Die Generaldebatte ist der Höhepunkt jeder Haushaltsdebatte. Und tatsächlich fliegen die Fetzen. Was auch daran liegt, dass AfD-Chefin Weidel die erste Rede hält und Merz mit Übertreibungen, Lügen und Halbwahrheiten angreift. Aber auch von links wird der Kanzler in die Mangel genommen.
Friedrich Merz kann austeilen, das hat er als Oppositionsführer immer wieder gezeigt. Als Bundeskanzler musste er nun einstecken. In seiner ersten Generaldebatte zum Haushalt droschen AfD-Chefin Alice Weidel, Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge und die Linke Heidi Reichinnek auf ihn ein. Weidel allerdings besonders brachial - sie nahm es mit der Wahrheit nicht so genau. Teils offen rassistisch stellte sie Deutschland als ein Land am Abgrund dar, von Migranten überrannt und mit Messerangriffen an jeder Ecke. Für Zuwanderer hatte sie nicht ein gutes Wort übrig.
Dröge und Reichinnek von der Linken nahmen den CDU-Chef ebenfalls in die Mangel. Sie blieben deutlich enger bei den Fakten: Dröge wetterte gegen das, was sie als "krassen Rückschritt" im Klimaschutz bezeichnete, Reichinnek wütete, die Regierung aus Union und SPD nehme mit ihrem Haushalt den Armen und gebe den Reichen. So war es eine hitzige Generaldebatte - die phasenweise zur Generalabrechnung mit Merz und der Bundesregierung wurde, die mittlerweile seit gut zwei Monaten im Amt ist.
Der Bundeskanzler sah das erwartungsgemäß alles deutlich anders als seine Kritikerinnen. Aus seiner Sicht hat die Regierung einen guten Start hingelegt. Die Stimmung im Land drehe sich, sagte er. Seine Amtszeit stehe im Zeichen des russischen Krieges gegen die Ukraine - woraufhin die AfD-Abgeordneten aufjaulten. "Das ist ja eine interessante Reaktion", sagte Merz. Gerade erst habe es die schlimmsten Luftangriffe Russlands auf die Ukraine gegeben. Weidel aber habe nicht ein Wort darüber verloren. "Das sagt etwas aus!", rief Merz.
Als Kanzler spricht Merz anders
Als er noch Opposition gegen Kanzler Olaf Scholz machte, hatte Merz die Debatten belebt - mit schneidenden, messerscharfen, teils herablassenden Tiraden. Als Kanzler schlägt er einen anderen Ton an. Sachlicher, weniger emotional.
Er begann seine Rede mit der Außenpolitik. Deutschland werde wieder wahrgenommen. Er als Kanzler fülle wieder die Führungsrolle aus, die Europa von Deutschland erwarte. Die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigung sei richtig gewesen.
"Wenn wir das nicht getan hätten, wenn wir AfD und Linken in dieser Frage gefolgt wären", sagt er, "dann wäre die Nato im 70. Jahr unserer Mitgliedschaft wahrscheinlich auseinandergebrochen." Der Ukraine werde Deutschland jedenfalls weiterhin helfen, "auch gegen den Willen der politischen Linken und der Russlandfreunde hier im Haus" - ein Seitenhieb auf die AfD. "Die Mittel der Diplomatie sind ausgeschöpft."
Innenpolitisch pries er den "Wirtschaftsbooster", deren Kern die "Turbo-Abschreibungen" sind. Unternehmen dürfen künftig Investitionen, zum Beispiel in Maschinen, drei Jahre lang zu 30 Prozent von der Steuer absetzen. Dadurch sparen sie viel Geld. Es ist eine Maßnahme, die Ex-Wirtschaftsminister Robert Habeck schon so ähnlich geplant hatte. Jetzt verspricht sich die Union davon starke Impulse für die Wirtschaft. Dass die wieder in Schwung kommt, ist ohnehin oberstes Ziel. Wächst sie, steigen Löhne, Konsum und vor allem auch die Steuereinnahmen.
Auch das Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz - noch einmal 500 Milliarden Euro Schulden - verteidigte Merz. "Niemand von uns tut das mit leichter Hand. Wir wissen, dass dies eine erhebliche Belastung zukünftiger Haushalte ist", sagte Merz. Aber die Alternative nichts zu tun, sei auch nicht besser gewesen. Was auch gut vier Monate nach der Wahl ein krasser Kontrast zu seiner Wahlkampf-Botschaft war. Damals hatte der CDU-Vorsitzende noch vor allem fürs Sparen geworben und sich gegen neue Schulden gestellt.
Weidel verkörpert das Gegenteil
Mindestens ein Schönheitsfehler in der Bilanz der jungen Koalition ist die Sache mit der Stromsteuer. Eigentlich sollte die für alle gesenkt werden, doch nun profitieren kleinere Unternehmen und private Haushalte nicht davon. Dabei hatte Merz immer dafür geworben. Die Senkung für alle stand sogar im Koalitionsvertrag. Aber, sagte Merz, auch so würde eine vierköpfige Familie ab kommendem Jahr um bis zu 150 Euro im Jahr entlastet. Mit der Steuersenkung wären es 200 Euro gewesen. Drei Viertel seien erreicht, warb Merz. Insgesamt zeigte er sich ziemlich zufrieden, seine Botschaft war ein zuversichtliches "So weit, so gut".
Das komplette Gegenteil verkörperte Alice Weidel. Die AfD-Politikerin durfte als Chefin der größten Oppositionspartei die Debatte eröffnen. Die Zeit nutzte sie zu einer Litanei, einer Tirade, einer vernichtenden Kritik an Merz und der Bundesregierung. "So geht ihre Kanzlerschaft als größter Wahlbetrug in die deutsche Geschichte ein", sagte sie über seine gebrochenen Wahlversprechen.
Das war perfide: Denn Betrug ist kriminell, bedeutet eigentlich Wahlfälschung. Ein Wortbruch ist auch nicht schön, betrifft aber "nur" die Glaubwürdigkeit des Politikers. Mit solchen rhetorischen Tricks stellte sie Merz letztlich als Verbrecher dar. Genau wie Syrer, Afghanen und Iraker, die sie letztlich pauschal als messerstechende, vergewaltigende Horde abstempelte. So schlug sie selbst für AfD-Verhältnisse ungewohnt offen rassistische Töne an. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch sagte später: "Ich sage es mal mit Roland Kaiser: 'Was hat dir dein Herz gestohlen'?" Anschließend bekräftigte er die Forderung nach einem Verbotsverfahren der AfD.
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge nahm Merz ebenfalls in die Mangel. Ihre Attacken waren hart, speisten sich aber nicht aus Erfindungen oder maßlosen Übertreibungen. "Sie haben mich überrascht", sagte sie an Merz gerichtet. "Ich hätte wirklich gedacht, wenn es eines gibt, das Ihnen in dieser Koalition keine Probleme bereiten würde, dann wäre es das Geld". Das saß, denn mit 850 Euro Milliarden Schulden bis 2029 hat Merz tatsächlich mehr Geld zur Verfügung als jeder Kanzler vor ihm - was Dröge ebenfalls anmerkte.
Dröge kritisierte Merz ferner für seine "Zirkuszelt"-Bemerkung im Streit um Beflaggung des Reichstagsgebäudes mit der Regenbogenfahne. Es stimme, der Bundestag sei kein Zirkuszelt, aber Merz auch nicht der "Pausenclown". Als Bundeskanzler müsse er sich vor Menschen stellen, die sexuellen Minderheiten angehören und angefeindet werden.
Klöckner schreitet ein
Schließlich verlangte Dröge mehr Entschlossenheit in Sachen Klimaschutz. Der sei kein Exklusiv-Thema der Grünen. Sie konstatierte der Koalition einen "krassen Rückschritt". Umweltschädliche Subventionen würden erhöht, Geld aus der Lkw-Maut gehe ausschließlich in den Straßenbau und auf Borkum solle wieder nach Gas gebohrt werden.
Linken-Chefin Heidi Reichinnek rief Merz entgegen, mit dem Haushalt kehre er den Menschen den Rücken zu. Es werde von unten nach oben umverteilt. Das Geld sei eigentlich da, es sei nur falsch verteilt. Die Schere zwischen Arm und Reich gehe immer weiter auseinander. "Es kotzt mich an, ihre Ausreden dafür zu hören", schimpfte sie. Aber auch an die AfD wandte sie sich. Alice Weidel warf sie Heuchelei vor. "Wie lebt es sich denn so in der Schweiz mit der doppelten Diät?", rief sie ihr zu. Die AfD hatte jüngst ihre Zulagen verdoppelt.
Die Generaldebatte hatte Feuer, erneut griff Bundestagspräsidentin Julia Klöckner ein, ermahnte die Abgeordneten zu Etikette und drohte mit Ordnungsrufen, etwa weil jemand aus der AfD-Fraktion "Bullshit" rief. Die Legislaturperiode dürfte kein bisschen weniger spannungsvoll werden als die vorangegangene.
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