Auch die Demokraten suchen nach Politikern, die nicht von der "politischen Stadt" Washington D.C. "verbraucht" sind, sagt Terry Szuplat. Von 2009 bis 2017 war er Redenschreiber von US-Präsident Barack Obama. Szuplat sieht einen Mentalitätswandel in der Politik. Könnte die Demokraten etwa ein "Donald Trump der Linken" wieder ins Weiße Haus führen? Auch erklärt Szuplat, wie der wirkliche Trump sich eine "Aufmerksamkeitsökonomie" schafft. Einige rhetorische Fauxpas Obamas lässt Szuplat noch einmal Revue passieren.

Ntv.de: Im Vorfeld der historisch gewordenen TV-Debatte im vergangenen Jahr zwischen Donald Trump und Joe Biden schrieben Sie in einem Meinungsartikel: "Wir als Amerikaner haben anscheinend die Fähigkeit verloren, miteinander zu reden." Können Sie das erläutern?

Terry Szuplat: Was ich damit meinte, war, dass wir immer mehr gespalten und isoliert sind in unseren eigenen kulturellen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Blasen. Wir verbringen immer mehr Zeit mit Menschen, die wie wir denken und handeln. Und so fällt es uns auf beiden Seiten, links und rechts, immer schwerer, Menschen zu verstehen, die eine andere Weltanschauung haben als wir. Und als Ergebnis wird es einfacher, Menschen, mit denen wir nicht einverstanden sind, zu misstrauen, sie zu dämonisieren.

Würden Sie auch sagen, dass Social Media dabei eine Rolle spielt?

Es gibt alle möglichen Studien und Forschungen, die zeigen, dass wenn wir anfangen, uns für eine bestimmte Perspektive oder Weltanschauung zu interessieren, der Algorithmus mehr davon aufgreift. Wenn man auf Inhalte links der Mitte (engl.: liberal) klickt und sie liest, wird man linksorientiertere Geschichten bekommen. Du klickst auf Inhalte ab rechts der Mitte (engl.: right-wing) und liest sie - und du wirst mehr solche Inhalte bekommen. Es ist eine Art Turbo für diese Polarisierung. Und das Schlimmste von allem ist, dass die Unternehmen tatsächlich Geld damit verdienen.

Es scheint, als ob die Demokraten dabei passiver sind, und Trump die sozialen Medien effektiver nutzt. Sie erläutern in Ihrem Buch ("Say It Well", auf Deutsch bei Piper am 1. August 2025 erschienen): Wer seine Stimme findet und sagt, wovon er überzeugt ist, ist ein guter Redner. Ist Trump einer?

Er beherrscht definitiv die Kunst der sozialen Medien. Wir sprechen ja darüber, wie die Algorithmen Inhalte belohnen, die aufrührerisch sind, die Engagement erzeugen. Und so veröffentlicht Donald Trump jeden Tag Inhalte in den sozialen Medien, die ungeheuerlich sind. Und er tut dies sowohl mit seinen Worten als auch mit den Bildern und Grafiken, die er verwendet. Er ist also ein Meister darin. Er ist ein Meister darin, das Social-Media-Biest zu füttern und auf diese Weise Aufmerksamkeit zu bekommen. Und eine Aufmerksamkeitsökonomie.

Was müssen die Demokraten tun, um selbst mehr solche Wirkungsmacht zu bekommen? Oder ist es einfach nicht ihr Stil?

Man sieht, dass einige Demokraten es besser machen als andere. Eine der Herausforderungen, vor denen Demokraten und Mitte-Links-Politiker stehen, ist, dass viele Leute in ihre Politik einsteigen, weil sie wirklich interessiert sind und ihnen politische Programme wichtig sind. So wie es sein sollte. Die Kehrseite davon ist, dass Demokraten manchmal dazu neigen, ein bisschen mehr wie Akademiker und Politikexperten zu klingen. Und ihre Argumente sind in der Regel keine emotionalen, sondern intellektuelle und politische Argumente. Und die schneiden in den Medien nicht sehr gut ab. In den sozialen Medien schon gar nicht.

Glauben Sie, dass es so etwas wie ein Comeback der Rhetorik der Arbeiterklasse unter den Demokraten geben könnte, etwa wenn man sich die Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez ansieht oder Zohran Mamdani, der sich in New York City zum Bürgermeister wählen lassen will?

Es gibt eine Menge Demokraten, die da draußen so sprechen. Und was interessant ist, dass es zunehmend eine Kluft, lassen Sie mich sagen, dass es eine zunehmende Unterscheidung gibt zwischen Demokraten in Washington, D.C. und Demokraten da draußen im Land, die nicht von den täglichen parteipolitischen Kämpfen in Washington, D.C. aufgezehrt werden. Und Demokraten gibt es da draußen im Land als Gouverneure und Gouverneurinnen, als Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, die unter den Menschen leben und arbeiten, die sie vertreten, und die viel besser darin sind, auf die täglichen Sorgen der ganz normalen Leute einzugehen.

Die Demokraten in Washington sind also keine guten Kommunikatoren?

Eine der Fallen in Washington besteht darin, dass man in dieser Atmosphäre gefangen ist, in der alles parteiisch ist: Demokrat gegen Republikaner, Liberaler gegen Konservativer, Rechts gegen Links. Es ist eine politische Stadt und die beiden Teams kämpfen jeden Tag gegeneinander. Und dem widmen sich die Leute natürlich, wie man es in der Hauptstadt erwarten würde, mit ihrem Parteietikett. Das Problem ist, dass wir ein Land mit 340 Millionen Einwohnern sind. Und die meisten Amerikaner, die überwiegende Mehrheit, wachen nicht jeden Morgen auf und denken sich: 'Ich bin ein Liberaler, ich bin ein Demokrat, ich bin ein Republikaner, ich bin ein Konservativer - und das werde ich heute tun.' Sie stehen einfach auf und leben ihr Leben. Sie versuchen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ihren Job zu behalten, ihre Rechnungen zu bezahlen, sich eine Ausbildung für ihre Familien zu leisten und Lebensmittel zu kaufen.

Und wie kann man diese Amerikaner überzeugen?

Als jemand, der nicht jedes Gespräch beginnt mit: 'Als Demokrat glaube ich an dies - und diese schrecklichen Republikaner versuchen, dein Leben zu ruinieren.' Es ist eher jemand, der wie Mamdani aufsteht und sagt: 'Hey, du konzentrierst dich auf die Tatsache, dass du dir keine Miete oder Hypothek oder Lebensmittel oder kein Essen leisten kannst. Du kann es dir nicht leisten, in der [Innen-]Stadt zu leben. Darauf konzentriere ich mich.' Ich denke also, es ist einfach ein kompletter, völliger Mentalitätswandel. Und ich denke schon, wissen Sie, Politiker auf der Linken und der Rechten, die nur aus der Perspektive von Parteipolitik agieren, werden einfach nicht genau so den Zugang zu den Menschen finden. Nun, denken wir mal über etwas nach, das interessant ist.

Und das wäre?

Donald Trump ist in erster Linie da oben als Donald Trump, oder? Ja, er ist gerade Republikaner, er hat die Republikaner im Griff (...) und er kritisiert die Demokraten jeden Tag. Aber er kritisiert auch Republikaner, die ihm widersprechen. Und er macht seine Schlagzeilen auch nicht immer mit der Programmatik seiner Partei. Eines der Argumente in meinem Buch ist, dass wenn du da draußen versuchst, mit Menschen in deiner Gemeinde, in deiner Familie, in deiner Nachbarschaft in Kontakt zu treten, und du das immer vom Standpunkt der Parteipolitik aus beginnst, schränkt das deine Fähigkeit ein, Menschen zu erreichen und sie zu überzeugen. Und so versuche ich, viele verschiedene Wege anzubieten, wie wir wieder auf einen gemeinsamen Nenner kommen können, und das abseits der Parteipolitik.

Glauben Sie, dass es vielleicht bei den Demokraten einen Politiker wie Trump geben sollte, der populistischer ist?

Im Laufe der kommenden 24 Monaten werden die Demokraten die verschiedenen Kandidaten unter die Lupe nehmen [für die Präsidentschaftswahl 2028, Anm. d. Red.]. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es nicht ein Demokrat aus Washington, D.C. sein sollte oder ein Demokrat, der viel Zeit in den Schützengräben des parteipolitischen Krieges in Washington, D.C. verbracht hat und die Welt entsprechend sieht. Ich denke, die Demokraten und die Amerikaner suchen nach Leuten von außerhalb des Systems, die nicht verbraucht sind.

So wie Trump?

Trump war kein Karrierepolitiker. Es gab Zeiten, in denen er sogar andeutete, dass er ein Demokrat hätte sein können [Anm. d. Red.: Als Demokrat war Trump in den 00er Jahren registriert]. Er kam von außerhalb des Systems und übernahm eine der Parteien. Mich interessiert die Frage: Ist der oder die nächste Anführerin der Demokratischen Partei eine Person, die ihr Leben in der demokratischen Politik verbracht hat? Oder ist es jemand von außerhalb? Etwa jemand aus der Geschäftswelt, ich weiß es noch nicht. Keiner von uns weiß es.

Würden Sie auf jemanden wetten wie Josh Shapiro, Governeur von Pennsylvania, oder Gretchen Whitmer, die Gouverneurin von Michigan? Oder würden Sie sagen, es wird jemand von ganz außerhalb der Politik wie ein Geschäftsmann oder etwa Bill Gates?

Das ist der Punkt. Wenn es eine gewählte und amtierende Person ist, wird es höchstwahrscheinlich ein Gouverneur [oder eine Gouverneurin] werden. Wieder jemand von außerhalb von Washington, D.C., der unter den Menschen lebt und arbeitet und sich nicht verzehren lässt von diesem täglichen ...

Auf wen würden Sie Ihr Geld setzen? Keine Sorge, es wird nur in den deutschen Medien stehen ...

Ja genau, nur in den deutschen Medien ... (lacht) Nein, ich werde keine einzelne Person nennen, aber mein Bauchgefühl ist, dass es höchstwahrscheinlich ein Gouverneur [oder eine Gouverneurin] sein wird oder jemand, der relativ neu in Washington ist und nicht als dort ansässig angesehen wird. Das könnte ein gewählter Amtsträger wie ein Gouverneur sein. Vielleicht wird es jemand aus der Geschäftswelt, ein Donald Trump der Linken. Jemand, der Organisationen aufgebaut und geleitet hat, aber nicht als vom System kontaminiert angesehen wird.

Kommen wir zu Präsident Obama und Ihre Zeit mit ihm. Wie war denn ein typischer Tag als Redenschreiber im Weißen Haus?

Ich war Teil eines Teams von etwa fünf oder sechs Redenschreibern. (…) Unsere Büros waren im Keller des Westflügels, also waren wir direkt unter dem Oval Office. Es war ein bisschen so, als würde man in einem U-Boot leben und arbeiten. Es waren sehr niedrige Decken, sehr kleine Büros.

Man hörte Obama also herumlaufen über einem?

Nun, wir konnten nicht durch die Decken hören, aber was wir tatsächlich hörten, waren Mäuse in der Decke. Es war ein altes Gebäude (...) Wenn es an der Zeit war, uns mit ihm zu treffen, bekamen wir den Anruf von seinem Assistenten. Er ist bereit. Komm hoch. Das waren unsere Gelegenheiten, von ihm zu hören, was er tun wollte.

Und dann schreiben?

Obama wusste, dass in den ein bis drei Wochen zwischen diesen Treffen und [einer größeren] Rede jeder Teil des Weißen Hauses und der Regierung versuchen würde, ihre Initiativen, Ideen und Politik in der Rede unterzubringen. Wenn wir nicht gewusst hätten, was Obama will, hätten wir auch nicht gewusst, wozu wir Ja und wozu wir Nein sagen können. Es war also wirklich wichtig, diese Anleitung von ihm von Anfang an zu haben (…) Dann gingen wir zurück in unser kleines U-Boot-Büro und arbeiteten an dieser Rede - für weitere Tage oder Wochen.

Sie schildern in Ihrem Buch, dass Obama manchmal bis unmittelbar vor dem Auftritt Änderungen anforderte und Sie zum Teleprompter sprinten mussten, während er selbst seelenruhig dasaß und Tee mit Honig und Zitrone trank. Haben Sie je gesehen, wie er vor einer Rede nervös wurde?

Ich habe erst angefangen, mit ihm zu arbeiten, als er Präsident wurde. Er hatte viele, viele Jahre der Vorbereitung und des Trainings. Ich habe ihn in all den Jahren nie mehr nervös werden sehen. Er wurde ein bisschen nervös vor seiner großen Parteitagsrede im Jahr 2004 [die ihn überregional bekannt machte, Anm. d. Red.]. Er strahlte viel Selbstvertrauen aus. Aber er gab später zu, dass er ein bisschen nervös war. Aber ja, als er Präsident wurde, war er, glaube ich, ziemlich gut darin. Er hatte mehr als ein Jahrzehnt lang auf nationaler Ebene öffentlich gesprochen.

Tatsächlich erwähnen Sie in Ihrem Buch einige teils frühere Obama-Momente, in denen nicht alles so gut ablief.

Es gab einen Moment, eine Geschichte, die mir der Präsident einmal erzählte, als er ein Gemeindearbeiter [im kirchlichen Bereich, Anm. d. Red.] war und etwa 24 Jahre alt. Er musste eine Rede halten und etwas Geld für seine Gemeindearbeit sammeln. Und er hatte sich nicht vorbereitet. Er hatte nichts aufgeschrieben. Er dachte nicht darüber nach, was er sagen würde. Und dann kam er dort an und er verlor total seinen Faden. Er war unkonzentriert. Er erzählte mir später, wie er da rumstammelte und sich in diesem Moment wirklich schämte.

Und dann?

Ich fragte ihn: Wie bist du von dem 24-Jährigen zu jemandem geworden, der in seinen 40ern eine Rede für die Ewigkeit halten würde? Er erzählte detailliert, wie er daran arbeitete, besser zu werden. Und das ist der Schlüssel. Er übte. Er trainierte, er hörte anderen Leuten zu und wie sie sprachen (...) Ich möchte, dass jeder und besonders junge Leute, die am Anfang stehen, dass sie wissen, dass das öffentliche Sprechen eine Fähigkeit ist wie jede andere. Der einzige Weg, wie wir besser werden, ist, indem wir üben und an ihr arbeiten.

Während seiner Präsidentschaft soll Obama einmal so viele der Anwesenden gegrüßt haben, dass CNN die Ausstrahlung unterbrach.

Das ist ein großartiges Beispiel. Eines der Dinge, mit denen viele Menschen zu kämpfen haben, ist das Thema Erwähnung und Danksagung (engl: acknowledgement) und bei wie vielen Menschen man dies tun sollte und ob man es überhaupt tun sollte. Einer meiner Kollegen hatte eine ziemlich straffe Rede geschrieben. Der Präsident bemerkte, dass viele Mitglieder des Kongresses da waren, wichtige Leute für seine Agenda. Er versuchte, ihnen Zuneigung zu zeigen. Aber das Problem war, dass es einfach immer weiter und weiter ging (...) CNN hat ihn einfach abgeschnitten, und da hat der Präsident eine Gelegenheit verpasst, seine Botschaften einem nationalen Publikum zu vermitteln.

Einmal sprach Obama über die Job-Situation im Mittleren Westen und sagte, dass viele Kleinstadtbewohner verbittert wären, sich an Waffen und Religion klammerten und Antipathie hätten gegenüber Menschen, die nicht so sind wie sie, oder eine Anti-Immigranten-Einstellung hätten. War das ein strategischer Fehler? Soll man harte Wahrheiten oder Annahmen nicht aussprechen?

Ich bin der Überzeugung, dass es immer eine Zeit und einen Ort gibt für liebevolle Strenge (engl.: tough love). Einige der besten Redner sind diejenigen, die sehr ehrlich und offen zu ihrem Publikum sind, auch wenn sie vielleicht nicht mit ihrem Publikum übereinstimmen.

Aber Obama hat diese Aussage doch bereut, oder?

Ja. Er machte diese Aussage, die - wie er zugab - nicht so ankam, wie er es beabsichtigt hatte. Viele Leute nahmen daran Anstoß. Sie hatten das Gefühl, dass er einige ihrer tiefsten Ansichten, Überzeugungen und Werte kritisierte, einschließlich ihres Glaubens, ihrer Religion, die für viele Menschen wichtig ist. Er hat zugegeben, dass das eine sehr ungeschickte Art war, zu argumentieren (...) Das ist eine wichtige Lehre: Niemand ist perfekt. Politiker da draußen äußern sich täglich. Sie werden dabei Dinge sagen, die sie manchmal bereuen. Der wahre Test für eine Führungspersönlichkeit besteht darin, ob sie dann genau so weitermachen. Ob sie auf ihren Äußerungen beharren und diese Dinge weiter sagen, oder ob sie damit aufhören, und sie auf eine Weise sagen, die geschickter ist.

Mit Terry Szuplat sprach Maximilian Perseke. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet.

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