Fünf Jahre ist es mittlerweile her, dass die Corona-Pandemie begann. Nie Dagewesenes, Undenkbares passierte: Zehntausende starben allein in Deutschland an Covid-19. Lockdown, Maskenpflicht und andere Maßnahmen stellten den Alltag auf den Kopf. Jetzt will der Bundestag diese Jahre aufarbeiten - endlich.
Im vergangenen Herbst brach die Ampelkoalition doch noch auseinander - und als die Rückblicke auf dreieinhalb Jahre SPD vs. Grüne vs. FDP erschienen, konnte man sich wundern. Bei ihrem Amtsantritt im Herbst 2021 saßen da Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck ja noch mit Masken im Bundestag! Dabei war die Corona-Pandemie doch schon längst im Rückspiegel verschwunden - andererseits hatte diese Koalition nur dreieinhalb Jahre gehalten. Wie passte das zusammen?
Psychologen können das vermutlich erklären. Schlimme Zeiten verdrängt man, man genießt die alte neue Normalität in vollen Zügen. So wie die Luft in vollen Zügen, die man 2023 plötzlich wieder ohne Maske einatmen durfte. Und ohne Angst. Wobei sich das anfänglich noch etwas wackelig anfühlte, wie ein Gang auf dünnem Eis. War das wirklich in Ordnung, ohne Maske zwischen all diesen Fremden in der Bahn zu stehen? Aber nach ein paar Wochen: Guck mal, da trägt noch einer Maske. Wie damals.
Die Corona-Jahre waren ein welthistorisches Ereignis. Als China in den Lockdown ging, in Bergamo sich die Leichensäcke stapelten und plötzlich die ersten Fälle in Deutschland diagnostiziert wurden, brach das Coronavirus in das Leben, den Alltag herein, schreckte alle auf, brachte alle in Alarmstimmung. Ziemlich schnell galt Alarmstufe rot.
Alle wollten wissen, was sie tun sollten
Es war die Stunde der Experten. Der Virologe und Charité-Professor Christian Drosten deutete neue Erkenntnisse, versuchte für alle die Pandemie zu verstehen. Millionen hingen an seinem Podcast. Auch andere Experten taten es ihm gleich. Die Menschen wollten vor allem eines: verstehen, was passiert. Wissen, was sie tun sollen.
Das galt auch für die Politik. Kanzlerin Angela Merkel und ihre Bundesregierung versuchten, das Richtige zu tun. Gesundheitsminister Jens Spahn beschaffte Masken - zu Mondpreisen und zu viele, wie ihm aktuell wieder vorgehalten wird. Aber, das ist die eine Lesart, die Lesart der Mehrheit: Das Management der Pandemie ist der Politik im Großen und Ganzen einigermaßen gut gelungen. Besser als in den USA jedenfalls. Dort konnte Präsident Donald Trump sich nicht entscheiden, ob er sich für die Turbo-Entwicklung eines Impfstoffs feiern lassen oder empfehlen wollte, Bleichmittel zu trinken.
Doch die Maßnahmen der Regierungen, auch der deutschen, waren schier unglaublich. Fußballer spielten vor leeren Rängen. Nur noch kleine Gruppen durften sich treffen. Während der Lockdowns machte alles zu. Arbeitnehmer wurden in systemrelevant und nicht so relevant eingeteilt. Die Wirtschaft ging in den Sturzflug. Schulen wurden geschlossen. Spielplätze mit rotem Flatterband abgesperrt. Leere Regale in den Supermärkten. Toilettenpapier wurde nur noch vereinzelt herausgegeben. Die Bahn brachte Extra-Pasta-Lieferungen aus Italien nach Deutschland. Til Schweiger schimpfte auf Facebook über Jogger ohne Maske. Während auf den Intensivstationen die Beatmungsplätze knapp waren und Patienten teils nach Triage eingeteilt wurden. Wie im Krieg.
Tiefe Gräben, blank liegende Nerven
Schon während der Pandemie brach die Gesellschaft auseinander. Einige wollten nicht mehr Drosten zuhören, der seit Jahren an Corona-Viren forschte und den PCR-Test entwickelt hatte. Stattdessen fanden sie irgendwelche Allgemeinmediziner auf Youtube, denen sie mehr Glauben schenkten. Eltern waren wütend, weil sie ihre Kinder zu Hause übermäßig funktionierende Apps unterrichten lassen mussten. Häusliche Gewalt nahm zu. Als endlich der Impfstoff da war, stellte sich nach der ersten Euphorie heraus: Manche wollen sich nicht impfen lassen. Sie fürchteten Impfschäden.
Das war nicht nur Trotz. Es war auch Unbehagen über eine Führungs- und Deutungselite, die sich in allem einig zu sein schien. Schien, wohlgemerkt. Man konnte diesen Eindruck gewinnen. Eine Regierung, die die Freiheit sehr weit einschränkte. Weil es sein musste. Weil es um Leben und Tod ging. Aber ging sie dennoch zu weit? Die Debatten darüber blieben leise. Durfte man keine andere Meinung mehr haben? Die Gräben waren jedenfalls ziemlich tief, die Nerven lagen ziemlich blank.
Irgendwann leerten sich die Intensivstationen, die Masken wurden zu Souvenirs und Sahra Wagenknecht sagte in einer Talkshow, sie glaube nicht, dass Putin jemals die Ukraine überfallen werde. Und es setzte sich die Lesart durch: Wir sind einigermaßen gut durch die Pandemie gekommen. Vielleicht nicht alles top gelaufen, aber hey, man wusste es auch nicht besser. Ein großes Schwamm-Drüber-Gefühl machte sich breit.
Doch das galt nicht für alle. Denn viele waren eben nicht gut durch die Pandemie gekommen. Nicht die Menschen, die Freunde, Angehörige verloren haben. Nicht die Selbstständigen, denen die Aufträge wegbrachen. Nicht die Kinder, die in der Schule den Anschluss verloren. Nicht Ärzte und Pflegekräfte, denen zwar Applaus gespendet wurde, die aber über Jahre Knochenarbeit leisteten.
Lässt man das alles auch nur schlaglichtweise Revue passieren, wird eines klar: Es war eine unfassbare Zeit. Und so ist es eigentlich kein Wunder, dass auch die Auseinandersetzung darüber unfassbare Ausmaße angenommen hat. Drosten gilt manchen allen Ernstes als Mörder, Spahn als korrupter Raffke und Merkel als abgehobene Dilettantin. Mindestens.
Enquete-Kommission statt Untersuchungsausschuss
So ist es gut, dass sich nun endlich der Bundestag sich mit dem Thema beschäftigt. Am kommenden Donnerstag wollen Union und SPD eine Enquete-Kommission einsetzen. Die soll 28 Mitglieder haben, 14 aus den Parteien, 14 Experten. Ziel der Kommission ist es, die Pandemie aufzuarbeiten. Sie möchten das damalige Handeln bewerten und lernen, was man besser machen kann. Zum Beispiel: Was muss man tun, damit es bei der nächsten Pandemie ausreichend Masken gibt? Wie sehen Krisenpläne künftig aus? Wer macht dann was? Wie hält man ausreichend Plätze auf Intensivstationen vor?
Dabei soll es allerdings nicht darum gehen, Merkel, Spahn oder Drosten an den Pranger zu stellen. Um individuelles Fehlverhalten soll es nicht gehen. Dazu wäre ein Untersuchungsausschuss notwendig gewesen, den nur die AfD will. Wobei Grüne und Linke einen eigenen U-Ausschuss nur zu Spahn und der Maskenbeschaffung fordern.
Es ist höchste Zeit, den Umgang mit der Pandemie aufzuarbeiten. Eine Enquete-Kommission ist der richtige Rahmen. Es geht darum, etwas zu lernen. Wie man es besser machen kann. Denn klar ist eines: Die Gefahr neuer Pandemien ist nicht gebannt.
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