Bis August beabsichtigt Verteidigungsminister Pistorius einen Gesetzentwurf für ein neues Wehrdienst-Modell vorzulegen. Einem "Spiegel"-Bericht zufolge läuft das Gesetz auf eine Wehrpflicht auf Abruf hinaus. Diese soll der Bundestag bei Bedarf scharf stellen können. Ärger scheint vorprogrammiert.

Die Bundesregierung könnte nach der parlamentarischen Sommerpause eine Wehrpflicht auf Abruf beschließen, die über das bisher diskutierte Modell einer reinen Freiwilligkeit hinausgeht. Das geht aus einem Bericht des "Spiegel" vor, der sich auf einen 50-seitigen Gesetzentwurf aus dem Haus von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius beruft. Der Sozialdemokrat will im August sein Gesetz für das seit vielen Monaten heiß diskutierte Wehrdienst-Modell vorlegen. Dieses zielt dem Bericht zufolge im Kern darauf ab, die Truppenstärke mit freiwilligen Maßnahmen zu erhöhen. Sollte die angepeilte Sollstärke aber zum Zeitpunkt eines Ernstfalles nicht erreicht sein, soll der Bundestag auf Bitten der Bundesregierung eine Wehrpflicht beschließen können.

Die angedachten Voraussetzungen für diesen Schritt sind aber offen: Braucht es eine verschärfte Bedrohungslage? Oder reicht die Feststellung der Bundesregierung aus, wonach auf Freiwilligkeit beruhende Anwerbemaßnahmen bei unveränderter Bedrohungslage nicht ausreichend zusätzliche Soldaten und Soldatinnen herbeigeführt haben? Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD besagt: Erst Freiwilligkeit bei der Anwerbung, aber eine Wehrpflicht, wenn dies nicht ausreicht, um den Personalbedarf zu decken. Während sich die Union auch eine Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht hätte vorstellen können, ist eine Pflicht-Regelung unter Sozialdemokraten umstritten.

Beim SPD-Bundesparteitag Ende Juni rang Pistorius unter anderem mit der Parteinachwuchsorganisation Jusos um eine Kompromissformel. Der Parteitagsbeschluss lautete hernach: "Wir müssen reagieren können, wenn die sicherheitspolitische Lage oder die Bedarfe der Bundeswehr dies erfordern. Wir wollen keine aktivierbare gesetzliche Möglichkeit zur Heranziehung Wehrpflichtiger, bevor nicht alle Maßnahmen zur freiwilligen Steigerung ausgeschöpft sind." Das lässt viel Raum zur Deutung, wann diese Maßnahmen denn tatsächlich "ausgeschöpft" sind.

Sechs Monate Wehrpflicht, 260.000 Soldaten und Soldatinnen

Der vom "Spiegel" zitierte Gesetzentwurf, der sich zudem bis August noch in gewichtigen Details ändern könnte, bleibt in dieser Frage offenbar unspezifisch. Geplant ist demnach, ab kommendem Jahr zunächst alle ab 2008 geborenen jungen Menschen anzuschreiben und Männer zur Antwort zu verpflichten. Abgefragt werden sollen neben dem jeweiligen Interesse am Wehrdienst auch persönliche Daten zu Gesundheitszustand und Bildungsabschluss. Ab 2027 sollen dann auch wieder junge Menschen gemustert werden.

Wie bereits aus Regierungs- und Parlamentskreisen verlautete, soll über den freiwilligen Wehrdienst nach Möglichkeit die Zahl der Reservisten von derzeit 100.000 auf 200.000 verdoppelt werden. Zudem soll die Zahl von derzeit mehr als 180.000 Berufssoldaten, Zeitsoldaten und freiwillig Wehrdienstleistenden deutlich anwachsen. Mit dem neuen Wehrdienst-Modell ist ein Anwuchs auf insgesamt 260.000 Soldaten und Soldatinnen binnen zehn Jahren angepeilt. Der freiwillige Wehrdienst soll sechs Monate dauern. So lange dauerte auch der Grundwehrdienst in den letzten Monaten vor dessen Aussetzung im Sommer 2011.

Der Gesetzentwurf wird Regierung und Parlament in den kommenden Monaten intensiv beschäftigen. Die SPD dürfte die Latte für eine Scharfstellung der Wehrpflicht eher höher, die Union eher niedriger hängen wollen. Die Grünen sind gegen eine Wehrpflicht, unterstützen aber die Wehrerfassung, um im Ernstfall reagieren zu können. Die Linke lehnt eine Wehrpflicht rundweg ab. Die AfD ist offiziell zwar für die Wiedereinführung einer Wehrpflicht, intern ist das Thema aber hochumstritten.

In der Bevölkerung wächst tendenziell die Zustimmung zur Rückkehr zur Wehrpflicht. Im RTL/ntv Trendbarometer sprachen sich 59 Prozent der Befragten dafür und 37 Prozent dagegen aus. Im Februar 2022 lag das Verhältnis noch bei 49 zu 44 Prozent. Allerdings ist der Rückhalt unter den potenziellen Betroffenen geringer: In der Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen ermittelte das Institut Forsa eine Zustimmung von 29 Prozent der Befragten und 61 Prozent Ablehnung.

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