Wenn Friedrich Merz das Stichwort Regenbogenfahne hört, ist seine erste Assoziation offenbar ein Zirkus. Nicht zum ersten Mal spricht er in einer abwertend klingenden Sprache über queere Menschen. Vor fünf Jahren war es noch schlimmer.
Er hat es schon wieder getan: Friedrich Merz hat sich abfällig über Minderheiten geäußert - in einem Stil, der wirkt, als habe er kein Verständnis und wenig Empathie. Ein Oppositionsführer kann so auftreten, wenn ihm das so gefällt. Ein Bundeskanzler sollte es vermeiden.
In der ARD wurde Merz von Moderatorin Sandra Maischberger gefragt, was er von der Entscheidung von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner halte, zum Berliner Christopher Street Day (CSD) keine Regenbogenfahne auf dem Bundestag zu hissen. Merz verwies auf den Fahnenerlass, der vorsieht, dass die Regenbogenfahne am 17. Mai an öffentlichen Gebäuden gehisst wird. Auch Klöckner hatte auf diesen Tag verwiesen, den internationalen Tag gegen Homophobie: Am 17. Mai 1990 strich die Weltgesundheitsorganisation WHO Homosexualität aus ihrem Diagnoseschlüssel für Krankheiten.
Aber Merz beließ es nicht dabei. "Der Bundestag ist ja nun kein Zirkuszelt, auf das man mal beliebig die Fahnen...", dieser Satz endete im Nichts, danach kam Merz noch stärker in Fahrt: "Es gibt einen Tag im Jahr, das ist der 17. Mai, da wird die Regenbogenfahne gehisst, und an allen anderen Tagen ist auf dem Deutschen Bundestag die deutsche Fahne und die europäische Fahne gehisst und keine andere."
Merz sagte dann noch am 17. Mai "ist der Tag, an dem Christopher Street Day stattfindet, an dem auch an diese Gruppen gedacht wird, da kann man eine andere Fahne aufhängen, im Rest des Jahres 364 Tage nicht". Offenbar ging Merz davon aus, dass der Jahrestag des Christopher Street Day der 17. Mai ist. Das ist er nicht: Der CSD erinnert an den sogenannten Stonewall-Aufstand in der Christopher Street in New York, als Homo- und Transsexuelle sich gegen willkürliche Polizeirazzien zur Wehr setzen. Das war am 28. Juni 1969.
2020 dachte Merz beim Thema Homosexualität an Pädophilie
Wichtig aus dem Merz-Zitat ist nicht das falsche Datum. Wichtig ist, wie Merz über Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen spricht: "diese Gruppen". Und beim Stichwort Regenbogenfahne fällt ihm als Erstes ein Zirkus ein. Das ist kein Ausrutscher, das hat eine Vorgeschichte: Im Jahr 2020 wurde Merz von der "Bild"-Zeitung die Frage gestellt, ob er Vorbehalte gegen einen Homosexuellen als Bundeskanzler hätte. Merz antwortete mit einem "Nein". Auf Nachfrage sagte er: "Solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft - an der Stelle ist für mich allerdings eine absolute Grenze erreicht - ist das kein Thema für die öffentliche Diskussion."
Schon damals wurde offenbar, dass Merz' Assoziationen zum Thema Homosexualität in der Vergangenheit liegen, vermutlich irgendwo zwischen 1969 und 1990. Der heutige Unionsfraktionschef Jens Spahn, damals Gesundheitsminister, reagierte seinerzeit mit indirekter Kritik: "Na ja, wenn die erste Assoziation bei Homosexualität Gesetzesfragen oder Pädophilie ist, dann müssen Sie eher Fragen an Friedrich Merz richten", sagte er in einer Pressekonferenz auf die Bitte um einen Kommentar.
Die Entscheidung, die Regenbogenfahne zum Berliner CSD nicht zu hissen, ist eine politische Frage, die man so oder so bewerten kann. Wer aber als Bundeskanzler für sich in Anspruch nimmt, Kanzler aller Deutschen zu sein, der spricht nicht so über Menschen, wie Merz es getan hat (zumal Merz schon gezeigt hat, dass er ganz anders auftreten kann). Gerade ein Konservativer sollte wissen: Das gehört sich einfach nicht.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke