Innenminister Dobrindt feiert verstärkte Grenzkontrollen und Zurückweisungen als großen Erfolg, räumt jedoch ein, dass die Zahlen schon länger zurückgehen. Die AfD fällt mit der Behauptung auf, es seien "Kindstötungen bis zur Geburt" geplant.

Am dritten Tag der Haushaltsberatungen im Deutschen Bundestag hat Bundesinnenminister Alexander Dobrindt vor allem die Migrationspolitik der neuen Bundesregierung gelobt - und damit sich selbst. "Die Migrationswende wirkt, die Zahlen gehen zurück", sagte der CSU-Politiker. "Wir machen aus der Migrationswelle eine Migrationswende." Seine Rede war der Auftakt zu einer Debatte über den Haushalt des Bundesinnenministeriums, den sogenannten Einzelplan 06 im Bundeshaushalt 2025.

Weniger als 7000 Erstanträge auf Asyl seien im Juni gestellt worden. Das seien 60 Prozent weniger als im Vorjahresmonat und 70 Prozent weniger als im Juni 2023. Das stimmt: Im Juni wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 6860 Erstanträge gestellt. Zum ersten Mal stehe Deutschland nicht auf Platz 1 der Zielländer, sondern auf Platz 3, "und das ist ein Erfolg der Maßnahmen dieser Bundesregierung", sagte Dobrindt.

Allerdings gehen die Zahlen schon eine ganze Weile zurück, was der Minister auch einräumte: Der Erfolg habe im September mit den Zurückweisungen begonnen. "Es war die richtige Entscheidung, deshalb gehen wir diesen Weg konsequent weiter." Dobrindt verwies auf die Ausweitung der sicheren Drittstaaten, die künftig per Rechtsverordnung möglich sein soll, "damit das nicht mehr im Bundesrat blockiert werden kann". Auch das Recht auf einen Pflichtverteidiger für abgelehnte Schutzsuchende in Abschiebehaft werde abgeschafft. Grüne und Linke kritisieren dies als Schwächung des Rechtsstaats.

Dank an Faeser von der SPD

Ausdrücklich würdigte der SPD-Haushaltspolitiker Martin Gerster die Vorarbeit der bisherigen Innenministerin Nancy Faeser von der SPD. Er verwies darauf, dass Dobrindt durch die Reform der Schuldenbremse neue Möglichkeiten habe, um in die Sicherheitsarchitektur des Landes zu investieren. "Von solchen Bedingungen hätte Ihre Vorgängerin nur träumen können. Sie musste dem damaligen Finanzminister Christian Lindner ja fast jeden Cent einzeln abringen."

Dobrindt räumte auch ein, dass nationale Maßnahmen allein nicht ausreichten. "Die Migrationsebene muss auf europäischer Ebene gelingen." Sein Ziel sei, "die migrationspolitische Isolierung Deutschlands innerhalb Europas" aufzuheben. Deshalb werde er sich in der kommenden Woche mit den Innenministern aus Frankreich, Polen, Österreich, Tschechien und Dänemark sowie mit dem EU-Kommissar für Inneres und Migration auf der Zugspitze treffen. Warum das Treffen unbedingt auf der Zugspitze stattfinden muss, erklärte Dobrindt nicht. "Es ist Zeit, dass Deutschland im Lösungsteam sitzt und nicht mehr im Bremserhäuschen."

Erneut kündigte der Innenminister einen "Cyberdome" für Deutschland sowie die Gründung eines deutsch-israelischen Zentrums für Cyberforschung an. "Wir rüsten auf, wenn es um die Sicherheit der Bevölkerung in diesem Land geht", sagte er.

AfD-Redner faselt von "Kindstötung bis zur Geburt"

Von der AfD kam wie bereits am Vortag massive und in weiten Teilen unsachliche Kritik. Von der Migrationswende sei "nichts mehr übrig", sagte der AfD-Innenpolitiker Gottfried Curio, der von "Wahlbetrug" und "reiner Symbolpolitik" sprach. Vor allem beschimpfte Curio die SPD und warf der CDU vor, nicht mit der AfD zu koalieren. Fraktionschefin Alice Weidel quittierte dies mit einem Lächeln.

Einigungsfähig sei zwischen beiden, "Linksextremisten ins Verfassungsgericht, die Kopftuchlehrer wollen", deklamierte Curio theatralisch, "Kindstötung bis zur Geburt!" Mit dem Haushalt des Bundesinnenministeriums hat das nichts zu tun: An diesem Freitag findet im Bundestag die Wahl eines neuen Richters und zwei neuer Richterinnen zum Bundesverfassungsgericht statt. Auf Vorschlag der SPD soll unter anderem die Richterin Frauke Brosius-Gersdorf gewählt werden. Sie ist auch in der Union umstritten, weil sie einer liberalen Position beim Abtreibungsrecht zuneigt; in diese Kerbe wollte Curio schlagen. Der Richterin aber auch nur indirekt zu unterstellen, sie befürworte "Kindstötung bis zur Geburt" ist komplett wahrheitswidrig. In den USA war US-Präsident Donald Trump vor einigen Jahren übrigens noch weiter gegangen: Er hatte Demokraten vorgeworfen, Abtreibungen nach der Geburt zulassen zu wollen. Auch dies war gelogen.

"Eine Watschn" für Dobrindt

Der Grünen-Haushaltspolitiker Leon Eckert kritisierte in seiner Rede vor allem die Grenzkontrollen. Ihr Preis seien stundenlange Staus, Verspätungen für Pendler auch in der Bahn, ökonomische Schäden in den Grenzregionen sowie eine Überlastung der Bundespolizei. Eckert kritisierte, dass Dobrindt die Aufnahmeprogramme aus Afghanistan stoppen, dafür aber mit dem Taliban-Regime reden wolle. "Das ist mehr als ehrenlos."

Der haushaltspolitische Sprecher der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, zitierte die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie habe gesagt: "Wenn jemand an der deutschen Grenze 'Asyl' sagt, dann muss er erstmal ein Verfahren bekommen. Meinetwegen direkt an der Grenze. Aber ein Verfahren." Da habe Merkel "schlicht recht". Dobrindt habe diesen Grundsatz des Rechts und der Menschlichkeit ausgehebelt und dafür gerichtlich "eine Watschn" bekommen, wie man in der CSU sagen würde, so der Norddeutsche.

Bartsch spielte damit auf das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts, das drei Zurückweisungen für rechtswidrig erklärt hatte. Aus Sicht der Bundesregierung handelt es sich um Einzelfälle, nicht um eine grundlegende Kritik am Vorgehen der Bundesregierung. Hier hat der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts sehr eindeutig widersprochen.

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