Frankreich will im September einen Staat Palästina anerkennen. Keine gute Idee, meint Armin Laschet. Einem Frieden in Nahost komme eine solche "Symbolpolitik" jedenfalls nicht näher, sagt er im Gespräch mit ntv.
ntv: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat angekündigt, im September Palästina als Staat anerkennen zu wollen. Damit will er den Friedensprozess im Nahen Osten vorantreiben. Ist das der richtige Weg?
Armin Laschet: Nein. Form und Zeitpunkt sind der falsche Weg.
Warum?
Es wäre gut, wenn die Europäische Union mit einer Stimme spricht. Frankreich macht hier einen Alleingang, geht in eine Reihe mit Spanien und Irland. Damit wird Europa wieder nicht geschlossen wahrgenommen. Macron schwächt die gemeinsame europäische Außenpolitik. Das ist meine erste Kritik an diesem einseitigen Vorgang.
Welche Kritikpunkte gibt es noch?
Nun, der zweite ist: Gestern hat die Hamas die Gespräche über die Geiseln und über einen Waffenstillstand in Gaza abgebrochen. Die US-amerikanische Delegation ist daraufhin abgereist. Ausgerechnet an einem solchen Tag eine Art "Belohnung", wie eine Anerkennung Palästinas gedeutet werden wird, auszusprechen, erschließt sich mir nicht. Macron hat angekündigt, er will bei der UN-Vollversammlung im September diese Anerkennung öffentlich erklären. Dann hätte man doch jetzt dies noch als Druckmittel nutzen können, damit die Hamas endlich einem Waffenstillstand und einer Entwaffnung zustimmt.
Was bezweckt Macron denn?
Macron hat mit der in Aussicht gestellten Anerkennung ein Signal gegenüber Mahmud Abbas geschickt, dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde beziehungsweise des von vielen westlichen Ländern ja nicht anerkannten Staates Palästina. Macron hat ja auch einen Brief an Abbas geschrieben.
Abbas und die Hamas sind aber keine Freunde…
Das ist richtig. Abbas ist der Erzfeind der Hamas. Das sind zwei völlig unterschiedliche Akteure im Nahost-Konflikt. Dennoch: Die, die sich jetzt gestärkt fühlen, sind die Hamas-Leute. Die sagen: "Seht mal, wir kriegen einen palästinensischen Staat, ohne dass wir die Waffen niederlegen, ohne dass wir einen Waffenstillstand eingehen." So hat die Hamas Frankreich schon gelobt für diesen Schritt.
Also bringt der Schritt für die Menschen in Gaza absehbar nichts?
Ich glaube, im Hinblick auf den Krieg in Gaza wird es leider für die leidende Bevölkerung überhaupt keine Auswirkungen haben. Die Dinge verhärten sich nur.
Für Deutschland kommt eine Anerkennung eines Staates Palästina nicht infrage?
Deutschland hält an der Zweistaatenlösung fest. Dazu ist allerdings Voraussetzung: Was soll das denn für ein Staat sein? Soll das ein autoritärer, von Muslimbruderschaft oder Hamas beherrschter Staat sein? Ein Staat, in dem keine Bürgerrechte, keine Frauenrechte, keine Rechte für Menschen unterschiedlicher Herkunft gelten? Oder soll das ein Staat sein, der eine friedliche, eine demokratische Struktur hat und der zur regionalen Kooperation und zum Frieden mit Israel bereit ist.
Mutmaßlich letzteres. Aber dann wohl nur ohne die Hamas.
Die Hamas ist eine der übelsten Terrorgruppen, die wir in der Welt kennen. Wenn unter deren Kontrolle ein Staat entstehen würde, dann weiß ich nicht, wo da der Gewinn liegen soll. Ich würde eher darauf setzen, dass Israel einen Schritt auf die Palästinenser zumacht, dass wir zu einer palästinensischen Administration kommen und dass sich daraus ein Staat nach freien Wahlen entwickelt, der nicht mehr zu Terrorismus fähig ist.
Was muss Israel aktuell machen, damit die von Ihnen skizzierte Verhärtung durchbrochen wird?
Also die humanitäre Hilfe hätte von Israel viel früher ins Land gelassen werden müssen. Das wäre eine Voraussetzung gewesen, dass es gar nicht zu dieser Lage gekommen wäre. Dazu hätte aber die Hamas vorher nicht dauernd die Lebensmittel beschlagnahmen dürfen, auf dem Schwarzmarkt verkaufen, die eigene Bevölkerung quasi damit unterdrücken dürfen. Dann höre ich vom amerikanischen Botschafter, dass an der Grenze zu Gaza tausende Lkw mit Hilfsgütern stehen, die die Vereinten Nationen nicht ins Land lassen wollen, weil sie darüber streiten, ob eine private Organisation die Hilfe vertreibt oder nicht. Es ist leider alles sehr verfahren derzeit. Fest steht: Es geht nur mit dem guten Willen aller Beteiligten. Und dazu muss auch Israel jetzt mehr tun, damit wirklich die humanitäre Katastrophe beendet wird.
Sehen Sie da einen realistischen Weg?
Der Weg ist auf jeden Fall jetzt verbaut. Ich glaube, diese Initiative Frankreichs wird ins Leere laufen, weil Frankreich das ja gar nicht unterlegen kann, was es mit diesem Schritt tut. Denn damit ist der Krieg noch nicht beendet. Ohne die USA wird das auch nicht gelingen. Frankreich hat jetzt auch euro-atlantische gemeinsame Ansätze zerstört.
Was wäre Ihr Vorschlag?
Ich werbe für eine größere Nahostfriedenslösung unter Einbeziehung der arabischen Länder, die Israel anerkannt haben. Und nicht für solche Symbolakte.
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