Mit einem neuen Grundsatzprogramm will die FDP wieder politische Erfolge einfahren. Doch in einem internen Papier wird zunächst mit den Fehlern der Vergangenheit abgerechnet. Auch Ex-Parteichef Lindner wird nicht verschont.
Mehr als fünf Monate nach der Bundestagswahl arbeitet die FDP ihr Ausscheiden aus dem Parlament auf. Dazu gehört nicht nur eine Mitgliederbefragung, die in das neue Grundsatzprogramm einfließen soll, sondern offenbar auch eine Abrechnung mit Fehlern der vergangenen Jahre - und mit dem langjährigen Parteichef Christian Lindner. "Was ist bei uns Freien Demokraten in den letzten Jahren schiefgelaufen?", ist ein internes Papier überschrieben, das RTL/ntv vorliegt.
Dort werden etwa Phasen aufgezeigt, in denen die Partei gewonnen oder verloren hat. Sie werden etwa "Jamaika-Enttäuschung", "Thüringen-Situation" oder "Schwarze Piste" genannt - letztere Phase folgt auf eine kurze "Ampel-Begeisterung".
Kritik gibt es etwa an der Entscheidung des damaligen FDP-Chefs Lindner, nach der Bundestagswahl 2017 die Sondierungen mit Union und Grünen platzen zu lassen. "Erste Beschädigung der Wahrnehmung als Reform- und Modernisierungskraft", heißt es dazu in dem Papier - man habe etwa "eine Million Wähler an Parteien rechts und links" verloren. Die Schuld am Abbruch der Sondierungen wird allerdings in "zu wenig Veränderungsbereitschaft bei Kanzlerin Merkel" gesehen.
Auch die Wahl Thomas Kemmerichs zu Thüringens Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD wird kritisch hinterfragt. "Wahrnehmung von (passiver) Kooperationsbereitschaft mit der AfD, der schnellen Klarstellung durch den Bundesvorsitzenden zum Trotz", heißt es dazu in dem Papier. Die Folge sei ein "Reputationsschaden" als liberale sowie "moderne und weltoffene Partei" gewesen. Zudem habe ein "wirksamer Plan" der Führung gefehlt, "wie gegengesteuert werden kann".
Als "elitäre Experten" wahrgenommen
Die Bundestagswahl 2021 wird im Papier ausdrücklich gelobt, vor allem der "große taktische Erfolg" Lindners bei der Mobilisierung zur Wahl. Danach schloss die FDP einen Koalitionsvertrag mit der SPD und den Grünen. Doch die Liberalen hätten sich dabei nicht als "Modernisierungspartei" durchsetzen können, heißt es in der Analyse. Es habe an "Mut und (konzeptioneller) Fähigkeit" gefehlt, "sich an veränderte Lagen schnell anzupassen". Nach dem Schuldenurteil, das die Handlungsfreiheiten der Koalition massiv einschränkte, hätte der Koalitionsvertrag neu verhandelt werden müssen, heißt es weiter. Das Ende der Ampelkoalition habe schließlich zu einem "massiven Vertrauensschaden" geführt.
Hart geht die Analyse auch mit dem öffentlichen Auftreten der Partei ins Gericht: von "werblich-weichgespülter" Sprache ist die Rede und von Politikern, die als "elitäre Experten" wahrgenommen würden, "die Interessen anderer vertreten". Schluss sein müsse mit dem "taktischen Lavieren", heißt es in dem Papier weiter. Man müsse den Menschen zuhören und selbst als normale Menschen wahrgenommen werden. Zudem solle die Partei nicht mehr auf einzelne Personen zugeschnitten sein.
Gerade der letzte Satz ist eine klare Abrechnung mit der Ära Lindner. Dieser hatte den Vorsitz der Freien Demokraten nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag 2013 übernommen und einen Neuaufbau angestoßen, zu dem etwa auch ein neues Logo gehörte. 2017 gelang der FDP unter ihm der Wiedereinzug in den Bundestag, eine Regierungsbeteiligung scheiterte jedoch in den Sondierungen. Die Ampel-Koalition, der die FDP dann nach der Wahl von 2021 angehörte, zerbrach im November 2024.
Mitgliederbefragung - und neues Grundsatzprogramm
Bei der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar flogen die Liberalen anschließend mit dem schlechtesten Ergebnis überhaupt aus dem Bundestag. "Wähler sehen keine Verbindung zwischen ihren Problemen und dem FDP-Angebot", heiß es dazu im Papier. Zudem habe die "programmatische Differenzierung" zur Union gefehlt.
Nach dem Wahl-Debakel erklärte Lindner seinen Rücktritt. Neuer Parteichef wurde der bisherige Fraktionschef Christian Dürr. Mittlerweile beginnt die Arbeit an einem neuen Grundsatzprogramm, die durch die Befragung von Mitgliedern, aber auch von interessierten Bürgern angestoßen wird.
"In Zeiten des Wandels wollen wir Freie Demokraten auch Politik neu denken - offener, digitaler und näher am Alltag der Menschen", sagte dazu Generalsekretärin Nicole Büttner. "Bei der Erneuerung unserer Partei und der Erarbeitung unseres neuen Grundsatzprogramms beginnen wir deshalb mit dem Zuhören." Die Menschen müssten wieder das Gefühl haben, "dass Politik sie ernst nimmt und konkrete Lösungen für ihre alltäglichen Herausforderungen findet".
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