Stundenlange Verhöre, Handy-Durchsuchungen, Abschiebehaft: Der deutsch-amerikanische Anwalt Christian Thier warnt vor drastisch verschärften Bedingungen an US-Grenzen. Wer in Trumps Amerika einreist, riskiere mehr als nur einen gescheiterten Trip.

Manchmal reicht ein falscher Satz. Oder ein alter Facebook-Post. Oder die falsche Antwort am falschen Schalter. Wer heute in die USA fliegt, für den steht an der Grenze viel auf dem Spiel: Ausweisung ohne Vorwarnung und ohne Verfahren.

"Die meisten deutschen Touristen, die in die USA reisen möchten, müssen sich keine großen Sorgen machen. Problematisch kann es aber werden, wenn jemand in der Vergangenheit gegen Visa-Bestimmungen verstoßen hat oder wenn irgendwelche Aussagen im ESTA-Antrag (elektronische Einreisegenehmigung, Anm. d. Red.) nicht korrekt waren. Da wurden früher ein oder zwei Augen zugedrückt", sagt Christian Thier im ntv-Podcast "Biz & Beyond".

Der Rechtsanwalt ist Präsident der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer in Florida, wo er überwiegend lebt. Thier ist zugelassener Anwalt in Deutschland und in den USA. Seit über 30 Jahren betreut er deutsche Unternehmen in den Vereinigten Staaten. "Es war schon immer so, dass die Beamten bei der Einwanderung fast vollständiges Ermessen hatten. Und jetzt sieht es so aus, als ob das Ermessen sehr viel strenger ausgeübt wird", sagt Thier. "Richtig sicher kann sich keiner fühlen."

Wer einmal abgewiesen wurde, habe laut Thier ein dauerhaftes Problem: "Du wirst dann zurückgeschickt. Es gibt keinen Widerspruch, es gibt keinen Einspruch, es gibt keine Berufung." Auch das vereinfachte ESTA-Verfahren sei dann passé. Die Folge: langwierige Visaverfahren, bei denen jede Grenzepisode offen gelegt werden muss - ein weiterer Risikofaktor.

"Alles andere lädt zu Problemen ein"

Was bei der Einreise zählt, ist absolute Ehrlichkeit - und Vorsicht. Thier rät Reisenden mit ESTA-Verfahren dazu, die Frage, ob man in den USA arbeiten wolle, mit einem klaren "Nein" zu beantworten - und sich daranzuhalten: "Alles andere lädt zu Problemen ein." Selbst scheinbar harmlose digitale Tätigkeiten wie Postings im beruflichen Kontext oder E-Mail-Bearbeitung könnten kritisch aufgefasst werden.

Bei ESTA-Anträgen können und bei Visumsanträgen müssen nunmehr alle Social-Media-Accounts der vergangenen fünf Jahre angegeben werden. "Tatsächlich kann der Einwanderungsbeamte den Einreisenden auffordern, den Account zu öffnen", erklärt Thier. "Wir haben schon gehört, dass Personen, die sich dort kritisch über die USA oder den Präsidenten äußern, die Einreise verweigert wird."

Gleiches gilt für die Durchsuchung von Smartphones und Laptops: "Wenn man einreisen möchte, muss man den Grenzbeamten Zugriff geben. Wenn man es nicht möchte, wird die Einreise verweigert." Selbst US-Rechtsanwälte und Journalisten seien an der Grenze genötigt worden, ihre Passwörter preiszugeben, berichtet Thier im Podcast.

Wer per Visum und nicht per ESTA in die USA reist, solle sich am besten schon bei der Beantragung einen Anwalt hinzuzuziehen. Ansonsten hätten Anwälte im Falle einer Einreiseverweigerung nur noch beschränkte Möglichkeiten, tätig zu werden.

Thier hat erlebt, wie stark die Verunsicherung inzwischen ist. "Viele Geschäftsleute nehmen ihr Handy nicht mehr mit, reisen weniger oder gar nicht mehr", berichtet der Anwalt. "Deals werden nicht abgeschlossen, Termine abgesagt oder einfach nicht wahrgenommen."

Angesichts der allgemein aufgeheizten politischen Lage rät der erfahrene Rechtsanwalt derzeit sogar von Aufenthalten in den USA ab: "Ich bin großer Amerika-Fan und lebe seit 30 Jahren hier. Aber im derzeitigen Gesamtumfeld würde ich eher davon abraten, Zeit in den USA zu verbringen. Ich empfehle, erstmal abzuwarten, wie sich alles entwickelt."

Bundesregierung hat Reisehinweise angepasst

Auch das Auswärtige Amt hat seine Reisehinweise für die USA zuletzt im März angepasst. Es könne bei Ein- oder Ausreise in den USA zu "Festnahme, Abschiebehaft und Abschiebung" kommen, schreibt das Auswärtige Amt. Gründe dafür könnten "Vorstrafen in den USA, falsche Angaben zum Aufenthaltszweck oder auch nur eine geringfügige Überschreitung der Aufenthaltsdauer sein". Dies bedeute aber keine Reisewarnung für die USA, teilte die Behörde mit.

Zudem hebe das Auswärtige Amt in seinen Reisehinweisen nun klarer hervor, dass eine elektronische Einreisegenehmigung oder ein Visum nicht in jedem Fall zur Einreise in die USA berechtige, teilte ein Sprecher mit. "Die finale Entscheidung darüber, ob eine Person in die USA einreisen kann, liegt bei den amerikanischen Grenzbehörden. Aber das ist keine Überraschung, das ist auch in Deutschland so."

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