Seit dem 1. August beteiligt sich Deutschland an der Luftbrücke für Gaza. Die Lieferungen seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein, klagen Hilfsorganisationen. Andere sagen, besser als nichts sei es allemal. Wie effizient ist die Maßnahme? Ein Blick hinter die Kulissen einer heiklen Mission.

Es sind nur zehn Minuten, die die deutschen Bundeswehrpiloten im Luftraum über Gaza fliegen, um die Hilfsgüter abzuwerfen. Zehn Minuten, in denen höchste Präzision gefragt ist, damit die Pakete da ankommen, wo sie gebraucht werden.

Dabei dürfen sie aber nicht zu nah an Zelten oder Unterkünften landen, damit nichts beschädigt und niemand verletzt wird. Keine leichte Aufgabe.

Wie die Luftbrücke organisiert ist

Beladen werden die Flugzeuge in Jordanien von etwa 30 Bundeswehrsoldaten. Insgesamt 92 Tonnen Hilfsgüter mit Konserven, Nudeln, Reis, Mehl und Zucker hat allein die deutsche Luftwaffe innerhalb der ersten sechs Tage abgeworfen (Stand 6. August 2025). Davon könnten theoretisch um die 150.000 Menschen versorgt werden - theoretisch. Denn nach dem Abwurf aus dem Flugzeug dauert es zwei Minuten, bis die Pakete mit ihren Fallschirmen am Boden ankommen.

Und dort beginnt das Chaos: Die Verteilung der "Air Drops", wie die Hilfslieferungen aus der Luft genannt werden, wird am Boden nicht koordiniert. Das führt dazu, dass Menschen in Scharen zu den landenden Paketen rennen und sich darauf stürzen. Nicht selten kommt es dabei zu Gewalt oder Massenpanik. Palästinenser berichten auch von Menschen, die erstickt seien oder überrannt wurden. Doch auch bei den Hilfslieferungen über den Landweg hatte es immer wieder Tote gegeben.

In Gaza droht eine Hungersnot

Die humanitäre Lage im Gazastreifen hat sich in den letzten Monaten dramatisch verschärft. Die Vereinten Nationen warnten bereits vor einer unmittelbar bevorstehenden Hungersnot. Tatsächlich sind seit Ende Juli mehr Menschen verhungert als in den gesamten knapp 22 Monaten seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Die internationale Gemeinschaft ringt um Lösungen. In diesem Kontext hat die deutsche Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz angekündigt, sich an einer Luftbrücke zu beteiligen, um dringend benötigte Hilfsgüter nach Gaza zu bringen. Seit dem 1. August führt die deutsche Luftwaffe die Hilfsflüge durch.

Wo die Pakete landen

Die Piloten dürfen acht verschiedene Drop-Zonen anfliegen, die Israel zu diesem Zweck angeboten hat. Vor dem Abflug wird geklärt, welche dieser Zonen gerade sicher oder sinnvoll erscheint. Bevor die Flugzeuge abheben, werden tagesaktuelle Satellitenbilder gesichtet.

Anhand von Flugdaten eines deutschen Bundeswehrfliegers vom 6. August lässt sich beispielhaft nachzeichnen, wie so ein Missionsflug abläuft: Die Piloten kreisen zunächst in Warteschleifen über dem Abflughafen in Amman. Sobald sie ihr Startsignal erhalten, fliegen sie nördlich am Gazastreifen vorbei und nähern sich vom Mittelmeer aus der abgeriegelten Küstenregion. Die militarisierte Pufferzone und das Kampfgebiet im Grenzgebiet zu Israel ist für Überflüge absolut tabu.

Nur für den Abwurf selbst fliegen die Transporter in circa 600 Metern Höhe über Land, sodass sie bis auf 50 Meter Durchmesser genau berechnen können, wo die Pakete landen werden. Die Felder, auf denen die Pakete landen, sollen mindestens 300 mal 600 Meter groß sein, also etwa der Fläche von etwa 25 Fußballfeldern entsprechen. Wenn jemand gefährdet ist, wird das Vorhaben gestoppt und nichts abgeworfen. Um die Lage zu sichten und den idealen Zeitpunkt abzupassen, können die Piloten Schleifen über dem schmalen Küstenstreifen fliegen. Danach geht es ohne große Umwege übers Mittelmeer zurück zur Basis.

Israel kontrolliert alles

Kontrolliert wird die Luftbrücke von Israel. Die israelische Regierung bestimmt, wer wo wie viel abwerfen darf. Fest steht: Einfacher, günstiger und deutlich effektiver wären Hilfslieferungen per Lkw. Rund 22.000 davon stehen laut Al-Dschasira vor den Grenzen Gazas und warten nur darauf, reingelassen zu werden. Die Rettung für die Palästinenser steht praktisch nur wenige Kilometer von ihnen entfernt vor verschlossener Tür.

Der UN zufolge können Lkw doppelt so viele Güter transportieren wie die Flugzeuge, Al-Dschasira spricht sogar von der vierfachen Menge. In der Konsequenz sind die Hilfslieferungen aus der Luft laut UN 100-mal teurer als die über Land. Zum Vergleich: Die deutsche Luftwaffe hat in den ersten sechs Tagen der Luftbrücke 92 Tonnen Hilfsgüter abgeworfen - auf dem Boden stehen um den Gaza-Streifen allein vom Welternährungsprogramm Lkw mit mehr als 170.000 Tonnen bereit oder sind auf dem Weg dorthin. Das genüge, um die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens von rund 2,1 Millionen Menschen fast drei Monate lang zu ernähren - wenn sie denn hineinkämen.

Palästinenser empfinden "Air Drops" als demütigend

Auch die Menschen in Gaza selbst wünschen sich die Hilfslieferungen lieber über den Landweg. Durch die fehlende Koordination am Boden bricht Chaos aus und die Pakete werden durch den Aufprall teilweise beschädigt, sodass das Essen aus dem Sand herausgesucht werden muss. Die Verteilung ist zudem ungerecht: Wo die Pakete landen und wer schnell genug dort ist, ist Glückssache. Und vor Ort gilt oft das Recht des Stärkeren.

Der Bundesregierung ist bewusst, dass die "Air Drops" nur einen kleinen Beitrag leisten. Außenminister Wadepuhl sagte bereits zum Start der Luftbrücke, dass sie die Lieferungen mit Lkw keinesfalls ersetzen können: "Klar bleibt: Nur über den Landweg können Hilfsgüter die Menschen in ausreichender Menge erreichen."

Unter dem Eindruck von Bildern und Videos aus dem Gazastreifen, die das Elend der Zivilbevölkerung verdeutlichen, wächst der Druck auf Israel, den Krieg zu beenden oder wenigstens einen Waffenstillstand zu vereinbaren. Bislang deutet jedoch nichts darauf hin, dass die Regierung Netanjahu ihre Blockadehaltung zeitnah aufgeben könnte. Im Gegenteil: Zuletzt hieß es, der Ministerpräsident plane, den Krieg im Gazastreifen auszuweiten. Den etablierten Hilfsorganisationen der UN wird der Zugang zur Krisenregion unterdessen zunehmend erschwert. Gut möglich, dass die Flugzeuge der Luftbrücke unter diesen Umständen noch weitaus häufiger abheben müssen. Was als kurzfristige Notlösung gedacht war, könnte so zu einer dauerhaften Notwendigkeit werden.

Mitarbeit: Laura Stresing, Christoph Wolf

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