Brüssel droht Washington im Zollstreit mit dem Einsatz einer "Handels-Bazooka", die US-Unternehmen hart treffen würde. Auch Deutschland schreckt wohl vor der Anwendung nicht mehr zurück. Berlin bastelt mit anderen EU-Regierungen an einem Plan, der Trump zum Einlenken bewegen soll.
Friedrich Merz verliert die Geduld. Über Wochen hat der Kanzler in der EU dafür geworben, bloß keine Eskalationsspirale im Zollstreit mit den USA in Gang zu setzen. Dahinter steckt die Angst, das exportabhängige Deutschland werde von einem Zollkrieg mit seinem wichtigsten Handelspartner besonders hart getroffen. Jetzt vollzieht Merz eine Kehrtwende.
Deutschland wirbt in Brüssel inzwischen an der Seite Frankreichs dafür, im Handelskonflikt eine härtere Gangart gegenüber US-Präsident Donald Trump einzuschlagen. Für den Fall eines Scheiterns der Gespräche mit Washington baut die EU momentan eine massive Drohkulisse mit zwei Eskalationsstufen auf. Sie will Trump mit Härte zum Einlenken bewegen.
Trumps Ultimatum für eine Einigung läuft am 1. August ab. Dann könnten pauschale Zölle von 30 Prozent auf europäische Exporte in die USA fällig werden. Die Verhandlungen laufen noch auf Hochtouren. Und die Europäische Kommission zeigte sich zuversichtlich, den Handelsstreit beilegen zu können. "Was eine Einigung oder ein Ergebnis betrifft, so glauben wir, dass ein solches Ergebnis in greifbarer Nähe ist", sagte ein Kommissionssprecher am Donnerstag in Brüssel. Die Verhandler setzten alles daran, den Bürgern der EU ein Ergebnis präsentieren zu können.
Über Zollsatz für Autos wird noch verhandelt
Auch aus Diplomatenkreisen heißt es, in den Verhandlungen seien Fortschritte erkennbar. Als Vorbild für einen Abschluss könnte das Abkommen der USA mit Japan dienen. Tokio und Washington einigten sich auf einen Basiszoll von 15 Prozent auf Einfuhren in die USA. Ein solches Abkommen würden wohl auch die Europäer akzeptieren, obwohl es asymmetrisch zu ihrem Nachteil ausgelegt ist. "Zu einem symmetrischen Zollabkommen sind die Amerikaner ganz offensichtlich nicht bereit", sagte Merz am Montag. Zuvor hatte der Kanzler angemerkt, Trump brauche offensichtlich Einnahmen aus den Zöllen, um seine Steuersenkungen zu finanzieren.
Doch viele Fragen in den laufenden Verhandlungen sind offen – etwa, ob der 15-prozentige Basiszoll dann auch für den Import von Autos und Autoteilen gilt, der von den USA zurzeit noch mit 25 Prozent belegt wird. Zudem ist die Abgabe von 50 Prozent auf europäischen Stahl und Aluminium beim Import in die USA noch Teil der Verhandlungsmasse. Und: Der erratische US-Präsident muss den Deal am Ende abnicken. Ob Trump ihn doch noch vom Tisch wischt, weiß niemand.
In der Nacht hatte Trump die Senkung der Zölle auf europäische Produkte in Aussicht gestellt - wenn die EU ihren Markt stärker für die USA öffne. Trump sagte auf einem KI-Event über die noch laufenden Verhandlungen: "Wenn sie zustimmen, die Union für amerikanische Unternehmen zu öffnen, dann werden wir einen niedrigeren Zoll erheben." Es wäre nicht das erste Mal, dass Trump die Verhandlungen durch neue Forderungen gefährdet. Für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen wappnet sich die EU, die bislang alle angedrohten Vergeltungsmaßnahmen auf Eis gelegt hatte.
Einsatz der "Handels-Bazooka" gegen US-Tech-Milliardäre gefordert
Die erste Eskalationsstufe sollen Gegenzölle bilden. Dafür holten die Europäer eine bereits erstellte Liste mit US-Produkten, für die Abgaben fällig werden sollen, aus der Schublade. Sie beinhaltet Zölle auf US-Einfuhren im Wert von 21 Milliarden Euro. Erweitert wird sie mit einer anderen Liste, die Importe im Wert von rund 72 Milliarden Euro betrifft. Damit droht Brüssel seinem Verhandlungspartner auf der anderen Seite des Atlantiks mit Zöllen in Höhe von 93 Milliarden Euro. Verhängt werden sollen sie gegebenenfalls ab dem 7. August.
Die zweite Eskalationsstufe umfasst wesentlich härtere Maßnahmen. Die Europäer könnten dafür ein Instrument nutzen, das in Brüssel "Handels-Bazooka" genannt wird - die Schlagkraft ist enorm, die Folgen sind unabsehbar. Auch die Bundesregierung will den Einsatz dieser weitreichenden Waffe im Handelskrieg laut Medienberichten nicht mehr ausschließen. Durch den Gebrauch des "Instruments zur Bekämpfung von Zwangsmaßnahmen" könnte die EU veranlassen, US-Unternehmen von öffentlichen Aufträgen auszuschließen oder Patentrechte einzuschränken.
In Brüssel drängen viele EU-Abgeordnete und einige Mitgliedstaaten darauf, die Handels-Bazooka insbesondere gegen die Internetriesen von Tech-Milliardären in Trumps Umfeld einzusetzen. Zur Anwendung kommen kann es nach Angaben der Kommission, falls ein Staat auf die EU "wirtschaftlichen Zwang" ausübt und damit droht, "die Europäische Union oder einen Mitgliedstaat zu einer bestimmten Entscheidung zu bewegen". Das könnte mit Blick auf Trumps Zollpolitik und seine Drohungen sicherlich der Fall sein – entscheiden muss das die Kommission.
Stellt die EU die Ausübung von Zwang fest, wird sie zunächst noch einmal das Gespräch mit Washington suchen. Scheitern auch diese Verhandlungen, kann der Rat der europäischen Staats- und Regierungschefs mit qualifizierter Mehrheit entscheiden, ob das Anti-Zwangs-Instrument eingesetzt wird. Trumps Verbündete innerhalb der EU, etwa der Ungar Viktor Orban, könnten die Maßnahme also nicht verhindern.
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