28 Staaten und die EU-Kommission fordern Israel in einem Schreiben auf, sich an das humanitäre Völkerrecht zu halten. Deutschland ist nicht dabei - was von der SPD kritisiert wird. Der Regierungssprecher sieht keinen Streit. Und der israelische Botschafter schaltet sich in die Debatte ein.

Der israelische Botschafter Ron Prosor hat Forderungen aus der SPD nach einer deutschen Unterstützung des Appells von 28 Staaten und der EU-Kommission für ein Ende des Gaza-Kriegs kritisiert. "Die Hamas verfolgt auch die Diskussion in Deutschland sehr genau. Ausgerechnet jetzt eine deutsche Beteiligung an Initiativen gegen Israel wie das Statement der 28 Staaten zu fordern, ist unverantwortlich", sagte Prosor der Deutschen Presse-Agentur. "Damit wird der Hamas signalisiert, dass es sich lohnt, die Verhandlungen in die Länge zu ziehen. Das ist ein Verrat an den Geiseln und ein Bärendienst für die Bewohner des Gazastreifens."

Den Wortführern müsse klar sein, dass sie damit einen Waffenstillstand unwahrscheinlicher machten, erklärte Prosor weiter. "Israel wird weder bei der Freilassung der Geiseln noch bei der Sicherheit seiner Bürger Kompromisse eingehen. Diese Punkte sind nicht verhandelbar - auch Druck von außen ändert daran nichts."

Der internationale Appell war von Großbritannien initiiert und von rund 20 EU-Staaten und weiteren Ländern sowie der EU-Kommission unterzeichnet worden. Deutschland hat sich nicht angeschlossen. Kanzler Friedrich Merz begründete das damit, dass es bereits einen Beschluss des Europäischen Rats mit deckungsgleichem Inhalt gebe. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch forderte die Bundesregierung allerdings auf, sich dem Appell doch noch anzuschließen. Einzelne SPD-Außenpolitiker forderten zudem Sanktionen gegen Israel wie einen Rüstungsexportstopp.

SPD-Fraktion im Gespräch mit Wadephul

Nach Angaben von Regierungssprecher Stefan Kornelius ist sich das Bundeskabinett "hoch einig" in der Frage der israelischen Gaza-Politik. Im Kabinett habe man über die Lage in Nahost gesprochen, sagte er in Berlin. Am Dienstag hatte neben Miersch auch Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan von der SPD die Bundesregierung aufgefordert, sich dem Appell anzuschließen.

Entwicklungsministerin Radovan hätte es begrüßt, wenn die Bundesregierung sich dem angeschlossen hätte, sagte ihre Sprecherin nach der Kabinettssitzung am Mittwoch. "Aber in der grundsätzlichen Bewertung der Lage in Gaza ist die Bundesregierung sich einig", betonte sie zugleich.

"Niemand kann von uns verlangen, dass wir Israel im Stich lassen", sagte Außenminister Johann Wadephul der "Zeit". Er bekräftigte, dass "das perfide Spiel der Hamas nicht aufgehen" dürfe, die Geiseln und die Bevölkerung in Gaza weiter "als Faustpfand" zu nehmen. Deutschland könne in dem Konflikt kein "neutraler Mittler" sein, "weil wir parteiisch sind. Wir stehen an der Seite Israels."

SPD-Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese zufolge laufen zu dem Vorgang nun Gespräche zwischen Wadephul und der SPD-Fraktion. "Wir sind dazu jetzt mit Außenminister Wadephul im Gespräch, um zu erörtern, warum man sich der Erklärung nicht hätte anschließen können", sagte Wiese. Er bekräftigte, die Regierung hätte sich "sehr gut anschließen können".

Kritik auch aus der Opposition

Kritik an Deutschlands Zurückhaltung kam auch von Grünen und Linken. Diese sei "vollkommen unverständlich und ein fatales Zeichen", schrieb die Grünen-Chefin Franziska Brantner bei X. Damit isoliere sich Deutschland "von unseren Partnern". Die Linken-Abgeordnete Lea Reisner nannte die "Passivität Deutschlands" in der Sache "schlicht unerträglich". Die Bundesregierung müsse ihre Waffenlieferungen an Israel einstellen und Palästina als Staat anerkennen.

Kornelius verwies darauf, dass sich die Position der Bundesregierung und die Äußerungen von Kanzler Merz "in ihrer inhaltlichen Schärfe nicht von dem unterscheiden", was in dieser Erklärung steht, die unter anderem von Frankreich und Großbritannien unterzeichnet wurde. Das Thema werde sicher auch beim Treffen zwischen Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Abend in Berlin angesprochen. "Frankreich hat eine klare Position dazu, die wir in manchen Punkten nicht teilen", sagte Kornelius zur französischen Nahost-Politik.

Kanzleramtschef Thorsten Frei sagte im ZDF, dass der Bundesregierung die Abfolge der nötigen Schritte in dem Schreiben nicht klar genug gewesen sei. Für die Bundesregierung sei wichtig, "dass der Ausgangspunkt zunächst einmal die Attacke, der Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 ist, dass immer noch Geiseln in Haft und in der Gewalt der Hamas sind". Die Bundesregierung habe ihre Bedenken über die schlechte humanitäre Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung allerdings sowohl öffentlich als auch gegenüber der israelischen Regierung klargemacht.

Prosor sagte, ein dauerhafter Waffenstillstand sei in greifbarer Nähe, doch die Gespräche hätten einen kritischen Punkt erreicht. Die Hamas wolle ihre Machtbasis sichern und stelle dafür immer neue, unerfüllbare Forderungen. "Sie fühlt sich dazu ermutigt, weil sich das internationale Statement für einen Waffenstillstand effektiv einseitig gegen Israel richtet. Das ist in den aktuellen Verhandlungen eindeutig zu spüren."

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