Julia Klöckner sieht sich als Präsidentin des gesamten Parlaments: Allerdings muss sie schon schon von vielen Seiten Kritik einstecken. Gefällt doch ihr strenger Führungsstil nicht allen.

Am Wochenende ist wieder Christopher Street Day in Berlin, doch auf dem Bundestag wird diesmal keine Regenbogenfahne hängen. So hat es Bundestagspräsidentin Julia Klöckner entschieden, die seit genau vier Monaten das zweithöchste Staatsamt ausführt. Seit ihrem Antritt pocht sie auf Neutralität und faire Debatten, das Parlament führt sie mit kühler Strenge. Dabei eckt sie durchaus an.

Die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin hatte schon einige Namen: Weinkönigin, Merkel-Vertraute, CDU-Nachwuchshoffnung. Ende März trat sie dann an, um erklärtermaßen ein von Anstand geprägtes Parlament zu leiten. Sie werde "darauf achten, dass wir ein zivilisiertes Miteinander pflegen", versprach Klöckner in ihrer Antrittsrede. Streiten sei in Ordnung, aber mit Stil und Respekt. Sie sehe sich als "Präsidentin des gesamten Hohen Hauses". Es gelte aber, Regeln einzuhalten. Und diese fordert die Rheinland-Pfälzerin immer wieder entschlossen ein.

Kritik an der Bundestagspräsidentin

Hohe Wellen schlug ihre Entscheidung gegen die Regenbogenflagge auf dem Bundestag zum diesjährigen CSD. "Es muss gute Gründe geben, warum man die Deutschlandfahne runterholt und durch eine andere Fahne ersetzt", sagte sie in einem Interview. Die schwarz-rot-goldene Fahne "ist kaum zu toppen". Wut und Kritik folgten prompt, Linke und Grüne erschienen demonstrativ in bunten Kleidern im Parlament, die Berliner Verkehrsbetriebe verpassten ihrer U-Bahn-Station am Bundestag bunte Farben.

Auf Unverständnis stieß die studierte Theologin auch im Frühjahr, als sie den Kirchen politische Zurückhaltung auftrug und ihnen riet, sich auf ihre seelsorgerischen Aufgaben zu konzentrieren. Andernfalls drohten sie "beliebig" und eine "weitere NGO" zu werden. Von der Opposition kam Kritik, die Union zeigte sich irritiert, der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner sprach von "obrigkeitsstaatlicher Zurechtweisung".

Provokationen von links und rechts

Zurechtweisungen gehören grundsätzlich zum Wesen des Bundestagspräsidiums - vor allem, seit mit dem Einzug der AfD auch ein ruppiger Ton in die Debatten kam. In der vergangenen Legislaturperiode gingen allein 85 der 136 Ordnungsrufe an die AfD, hinzu kamen 13 Ordnungsrufe an fraktionslose beziehungsweise ehemalige AfD-Mitglieder. In der neuen Wahlperiode gab es bereits 13 Ordnungsrufe: zwölf für die AfD, einen für die Linke, dreimal von Klöckner ausgesprochen.

Gleich zwei Linken-Abgeordnete mussten kürzlich den Plenarsaal verlassen: Marcel Bauer, weil er seine Baskenmütze nicht absetzen wollte und damit gegen die "Gepflogenheiten des Hauses" verstoßen habe. Und Cansin Köktürk, weil sie ein T-Shirt mit der Aufschrift "Palestine" trug. Auch Anstecknadeln mit politischen Symbolen möchte Klöckner im Plenum nicht sehen.

Lange Karriere in der Politik

Die 1972 in Bad Kreuznach geborene Politikerin blickt auf eine lange Karriere in der Landespolitik und im Bund zurück. Aufgewachsen im elterlichen Weingut in Guldental an der Nahe studierte sie in Mainz Politikwissenschaften, katholische Theologie und Pädagogik und trat in jungen Jahren in die CDU ein. Bevor sie mit 29 Jahren in den Bundestag einzog, sammelte sie journalistische Erfahrungen, etwa als Chefredakteurin des Weinfachblatts "Sommelier-Magazin".

Dem Bundestag gehörte sie erstmals von 2002 und 2011 an. Anschließend kehrte sie in die rheinland-pfälzische Landespolitik zurück, wo sie ihr großes Ziel, Ministerpräsidentin zu werden, aber verfehlte. Zweimal unterlag sie der SPD bei Landtagswahlen.

Die einstige deutsche Weinkönigin gibt sich nahbar, gilt als heimatverbunden. Mit Privatem macht sie eher selten Schlagzeilen. Lange war Klöckner mit dem Medienmanager Helmut Ortner liiert, 2019 heiratete sie Ralph Grieser, Inhaber eines Oldtimerzentrums im Rheinland. Im Jahr 2023 folgte die Trennung.

Politischer Werdegang

Ihren Beruf als Politikerin begründete sie einst damit, dass sie Menschen möge. Sie setzt auf ihre Herkunft, Landleben und Landwirtschaft hätten sie geprägt. Unter Kanzlerin Angela Merkel wurde sie 2018 Bundeslandwirtschaftsministerin. In ihre Amtsbilanz fällt etwa das Tötungsverbot männlicher Küken, die Einführung der Nährwertampel Nutri-Score und eine nationale Reduktionsstrategie für Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten. Laut war dabei die Kritik an Klöckners Nähe zu dem umstrittenen Lebensmittelkonzern Nestlé.

2021 kehrte Klöckner in den Bundestag zurück. Als Präsidentin dieses Hohen Hauses steht sie für "klare Prinzipien, die Fairness und Klarheit garantieren", wie sie erst kürzlich in einem Brief an Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic betonte: "Die Debatte wird im Plenum über das Wort geführt und ausschließlich über das Wort."

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke