Der Bundeskanzler ist zu Gast bei Sandra Maischberger. Weit über 60 Minuten dauert das Gespräch, in dem es auch darum geht, was mit der Koalition möglich ist und was nicht. In der Diskussion um niedrigere Stromsteuern für Privathaushalte könne es noch Bewegung geben, sagt Merz.
Zwei Monate ist Friedrich Merz Bundeskanzler, am Dienstagabend gibt er sein erstes längeres Fernsehinterview seit seiner Wahl. Gut eine Stunde hat er Zeit, Sandra Maischberger in der ARD Rede und Antwort zu stehen. Seine Regierung ist mittlerweile in der Realität angelangt, hat ihr erstes großes Wahlversprechen schon gebrochen: Die Senkung der Energiekosten für alle Bürger zum 1. Januar 2026 soll nicht kommen, sagt Bundesfinanzminister Lars Klingbeil von der SPD- zum Unmut vieler.
Merz stellt sich nun zunächst hinter seinen Minister und Vizekanzler: "Wir haben einen Koalitionsvertrag gemacht und haben in diesem Koalitionsvertrag Vorhaben aufgeschrieben. Und wir haben die Vorhaben, die finanziert werden müssen, allesamt unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt. Alle! Damit war klar, dass wir uns jetzt im Zuge der Haushaltsaufstellung anschauen, was geht und was nicht geht." In den nächsten Jahren komme viel auf die Regierung zu. "Deswegen haben wir gesagt: Wir machen das jetzt eins nach dem anderen. Wenn wir mehr entlasten können, werden wir das tun. Aber wichtig ist jetzt zunächst einmal, dass in Deutschland die Arbeitsplätze erhalten werden können." Deswegen werde zunächst die Wirtschaft entlastet, sagt Merz. Das betreffe etwa 600.000 Unternehmen. "Aber die kleinen Haushalte werden auch entlastet. Und zwar jetzt. Wir werden die Gasspeicherumlage abschaffen beziehungsweise durch den Bundeshaushalt übernehmen und nicht mehr durch die Verbraucher bezahlen lassen."
Aber vielleicht könne man auch bei der Stromsteuer etwas machen, so der Bundeskanzler. "Wenn wir mehr tun können für die privaten Haushalte, dann werden wir das tun. Wir schauen uns das mit gutem Willen noch einmal an. Wir tun, was wir leisten können, was der Haushalt hergibt." Der Koalitionsausschuss an diesem Mittwoch werde sich unter anderem auch damit befassen, so Merz.
Sparpotenzial beim Bürgergeld
Damit weitere Wahlversprechen wie die Mütterrente oder die Senkung der Gastrosteuer doch eingehalten werden können, muss gespart werden. Zum Beispiel beim Bürgergeld, sagt Merz. Dort könnten laut Bundesarbeitsministerium etwa zehn Prozent eingespart werden. Doch der Kanzler geht auch davon aus, dass für den Haushalt bald mehr Geld zur Verfügung stehen wird. Immerhin habe sich gerade in der Wirtschaft die Stimmung in den letzten Monaten zum Positiven gewandelt. "Es ist viel Optimismus da, es sind aber auch viele Hoffnungswerte", so Merz.
Für die nächsten vier Jahre hat Merz wichtige Ziele, die er und seine Regierung umsetzen wollen. Das Ergebnis soll sein, "Deutschland wieder stark und leistungsfähig zu machen." Deutschland sei beliebt, habe aber einige Probleme. Die müssten jetzt angegangen werden. Die Koalition wolle über ein neues Gesundheits-, Pflege- und Rentensystem beraten. Das Renteneintrittsalter soll laut Merz nicht erhöht werden. Wer länger arbeiten will, soll einen steuerlichen Anreiz bekommen - 2000 Euro im Monat sollen steuerfrei sein. "Wir wollen das Arbeitskräftepotenzial besser nutzen", sagt Merz.
"Vernünftige" Kommunikation mit Trump
Ein recht gutes Bild hat Friedrich Merz in den letzten zwei Monaten als Außenpolitiker geliefert. Dreimal hat er inzwischen den US-Präsidenten Donald Trump getroffen. Beide scheinen sich gut verstanden zu haben. "Wir haben offensichtlich einen vernünftigen Weg der Kommunikation miteinander gefunden. Und wenn der amerikanische Präsident und der deutsche Bundeskanzler vernünftig miteinander reden können, egal wer sie sind, dann ist das für sich genommen gut", so Merz. Deutschland müsse sich darauf einstellen, dass die USA ihr Engagement aufrechterhalten, aber nicht so wie in den vergangenen 70 Jahren. "Da geht jetzt eine Zeit zu Ende. Wie sie zu Ende geht und was darauf folgt, wissen wir nicht." Deutschland und Europa müssten in Zukunft sehr viel mehr für die eigene Verteidigung tun. Möglicherweise würden die Beziehungen zu den USA auch wieder besser werden, sagt Merz. "Aber besser ist, wir bereiten uns auf eine schwierige Zeit vor."
Dazu will Deutschland, wie vereinbart, innerhalb von zehn Jahren seine Nato-Zahlungen auf fünf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts steigern. Davon sollen 3,5 Prozent in die Rüstung und 1,5 Prozent in die Infrastruktur wie Straßen und Schienen gehen. "Ich denke, das wird nicht mit Wohlstandsverlusten einhergehen", so Merz. "Dies Land kann trotz der Notwendigkeit, höhere Verteidigungsausgaben zu finanzieren, wohlhabender werden, und das ist unser Ziel." Europa werde jetzt in eine eigene Rüstungsindustrie investieren, damit dieses Geld in der eigenen Industrie und für eigene Arbeitsplätze ausgegeben werden könne.
Das Ziel: Die USA in der Nato zu halten, um Ländern zur Seite zu stehen, falls diese von Russland angegriffen werden sollten. Das habe Trump beim Nato-Gipfel in Den Haag zugesagt. "Ich gehe davon aus, dass man auf sein Wort vertrauen kann", so Merz. Dennoch müsse Europa in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen, auch Deutschland. Nur eines will Merz anscheinend nicht: "Wir haben uns in zwei großen Vertragswerken dazu verpflichtet, keine Atomwaffen zu besitzen." Damit meint er den Atomwaffensperrvertrag und den 2+4-Vertrag im Rahmen der deutschen Einheit. "Ich sehe aus heutiger Perspektive keine Chance, diese Verträge zu ändern." Ähnlich wie CDU-Fraktionschef Jens Spahn kann sich Merz allerdings eine Zusammenarbeit mit Frankreich bei einem Atomschutzschirm für Deutschland vorstellen. "Aber das ist eine Frage von Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten."
Russland-Sanktionen und mehr Waffenlieferungen
Was eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht angeht, unterstützt Merz Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius. Man müsse über die Wehrpflicht reden, sollte es der Bundeswehr nicht gelingen, ihre Attraktivität für junge Soldatinnen und Soldaten zu steigern, sagt er.
Das außenpolitische Ziel des Kanzlers: "Wir müssen bereit sein, Führung zu übernehmen, damit es uns allen auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gut geht." Aktuell gelte: "Wir müssen alles tun, um den Krieg in der Ukraine zu beenden." Deswegen will Deutschland gemeinsam mit den europäischen Staaten die Sanktionen gegen Russland erhöhen sowie mehr Geld und mehr Waffen in das Land liefern. Ob es sich dabei auch um Taurus-Marschflugkörper handelt, will Merz nicht öffentlich sagen. Sollten derartige Waffensysteme in die Ukraine geliefert werden, müssten vorher ukrainische Soldaten daran ausgebildet werden. "Deutschland wird nicht Kriegspartei werden", so Merz. Allerdings greife Russland Deutschland schon heute an: mit hybrider Kriegsführung durch Falschinformationen, durch Anschläge auf Kasernen. "Die Spuren führen allesamt nach Russland", so der Bundeskanzler.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke