Hilfsorganisationen zufolge leidet inzwischen ein großer Teil der Bevölkerung im Gazastreifen Hunger. Israel weist jede Verantwortung von sich, ermöglicht mit Feuerpausen und sicheren Routen allerdings erstmals seit Monaten wieder Lieferungen in großem Stil.

Nach einer monatelangen faktischen Blockade durch Israel haben erstmals wieder größere Hilfslieferungen den Gazastreifen erreicht. Am Sonntag fuhr eine Kolonne von rund 100 Lastwagen mit Gütern für die notleidende Bevölkerung über den israelischen Grenzübergang Kerem Schalom in das großflächig zerstörte Küstengebiet, wie Quellen dort bestätigten.

Die Waren -Lebensmittel, Medikamente, Baby-Nahrung - werden dringend benötigt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnte zuletzt vor einer tödlichen Hungerkrise unter den rund zwei Millionen Bewohnern des Gazastreifens. Fotos aus dem abgeriegelten Gebiet, in dem Israel Krieg gegen die islamistische Hamas führt, zeigten Kleinkinder in den Krankenhäusern, die nur noch Haut und Knochen waren.

Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums starben bereits mehr als 100 Menschen an Unterernährung, 80 Prozent von ihnen Kinder. Israel bestreitet, dass es im Gazastreifen eine Hungerkatastrophe gebe und spricht stattdessen von einer "Kampagne" der Hamas.

Den UN-Organisationen warf Israel zuletzt immer wieder vor, die Hilfe im Gazastreifen nicht verteilen zu wollen. Diese konterten, dass Israel keine sicheren Transportwege innerhalb des umkämpften Gebiets garantieren wollte. Tatsächlich gelangte seit Ende März, als Israel eine damalige Waffenruhe beendete, nur sehr wenig Hilfe zu den Menschen im Gazastreifen.

Humanitäre Feuerpausen von 10 bis 20 Uhr

Die weltweite Kritik an ihrer Vorgangsweise in dem Palästinensergebiet hat die israelische Führung nun offensichtlich zu einer Kehrtwende bewogen. Überraschend kündigte das Militär in der Nacht zum Sonntag an, bis auf Widerruf jeden Tag von 10 bis 20 Uhr Ortszeit eine selbst erklärte humanitäre Feuerpause in Teilen des Gazastreifens einzuhalten.

Die Pause gelte in den Gebieten, in denen die Armee nicht operiere: Al-Mawasi im Südwesten des abgeriegelten Küstenstreifens, in Deir al-Balah im Zentrum sowie in der Stadt Gaza im Norden. Ferner würden von 6 bis 23 Uhr Ortszeit Korridore eingerichtet, um die sichere Durchfahrt von Konvois der UN- und anderer Hilfsorganisationen zu ermöglichen, teilte die Armee weiter mit.

Auch eine Entsalzungsanlage zur Aufbereitung von Trinkwasser im Gazastreifen sei nun wieder an das israelische Stromnetz angeschlossen worden, teilte die Armee mit. Die eingeleiteten Maßnahmen zielten darauf ab, "die falsche Behauptung zu widerlegen, dass der Gazastreifen absichtlich ausgehungert wird".

Israels Luftwaffe wirft erstmals Hilfsgüter ab

Der UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher begrüßte die Ankündigung des israelischen Militärs. "Mit unseren Teams vor Ort werden wir alles tun, was wir können, um in diesem Zeitfenster so viele hungrige Menschen wie möglich zu erreichen", schrieb er auf X.

In der Nacht zum Sonntag warf die israelische Luftwaffe erstmals Hilfsgüter aus der Luft über dem Gazastreifen ab. Es seien zunächst sieben Paletten mit Hilfsgütern wie Mehl, Zucker und Lebensmittelkonserven abgeworfen worden, die von internationalen Organisationen bereitgestellt worden seien, teilte das Militär mit. Im Laufe des Sonntags sei diese Methode fortgesetzt worden. Insgesamt seien somit - auch in Kooperation mit Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten - 28 Paletten aus der Luft abgeworfen worden.

Bereits im vergangenen Jahr hatten Jordanien, Deutschland und andere Länder einige Wochen lang Hilfsgüter abgeworfen. Helfer halten die Methode jedoch wegen der relativ geringen Mengen für ineffektiv und teuer, etwa im Vergleich zu Lastwagentransporten. Außerdem könnten Menschen am Boden durch die Paletten verletzt werden.

Weitere Angriffe mit Dutzenden Toten

Trotz humanitärer Feuerpause in Teilen des Gazastreifens griff Israel dort weiterhin an. Bei Deir al-Balah sollen auch Zelte mit Vertriebenen getroffen worden sein, wie Mitarbeiter der Rettungskräfte berichteten. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde kamen seit dem Morgengrauen mindestens 53 Palästinenser ums Leben. Die unabhängig nicht überprüfbare Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.

Allein 32 Menschen sollen beim Warten auf humanitäre Hilfe getötet worden sein. Vor allem im Umfeld der Verteilzentren der von Israel und den USA unterstützten Gaza Humanitarian Foundation kommt es immer wieder zu tödlichen Zwischenfällen.

Seit Verhängung der faktischen Blockade ließ Israel den Großteil der wenigen Güter, die in den Gazastreifen kamen, durch die GHF verteilen. Dort kam es bei der - von Experten als unsachgemäß kritisierten - Ausgabe der Lebensmittelpakete häufig zu chaotischen Szenen. Israelische Soldaten, die das Umfeld sichern sollten, schossen immer wieder in die Menge der Hilfesuchenden. Nach UN-Angaben sollen auf diese Weise rund 900 Menschen ums Leben gekommen sein.

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