Der eine war Vorsitzender der SPD, der andere Chef der Linksfraktion: Franz Müntefering und Gregor Gysi sprechen bei Lanz über die Vergangenheit und die Zukunft ihrer Parteien. Dass es mit den Sozialdemokraten bergab geht, hätten sie Gerhard Schröder zu verdanken, glaubt der Linken-Politiker.
Die letzte Talkshow-Woche vor der Sommerpause ist angebrochen. Markus Lanz hat sich am Dienstag zwei Elder Statesmen eingeladen. Franz Müntefering, 85 Jahre alt, war von 2002 bis 2005 SPD-Chef und danach zwei Jahre lang Vizekanzler unter Angela Merkel sowie Arbeits- und Sozialminister. Vorher war er kurz Verkehrs- und Bauminister in der ersten Regierung von SPD-Kanzler Gerhard Schröder. Gregor Gysi, 76, 1989 zum Vorsitzenden der SED in der DDR gewählt, versuchte die Partei auf einen neuen Kurs zu führen. Bis 1993 war er Vorsitzender der inzwischen in PDS umbenannten Partei. Viele Jahre war er Gruppen- und später Fraktionschef und zwei Jahre lang Oppositionsführer im Bundestag. Dieses Jahr eröffnete er diesen als Alterspräsident. Der "Ur-Linke" ist eine der Galionsfiguren seiner Partei. Beide Politiker schauen bei Lanz auf ihre Vergangenheit. Doch sie reden auch über ihre Zukunftsvisionen. "Die Welt wird an sehr vielen Stellen anders. Und das macht sich auch bemerkbar für die Politik." Das hat Franz Müntefering erkannt und akzeptiert.
Dass es mit seiner Partei gerade bergab geht, sieht Müntefering. Trotzdem glaubt er: Lars Klingbeil zum Co-Vorsitzenden zu wählen, sei eine gute Entscheidung gewesen. Am Wahlabend im Februar habe er Angst gehabt, dass sich dafür niemand finden würde, gibt er zu.
Das Bild der SPD habe sich seit Gerhard Schröder verändert, erkennt Gregor Gysi. Man habe sie lange Zeit nicht mehr als Alternative zur Union wahrgenommen. "Irgendwie muss man zur sozialen SPD, wie sie unter Willy Brandt war, aber auch bei der Gründung der SPD, wieder zurückkehren", sagt Gysi. "Im Vordergrund müssen die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stehen", fordert der Linken-Politiker. Deutschland müsse sich wehren gegen jene Kräfte, die versuchten, den demokratischen Sozialstaat abzubauen. "Wir stehen von außen unter Druck, weil der amerikanische Präsident Trump will, dass wir das abbauen. Aber wir stehen auch von innen unter Druck, denn die AfD will auch, dass wir das abbauen. Und die, die freie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bewahren wollen, sind nicht in der Lage, sich gemeinsam zu organisieren. Das ist mein Problem."
Müntefering für Wehrpflicht
Dazu könnte auch eine gemeinsame Verteidigung gehören. Deutschland müsse wehrfähig sein, sagt die Bundesregierung. Franz Müntefering sieht das genauso. Er sei 2011 gegen die Aussetzung der Wehrpflicht gewesen, erzählt er bei Lanz. Heute sei deren Wiedereinführung notwendig. Gysi sieht das anders. "Eine Pflicht darf ich nur einführen, wenn es auf einer anderen Ebene nicht geht. Im Augenblick können wir die Bundeswehr verteidigungsfähig machen ohne Wehrpflicht." Sollte es ohne eine Pflicht nicht gehen, wünscht sich Gysi ein soziales Jahr für Männer und Frauen. Jeder müsse sich dann für die Bundeswehr oder ein soziales Jahr entscheiden können.
Um so etwas durchzusetzen, braucht es in einer Parteiendemokratie wie Deutschland die Parteien. Und die haben ein Problem: Immer weniger Mitglieder. Bei SPD und CDU ist deren Zahl seit der Wiedervereinigung um etwa die Hälfte zurückgegangen. Anders bei der Linken. Die hat in diesem Jahr laut Gregor Gysi etwa 60.000 neue Mitglieder bekommen und sich dadurch extrem verjüngt. "Der Grund dafür ist die Haltung", sagt Gysi. Damit meint er das emotionale Aufbegehren von Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek gegen ein Gesetzesvorhaben des damaligen Oppositionsführers Friedrich Merz, das dieser gemeinsam mit der AfD beschließen wollte.
Die Linke habe nun viel vor sich, so Gysi. Denn sie will die neuen Mitglieder halten. Ob ihr das in allen Fällen gelingt - Gysi ist skeptisch. Er weiß: Die Parteien müssen jünger, verkrustete Strukturen durchbrochen werden. So treffe man sich heute zu Parteiversammlungen auf Ortsebene nicht mehr in einem Saal, sondern am Computer. Das ist ein Punkt, wo sich die Linke modernisieren müsse. Daran würden die beiden Parteivorsitzenden jetzt arbeiten.
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