Während US-Präsident Trump eine neue Linie im Ukraine-Krieg ausruft, ist auch Bundesverteidigungsminister Pistorius in Washington. Dessen Besuch beim Amtskollegen Hegseth verläuft erfreulich - weil die Bundesregierung als selbstbewusster Kunde den Laden betritt.

Während Donald Trump seine "massiven Waffenlieferungen" an die Ukraine verkündet, muss der deutsche Verteidigungsminister im Flieger ausharren. Minutenlang steht die offizielle Begrüßungsdelegation vor dem A350 der Luftwaffe und wartet in der Sonne Washingtons auf Boris Pistorius. Der hohe Gast erlebt, was viele Normalbürger von der US-Einreise kennen: Die Kontrolle der Pässe der deutschen Delegation dauerte länger als geplant. Als Pistorius schließlich die Treppe hinunterschreitet, erklärt der US-Präsident gerade seine Pläne und setzt somit den Ton für den Antrittsbesuch des Sozialdemokraten bei US-Verteidigungsminister Pete Hegseth.

Das Ergebnis dieses Gesprächs verkündet Pistorius wenige Stunden später: Deutschland und die USA bereiten gemeinsam die Lieferung von zwei weiteren Patriot-Luftverteidigungssystemen im Wert von etwa zwei Milliarden Euro in die Ukraine vor. Finanziert werden soll die Lieferung von Deutschland. Letzte Details, etwa bei der Logistik oder Finanzierung, müssten aber noch geklärt werden, doch diese seien "lösbar". Entsprechend erleichtert zeigt sich Pistorius nach dem Gespräch und verspricht, die Länder würden sich nun "schnell an die Arbeit machen".

Die Idee zur Lieferung der Raketenabwehrsysteme entstand laut Pistorius bei einem Telefonat mit Hegseth vor einigen Wochen. Bei dem ersten Aufeinandertreffen der beiden Minister in den Vereinigten Staaten sollte es eigentlich primär darum gehen, ob und wie die USA der Ukraine weitere Flugabwehr zur Verfügung stellen werden. Doch nun gibt es bei diesem Thema weniger offene Fragen zu klären. Pistorius wird das nicht gestört haben. Auch so hatten er und Hegseth genug zu besprechen.

US-Truppenabzüge und neue Raketen

So prüft das Pentagon derzeit, ob und wie viele US-Soldaten aus Europa abgezogen werden könnten. Die Ergebnisse werden voraussichtlich im September vorliegen. Das Bundesverteidigungsministerium erwartet eine Verlagerung von Europa in die Indopazifik-Region. Laut Pistorius gehe es in diesem Fall darum, die verlorenen Verteidigungsfähigkeiten in Europa mit den europäischen NATO-Partnern aufzufangen. Er stellt sich inzwischen auf eine Reduzierung der rund 38.000 in Deutschland stationierten Soldaten ein und hat mit Hegseth eine enge Abstimmung darüber vereinbart, wie diese Reduzierung geordnet ablaufen könnte.

Auch machte Pistorius deutlich, dass Deutschland die weitreichende Präzisionswaffe Typhon von den USA kaufen möchte, mit der Raketen mit einer Reichweite von etwa 2000 Kilometern abgefeuert werden können. "Vereinfacht ausgedrückt sind das landbasierte Abschussrampen, mit denen unterschiedliche Lenkflugkörper auf verschiedene Distanzen verschossen werden können", sagt Pistorius. Das Waffensystem könnte auch Ziele in Russland erreichen, soll aber nach der Versicherung von Pistorius ausschließlich der Abschreckung dienen.

Beschlossen sei der Kauf noch nicht. Deutschland hat lediglich Interesse an den Waffen bekundet. Die USA prüfen nun, ob sie bereit sind, zu liefern. US-Verteidigungsminister Pete Hegseth habe die Anfrage in einem Gespräch wohlwollend zur Kenntnis genommen. Doch bis die Systeme einsatzfähig sind, könnte es lange dauern. Die Bundesregierung hofft weiter darauf, dass die USA, wie im vergangenen Jahr vom damaligen US-Präsidenten Joe Biden versprochen, ab 2026 eigene Mittelstreckenwaffen in Deutschland stationieren werden.

Zwei sehr gegensätzliche Lebensläufe

Pistorius und Hegseth sind bereits mehrfach aufeinandergetroffen. Sie passen auf den ersten Blick so gar nicht zueinander. Auf der einen Seite der Niedersachse Pistorius. In der Kommunal- und Landespolitik verwurzelter Fußballfan mit einem guten Gespür dafür, wann und wie er einen Raum mit einem Spruch auflockern kann. Auf der anderen Seite Hegseth. Ein ehemaliger Moderator des Krawallsenders Fox News, der sich gerne mit Waffen zeigt und über dessen Tattoos es ganze Zeitungsartikel gibt. Was sie verbindet: Beide haben in den Streitkräften gedient.

Wie kommen sie also miteinander aus? Knapp fünf Sekunden dauert der Handschlag zwischen beiden, die Begrüßung ist freundlich-professionell. Nach den militärischen Ehren - Pistorius singt bei der deutschen Hymne mit, Hegseth steht während seiner Hymne stramm und salutiert - sprechen beide 45 Minuten miteinander. Links die deutsche Delegation, rechts die amerikanische. Im Anschluss legt Pistorius einen Kranz an der Gedenkstätte des 11. Septembers am Pentagon nieder. Ohne Hegseth. Das gehört zum Standard-Programm für deutsche Verteidigungsminister in Washington. Auch Standard ist, dass der Minister dort nicht sein obligatorisches Pressestatement geben darf.

Stattdessen wählt das Ministerium eine kleine Bar an einem Hafen für Sportboote mit Blick auf das Pentagon, wo Pistorius über das Gespräch informiert. Er habe Hegseth einen "Bierhumpen aus Grafenwöhr" Dort war dieser für eine kurze Zeit als US-Soldat stationiert gewesen. Abgerundet wurde das Ganze mit einem Bildband. Es sei "insgesamt ein sehr fruchtbarer Austausch" und ein "sehr freundschaftliches Gespräch" gewesen. Es habe viele "gute Ergebnisse und vor allen Dingen einen klaren Blick auf die nächsten Schritte, die zu machen sind" gegeben. Hegseth hat das offenbar gefallen. Genauso wie der volle Geldbeutel, mit dem sein Besuch neben dem Bierkrug aus Süddeutschland angereist ist.

Wendepunkt? "Kann sein"

Für Pistorius kommt dieser Besuch zum richtigen Zeitpunkt. Deutschland wird in Zukunft fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung und verteidigungsrelevante Infrastruktur ausgeben und damit den Beschluss der NATO-Staaten umsetzen. Noch vor wenigen Monaten hatte Hegseth in einem Chat, der durch einen US-Journalisten veröffentlicht wurde, über die europäischen Partner als "Schmarotzer" gelästert.

Doch nun schlägt er ganz andere Töne an. Hegseth würdigt die "langjährige Partnerschaft". Er und Pistorius hätten sich bereits bei einer Reihe von Treffen kennengelernt und seitdem könne man "unglaubliche Fortschritte" innerhalb der NATO sehen. Deutschland habe die Führung übernommen und zu den Verteidigungsausgaben bekannt. Lobende Worte, die Mut machen. Doch das kann sich im volatilen Washington von heute auch schnell ändern.

Das weiß auch Pistorius. Und so bezeichnet er die an diesem Tag von der US-Regierung bekanntgegebenen Entscheidungen und seinen Besuch auch nicht als "Wendepunkt" im Ukraine-Krieg. "Ich bin vorsichtig mit solchen Prognosen oder Erwartungen." Dann schiebt Pistorius hinterher: "Aber ja. Das kann sein."

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