Regierung sprechen“, sagte eine mit der aktuellen Lage vertraute Person gegenüber WELT.

Das Auswärtige Amt reagierte auf eine Anfrage zur Lage in Islamabad bislang nicht. In der vergangenen Woche hieß es aus dem Ministerium gegenüber WELT: „Die Bundesregierung stellt die umfassende Betreuung aller Personen mit Aufnahmezusage für Deutschland sicher und unterstützt sie soweit als möglich bei der Verlängerung ihrer pakistanischen Visa.“

Die Botschaft informiere die pakistanischen Behörden „kontinuierlich über den Status der Betroffenen im Ausreiseverfahren“. Und weiter: „Alle aufzunehmenden Personen, die sich derzeit in Pakistan aufhalten, können sich jederzeit an einen von der Bundesregierung vor Ort beauftragten Dienstleister für die logistische Unterstützung wenden.“

Vor Festnahme und Abschiebung schützt diese „logistische Dienstleistung“ allerdings ganz offenbar nicht.

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