Seit sieben Jahren repariert Russland seinen einzigen Flugzeugträger. Jetzt zieht Moskau offenbar die Reißleine: Die weiteren Restaurationsarbeiten sind Medienberichten zufolge ausgesetzt. Der Kreml erwägt die Verschrottung der "Admiral Kusnezow".
Anfang der 1980er Jahre wird in Mykolajiw ein großer Flugzeugträger für die sowjetische Marine gebaut. In der heute ukrainischen Stadt am Schwarzen Meer entsteht ein über 300 Meter langer, schwimmender Fliegerhorst, mit Platz für Dutzende Kampfjets und Hubschrauber. Im Dezember 1985 wird das riesengroße Schiff vom Stapel gelassen, fünf Jahre später bekommt es seinen heutigen Namen: "Admiral Kusnezow".
1991 wird der Flugzeugträger kurz nach der ukrainischen Unabhängigkeit von den Russen nach Murmansk ans Nordpolarmeer überführt. Anschließend verrichtet er seinen Dienst bis Ende 2017 in der russischen Marine. Jetzt droht der Schrottplatz.
"Schiff der Schande"
Seinen einzigen Kampfeinsatz absolviert der Träger im Syrien-Krieg. Ende 2016 fliegen russische Kampfjets von der "Admiral Kusnezow" aus Angriffe auf Bodenziele in Syrien. Der damalige britische Verteidigungsminister Michael Fallon tauft den Flugzeugträger anschließend als "Schiff der Schande": Der Kriegseinsatz habe "das Leid des syrischen Volkes vergrößert".
Auch im russischen Militär gerät der Flugzeugträger während des Syrien-Einsatzes in Verruf: Das Antriebssystem ist unzuverlässig, die "Admiral Kusnezow" muss deshalb dauerhaft von einem Schlepper begleitet werden. Zwei Kampfjets stürzen ins Meer. Das russische Militär verlegt das Luftgeschwader daraufhin aus Sicherheitsgründen auf einen Flugplatz an Land.
"Kettenrauchender Flugzeugträger"
Im Internet ist die Kusnezow keine Schande, sondern vor allem eine Lachnummer. Sie wird aufgrund dunkler Abgase und Rauchwolken als "kettenrauchender Flugzeugträger" verspottet. Der Dienst von Matrosen darauf wird mit einer Bestrafung gleichgesetzt. Heizung und Kühlung sollen beim Syrien-Einsatz regelmäßig ausgefallen sein - genauso die Toiletten.
2017 wird das Schiff schließlich zurück nach Russland beordert und eine große Reparatur angeordnet. Anfang 2018 beginnen die Restaurationsarbeiten. Doch diese stehen von Anfang an unter keinem guten Stern: Im Oktober 2018 kippt ein Kran auf den Flugzeugträger und schlägt ein großes Loch ins Deck. Im Dezember 2019 bricht an Bord ein Feuer aus, es gibt Tote und Verletzte. Drei Jahre später brennt es schon wieder, dieses Mal kommt niemand zu Schaden.
Siebeneinhalb Jahre nach Beginn sind die Arbeiten weiterhin nicht beendet. Laut der kremlnahen russischen Tageszeitung "Iswestija" wurden sie stattdessen auf unbestimmte Zeit eingestellt. Das könnte der Anfang vom Ende sein für die "Admiral Kusnezow" - und damit für das gesamte sowjetische Erbe der russischen Flugzeugträgerflotte.
Die rund 1500 Mann starke Besatzung der "Admiral Kusnezow" hat offenbar längst eine andere Beschäftigung gefunden: Das russische Militär soll sie letztes Jahr an die Front in die Ukraine geschickt haben.
Verschrottung ist "realistischstes Szenario"
Die "Admiral Kusnezow" ist der letzte Flugzeugträger in Diensten der russischen Marine. Das Schiff hat für das Militär demzufolge eine große Bedeutung. Doch auch auf oberster Ebene hat man offenbar Zweifel, ob es sinnvoll ist, weitere Abermillionen in die Reparatur zu stecken.
Laut dem Experten Ilja Kramnik wird in Militärkreisen bereits über die Verschrottung nachgedacht. Weitere Reparaturarbeiten seien nicht sinnvoll und einen Käufer werde man für den veralteten Träger nicht mehr finden, wird Kramnik im russischen Exilmedium Holod zitiert. Der Militärexperte hält die Verschrottung für "das realistischste Szenario". Ihm zufolge sollte man die "Erfahrungen aus der Nutzung des Schiffs zum Bau eines neuen Flugzeugträgers nutzen".
Noch ist demnach nicht entschieden, ob der Flugzeugträger eine letzte Chance bekommt. Laut der Zeitung "Iswestija" wird aber eine baldige Entscheidung vom Verteidigungsministerium und der Vereinigten Schiffsbaukorporation erwartet.
Braucht Russland noch einen Flugzeugträger?
Die Frage dürfte auch ein Signal für die künftige Grundausrichtung der russischen Marine sein. In den Führungszirkeln gibt es laut Bericht seit geraumer Zeit einen Streit über die Frage, ob Russland überhaupt Flugzeugträger braucht oder nicht.
Kritiker argumentieren, Kosten und Nutzen stünden in keinem guten Verhältnis. Einen neuen Flugzeugträger zu bauen, ist aufwendig und teuer. Je nach Ausstattung kostet ein moderner Träger umgerechnet zwischen zwei und elf Milliarden Euro - selbst für das voll auf Kriegswirtschaft getrimmte Russland schwer zu stemmen. Zumal es Stimmen wie den ehemaligen Chef der russischen Pazifikflotte, Admiral Sergej Awakjanz, gibt: Moskau benötige auf See in Zukunft keine Flugzeugträger im klassischen Stil mehr, sagt er der "Iswestija".
Militäranalyst Kramnik ist anderer Meinung. Die russische Marine brauche einen Flugzeugträger, um auch weit entfernt von der Küste Unterstützung aus der Luft zu haben. "Die Tatsache, dass viele Länder, darunter Indien und China, derzeit eine Flugzeugträgerflotte aufbauen, deutet darauf hin, dass solche Schiffe benötigt werden", sagt er der "Iswestija". "Und wir haben Werften, die solche Schiffe bauen können."
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