Im Vergleich zur Ampel regiert Schwarz-Rot einigermaßen geräuschlos. Doch nun kommt der Harmonie die Stromsteuer in die Quere. Es ist ein Streit mit Ansage, der auch andere Konflikte aufbrechen lässt.
Manchmal halten Frischverliebte inne und fragen mit einem Anflug von Traurigkeit: Ist das unser erster Streit? Von Frischverliebten auf Friedrich Merz und Lars Klingbeil zu schwenken, ist vielleicht etwas gewagt. Aber so ganz daneben liegt man auch nicht. Für Politiker unterschiedlicher Parteien scheinen sie gut miteinander auszukommen. Sie gingen zum Du über. Und beide eint ein Ziel: Erfolgreich und vor allem ohne viel Streit regieren. Damit die Menschen Union und SPD wieder mehr vertrauen. Und sich fragen: Wie konnte ich bloß jemals überlegen, die AfD zu wählen?
Doch jetzt sind dunkle Wolken über dem gemeinsamen schwarz-roten Koalitionshäuschen aufgezogen. Es geht um die Stromsteuer. Klingt nach einem technischen Detail, aber darin steckt ja bekanntlich der Teufel. Der sorgt nun für dicke Luft zwischen Union und SPD.
Im Koalitionsvertrag hatten beide Partner noch vereinbart, die Stromsteuer für alle zu senken. Die macht bislang etwa zwei Cent des Strompreises pro Kilowattstunde aus. Eine vierköpfige Familie könnte durch eine Senkung zwischen fünf und acht Euro im Monat sparen. Doch Stand jetzt wird daraus nichts. Der Haushaltsentwurf von Finanzminister Klingbeil sieht nur noch eine teilweise Senkung der Stromsteuer vor. Nur noch für produzierendes Gewerbe, Land- und Forstwirtschaft. Nicht aber für kleine und mittlere Betriebe und Privatverbraucher.
Dann kommen sie mit dem Finanzierungsvorbehalt
Das sorgt nun für Ärger - nicht nur Privatleute fragen sich, was das soll. Klar, in der Industrie wird viel Geld verdient und sie verbraucht viel Energie. Hilfe ist also verständlich. Aber auch der Mittelstand und das Handwerk sind wichtig für eine erfolgreiche Wirtschaft. Warum sollen die nicht von einer gesenkten Stromsteuer profitieren?
Weil, so sagt es Klingbeil, die Maßnahme dann fünf Milliarden Euro teurer wäre. Und das Geld nicht da sei. Und, so sagt es Merz, alle Maßnahmen des Koalitionsvertrages unter Finanzierungsvorbehalt standen. Das war so etwas wie die kleingedruckte Fußnote des Koalitionsvertrages. Auf gut Deutsch bedeutet Finanzierungsvorbehalt: Wenn das Geld reicht, machen wir’s. Wenn nicht, dann nicht. Und darauf berufen sich nun Klingbeil und Merz.
Damit haben sie nicht einmal unrecht. Aber sie wirken wie Versicherungsmakler, die einen kalt lächelnd auf irgendeinen Paragrafen im Vertrag aufmerksam machen und erklären, warum sie eine versprochene Leistung nicht erbringen werden, leider, leider. Damit schießen sie ein Eigentor. Finanzierungsvorbehalt hin oder her, wer A sagt, muss auch B sagen. Mit großer Geste im Koalitionsvertrag Dinge ankündigen und dann einen Rückzieher machen, das kommt nicht gut an.
Denn wer für Verteidigungskosten die Schuldenbremse weitgehend aussetzt und Hunderte Milliarden Euro Sonderschulden für Infrastruktur plant, gerät in Erklärungsnot, wenn er fünf Milliarden bei der Stromsteuer sparen will. Das Gefühl: "Für alles ist Geld da, nur für uns nicht", sollte gar nicht erst aufkommen. Sonst wird das nichts mit dem Aufbau von neuem Vertrauen. Auch wenn die neue Regierung da ziemlich klar war: Neue Schulden ja, aber sonst bitte Disziplin im Haushalt, das ist die Merz-Message.
Koalitionsausschuss soll's richten
Das ist schon kompliziert genug. Dann aber erst eine Entlastung anzukündigen und sie dann wieder zu kassieren, das funktioniert einfach nicht. Das sorgt für Enttäuschung, die vermeidbar gewesen wäre. Obwohl die Ersparnis zumindest für viele Privathaushalte gar nicht so wahnsinnig ins Gewicht fallen würde - und zugleich die Gasspeicherumlage gesenkt wird, was einen ähnlichen Effekt hat. Entlastung wird es also geben.
Doch der Unmut ist da. Das merken auch andere in der Union. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst oder auch Unionsfraktionschef Jens Spahn und viele andere schießen sich auf Klingbeil ein. Auch wenn der all das mit Merz abgesprochen hatte. In der SPD sei man sauer, schrieb die "Bild"-Zeitung. Denn insbesondere die CSU drückte teure Maßnahmen wie die Ausweitung der Mütterrente oder die Absenkung der Mehrwertsteuer für Gastronomen durch. Auch das engt die Spielräume für die Stromsteuersenkung ein.
Und jetzt? Soll der Koalitionsausschuss sich der Sache annehmen. Solche Probleme zu lösen, ist seine Jobbeschreibung. Darin sitzen neben Merz und Klingbeil noch sieben andere Parteigrößen wie Markus Söder und Bärbel Bas. Es gibt zwei Möglichkeiten: Hart bleiben und die Sache durchziehen und das nicht vorhandene Geld auch tatsächlich nicht ausgeben. Oder sich korrigieren und doch alle entlasten. Aber notwendig wäre all das nicht gewesen - wenn man nichts versprochen hätte, was man nicht halten kann.
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