Der Handel mit russischem Flüssiggas floriert in der EU - und Produkte aus russischem Öl kaufen die Mitgliedstaaten aus Indien. Trumps Zollhammer könnte deshalb nach den Indern auch die Europäer treffen - als noch immer viertgrößte Abnehmer russischer Energie auf dem Weltmarkt.
Donald Trump hat seine Drohung wahr gemacht. Der US-Präsident verhängte gegen Indien Strafzölle in Höhe von 25 Prozent, weil das Land russische Energie kauft. Zu Russlands größten Abnehmern für Öl, Gas und Kohle zählen neben Indien auch China und die Türkei. Sie sind nach Angaben des britischen Forschungsinstituts Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) für 74 Prozent der russischen Einnahmen aus Öl, Gas und Kohle verantwortlich. Der viertgrößte Abnehmer russischer Energie ist die EU. So müssen auch EU-Länder zittern, in Trumps Visier zu geraten. An Indien könnte Trump nur ein erstes Exempel statuiert haben.
Bis Freitag läuft noch Trumps Zoll-Ultimatum. Sollte Präsident Wladimir Putin bis dahin nicht die Attacken auf die Ukraine einstellen, könnten weitere Handelspartner Russlands mit Zöllen von bis zu 100 Prozent belegt werden. Nach Angaben des Kremls will sich Trump in den kommenden Tagen persönlich mit Putin treffen. Vielleicht wartet Trump das Gespräch mit Putin ab, bevor er neue Zölle verhängt, vielleicht aber auch nicht. Der US-Präsident ist für sein erratisches Handeln bekannt.
Dennoch sollten die EU-Mitgliedstaaten Trumps Zoll-Hammer ernst nehmen. Momentan droht er vor allem China, schließt aber nicht aus, auch andere Abnehmer russischer Energie zu bestrafen. In Bezug auf die Strafzölle sagte Trump: "Wir haben es mit Indien getan. Wir tun es wahrscheinlich mit ein paar anderen. Einer davon könnte China sein." Weitere Details nannte er nicht.
Russisches Gas gelangt noch nach Deutschland
"Falls Trump Strafzölle von 100 Prozent für EU-Länder verhängt, weil sie russisches LNG kaufen, würde er damit das gerade erst entstandene Handelsabkommen mit der EU zunichtemachen. Dann hätten wir einen ausgewachsenen transatlantischen Handelskrieg", sagt Alberto Rizzi, der für den European Council on Foreign Relations (ECFR) zu Geoökonomie und internationalem Handel forscht, im Gespräch mit ntv.de. Dies hätte massive Folgen, nicht nur für die Energie-, sondern auch für die Finanzmärkte und generell für den Welthandel. Daran dürften weder die EU noch die USA ein Interesse haben, fügt Rizzi hinzu. Aber: "Bei Trump weiß man nie."
Trotz aller Sanktionen und Bemühungen, unabhängiger von russischem Öl und Gas zu werden, hat die EU laut CREA im vergangenen Jahr nur ein Prozent weniger fossile Brennstoffe aus Russland importiert als im Vorjahr. Untersucht wurde der Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2023 und dem 19. Februar 2025. Vor allem der Handel mit russischem Flüssiggas floriert weiter in der EU.
Nach Angaben der EU-Kommission machten russische Gaslieferungen 2024 noch immer rund 19 Prozent der gesamten EU-Gasimporte aus. 2023 wurden Erdgas und Flüssiggas im Wert von 15,6 Milliarden Euro aus Russland in die EU importiert. Zum Vergleich: Aus den USA kam im gleichen Zeitraum Gas im Wert von 19,1 Milliarden Euro. Zu den größten Abnehmern russischen Flüssiggases in der EU zählen Frankreich, Spanien, die Niederlande, Belgien und Italien. Länder wie Österreich, die Slowakei und Ungarn importieren derweil russisches Gas über Pipelines. Auf Umwegen kommen die gewaltigen Mengen russischen Gases, die in Europas Netz eingespeist werden, auch nach Deutschland.
Putins Schattenflotte kann Öl weiter verschiffen
Die EU-Kommission plant nun, russische Gasimporte schrittweise bis 2027 zu stoppen. Für langfristige Lieferverträge soll das Verbot ab dem 1. Januar 2028 greifen. Gasimporte im Rahmen von kurzfristigen Verträgen will die Kommission schon in knapp einem Jahr verbieten, ab dem 17. Juni 2026. Aber wird Trump das schnell genug gehen?
Die Strafzölle gegen Indien hätten bereits Auswirkungen auf die Europäer, sagt Experte Rizzi. Denn viele Mitgliedstaaten kaufen - trotz des Öl-Embargos der EU - raffinierte Produkte aus Indien, die ursprünglich mit russischem Öl hergestellt wurden. Das könnte sich nach Trumps Zoll-Hammer gegen Indien ändern - es sei denn, die Europäer finden neue Schlupflöcher: "Indien und die EU-Länder können nur noch weiter mit Ölprodukten aus Russland handeln, wenn sie den Ursprung besser verschleiern können."
Wird Trump durch seine Strafzölle also erreichen, dass Indien und China den Handel mit russischem Öl komplett einstellen? Rizzi hält das für unwahrscheinlich, da die Zölle zwei unterschiedliche Effekte auf den Öl-Markt haben. Einerseits würden dadurch teilweise Russlands Einnahmen blockiert, weil weniger Energie verkauft wird. Andererseits würde dadurch jede geschmuggelte Menge Öl aus Russland wesentlich rentabler. Denn falls Russland aufgrund immenser Strafzölle gegen seine Abnehmer als offizieller Öllieferant wegfällt, wird der Preis für Öl auf dem Weltmarkt steigen. "Illegal durch die Schattenflotte verschifftes Öl aus Russland kann so mit höheren Gewinnmargen verkauft werden", so Rizzi.
Sanktionen gegen Russlands illegale Öl-Tanker sollten deshalb von den USA und der EU verschärft werden, empfiehlt er. Das zeigte bereits in der Vergangenheit eine gewisse Wirkung. Allerdings gleicht das Sanktionsregime gegen Putins Schattenflotte einem Katz-und-Maus-Spiel: Sobald bestimmte Tanker und Unternehmen sanktioniert werden, tauchen neue auf. Komplett wird sich Russlands Öl-Verkauf auf absehbare Zeit nicht stoppen lassen.
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