Israel versucht, den Gazastreifen auszuradieren und sagt das sogar selbst. Dem Protest von 29 Staaten muss Deutschland sich anschließen. Worauf wartet Bundeskanzler Merz denn noch?
Ja, den ersten Genozidversuch in der jüngeren Geschichte des Nahost-Konflikts beging die Hamas am 7. Oktober 2023. Die Terroristen folterten, schändeten, verstümmelten, töteten jeden Israeli, dessen sie habhaft werden konnten. Wären sie nicht gestoppt worden - es würde Israel nicht mehr geben.
Und ja, die Israelis hatten das Recht, sich gegen diesen unsäglich brutalen, blinden, hasserfüllten Angriff der Hamas zur Wehr zu setzen. Militärisch. Und auch, wenn das im Gazastreifen unschuldige Menschenleben kosten würde. Das Völkerrecht erlaubt es einem Staat, sich zu verteidigen und zur Erreichung legitimer militärischer Ziele auch zivile Opfer in Kauf zu nehmen - wenn unvermeidbar und im Verhältnis stehend zur Bedeutung der Militäraktion.
Doch bald jährt sich das Massaker vom 7. Oktober zum zweiten Mal, und was die Israeli Defence Forces (IDF) im Gazastreifen anrichten, wie Israel dort wütet, hat mit Verteidigung schon sehr lange nichts mehr zu tun.
Ihre aktuellen Ziele spricht die israelische Regierung offen aus. Verteidigungsminister Israel Katz etwa erklärte kürzlich, man werde ein Lager im Süden des Gazastreifens errichten, in dem Palästinenser nicht angegriffen würden. Wer das Lager betritt, wird dort gefangen sein. Es soll keinen Weg zurück geben in andere Gebiete. Nur wer einwilligt, Gaza, die eigene Heimat, ganz zu verlassen, kommt da wieder raus.
Was Katz eine "Humanitäre Stadt" nennt, ist tatsächlich ein Abschiebegefängnis zum Zweck der Vertreibung aus dem eigenen Land.
Israel vertreibt die Menschen durch Gewalt und Hunger
Die israelische Regierung sagt es, die israelische Armee tut es. Sie meldet zwar, die Hamas-Strukturen erfolgreich zerstört, die Führungsriege getötet zu haben, erklärt jedoch zugleich 85 Prozent des Gazastreifens zu Evakuierungsgebiet. Dort müssen Zivilisten ständig mit Angriffen rechnen - als wäre der Gegner inzwischen weit größer und besser vernetzt über ganz Gaza als zu Beginn des Krieges, vor 20 Monaten. Nur in Richtung Süden, wo auch das Lager stehen soll, wird man vor israelischen Bomben sicher sein, so heißt es.
Israel vertreibt die Palästinenserinnen und Palästinenser aus fast allen Gebieten ihres Landes - durch Gewalt und durch Hunger. Monatelang blockierten die IDF jegliche Hilfe zum Überleben - weil die Hamas sich mancher Nahrungsmittel bemächtige, so die Begründung. Ein solches Hamas-Vorgehen ist sehr wahrscheinlich. Doch deshalb zwei Millionen Menschen hungern zu lassen, ist eine völlig absurde Konsequenz. Die hochgerüsteten, technisch bestens ausgestatteten, schlauen und geschickten IDF können nicht garantieren, dass Hilfskonvois die Leidenden in Gaza erreichen? Eine fadenscheinige, hergeholte, lächerliche Begründung.
Statt der ehemals 400 Verteilzentren internationaler Hilfsorganisationen "hilft" Israel nun selbst mit vier Verteilzentren für Nahrung, mit einer Ausgabestelle für 500.000 Hungernde. Und täglich tut Israel von Neuem ganz überrascht, wenn es im Umfeld der Verteilstellen zu Chaos und Gewalt kommt. 1000 Tote im Umfeld dieser Verteilzentren melden die Vereinten Nationen inzwischen, viele davon Opfer israelischer Soldaten, die aus Sorge vor Tumulten in die Menge schießen. Doch wer auf solche Weise Hilfe verteilt, der kalkuliert den Tumult fest mit ein.
"Nicht mehr akzeptabel" nennt Bundeskanzler Friedrich Merz das, was in Gaza derzeit passiert. Lässt seinen Worten aber keine Taten folgen. Akzeptieren heißt, geschehen lassen. Genau das tut die Bundesregierung, wenn sie nicht vehementer protestiert und Konsequenzen androht.
Was tut Deutschland?
29 Staaten gehen jetzt einen anderen Weg. Sie haben am Montag ein gemeinsames Statement veröffentlicht, verurteilen darin die Tötung von Hungernden, nennen die "humanitäre Stadt" einen Plan zur Zwangsumsiedlung, fordern Zugang für Internationale Hilfe und ein Ende des Krieges. Frankreich, Italien, Japan, Kanada, die Benelux- und die Baltenstaaten, Norwegen, auch Neuseeland sind dabei. Allesamt mit der Bundesrepublik eng befreundete Demokratien. Und was tut Deutschland?
Schafft es nicht. Schafft es nicht, ein Papier mit Mindestanforderungen an Menschlichkeit mitzutragen. Eines, das ein Vorgehen verurteilt, das unter Völkerrechtlern als möglicher Genozid diskutiert wird. Eines, das auch die Hamas zur bedingungslosen Freilassung der Geiseln auffordert. Mithin - ein Papier, das alles richtig macht. Es nicht mitzutragen, ist keine politische Strategie, sondern schlicht feige.
Nun kann man sagen, hilft sowieso nichts, so ein Papier. Premier Benjamin Netanjahu lässt das völlig kalt. Und das stimmt auch. Aber trotzdem ist das Statement wichtig. Es kann zum einen der arabischen Welt signalisieren, dass eben nicht mit zweierlei Maß gemessen wird, dass Israel sich nicht am Ende alles erlauben kann. Zum anderen können dem Protest Maßnahmen folgen - etwa gezielte Sanktionen der Europäischen Union. Man kann Israel den Zugang zu 95 Milliarden Dollar schweren EU-Forschungsmitteln verwehren. Und man kann mit der gemeinsamen Position von 29 Nationen auf die Haltung der US-Regierung einwirken. Wenn Donald Trump Druck macht, lässt das Netanjahu garantiert nicht kalt.
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