Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagt Israel bei seinem Besuch uneingeschränkte Unterstützung zu. Im Interview mit dem Nachrichtensender WELT spricht er über das Ausmaß der Zerstörung durch Beschuss aus dem Iran und Möglichkeiten der Zusammenarbeit im Bereich des Zivilschutzes.
WELT: Herr Dobrindt, Sie haben sich hier unter Politikern auch aus einem bestimmten Grund umgehört – und zwar im Hinblick auf den Zivilschutz, den Israel in den vergangenen zwölf Tagen erneut unter Beweis gestellt hat. Dieser wird international bewundert. Was kann Deutschland hier von Israel lernen?
Alexander Dobrindt: Wir standen heute früh vor einem vollkommen zerstörten Haus und konnten sehen, welches Ausmaß an Zerstörung der Iran hier anrichten kann. Deshalb muss man zunächst einmal sagen: Es ist eine historische Leistung Israels, diese Bedrohung aus dem Iran ausgeschaltet zu haben. Mir war es wichtig, auch heute deutlich zu machen, dass Israel dabei unsere volle Unterstützung hat. Der Iran will mit seinem Atomprogramm eine Atombombe bauen. Das ist eine Bedrohung nicht nur für Israel, sondern auch für die gesamte Welt. Und wenn man heute das Ausmaß der Zerstörung sieht, stellt man fest, dass es der Iran durchaus ernst meint mit der Idee der Auslöschung Israels. Das war also ein wichtiger Teil meines Besuches. Aber Sie haben recht: Wenn wir heute über Gesamtverteidigung sprechen – wie wir es gerade auch in Deutschland tun – dann müssen wir militärische und zivile Verteidigung zusammen denken. Zur zivilen Verteidigung gehören auch Cyberabwehr, Warnsysteme und Schutzräume. Diese Fragen haben wir heute diskutiert. Wie kann man den Zivilschutz in einer Zeit der zunehmenden Bedrohungen neu gestalten? Da haben uns die Israelis viel voraus – und da wollen wir enger zusammenarbeiten.
WELT: Welche konkreten Schritte könnten in Deutschland eingeleitet werden? Zivilbunker etwa gibt es kaum und auch im Hinblick auf Reservisten – sei es bei der Polizei oder der Armee– sieht es momentan mau aus, sollte es tatsächlich zum Ernstfall kommen.
Dobrindt: Wir stellen uns vor, einen Cyberdome zu errichten. Das ist eine Kombination aus dem, was man hier als Iron Dome kennt, und eben einem Cyberdome – der militärische Schutz und der Zivilschutz sollen gemeinsam organisiert werden. Das müssen wir dringend aufbauen. Wir müssen zum einen unsere Cyberabwehr verstärken, die ein wesentlicher Bestandteil hybrider Kriegsführung ist. Ebenso wichtig ist eine Drohnenabwehr und eine bessere Zusammenarbeit der Dienste. Wir müssen die Infrastruktur stärken – von Schutzräumen und vor allem von Warnsystemen. Es braucht die Bereitschaft, gemeinsam mit den Israelis Entwicklungen in diesem Bereich stärker zu forcieren. Deshalb wollen wir die Zusammenarbeit institutionalisieren. Es geht darum, den in Deutschland nicht sehr ausgeprägten zivilen Bevölkerungsschutz wiederzubeleben. Dieser wurde viele Jahre so nicht benötigt, doch heute muss man ihn wieder stärker in den Blick nehmen. Wie funktionieren moderne Warnsysteme und Schutzräume? Und wie kann man auch dafür sorgen, dass diese Schutzräume erreichbar sind?
WELT: Geht es da um konkrete Pläne, Schutzbunker zu bauen und Alarmsysteme zu errichten?
Dobrindt: Schutzbunker baut man heute nicht mehr so, wie man sich das früher vorgestellt hat. Man sorgt dafür, dass auch öffentlich zugängliche Einrichtungen Schutzfunktionen übernehmen können und im Notfall erreichbar sind. Es geht auch darum, an die Bürger heranzutragen, wo sich diese Schutzräume befinden und wie sie erreichbar sind. Das funktioniert natürlich über Digitalisierung. Dafür braucht es entsprechende Warn- und Wegesysteme, die die Menschen dort hinleiten. Über ihre Einrichtung denken wir zurzeit nach. Auch das kann man gemeinsam mit den Israelis machen. Über diese Fragen der Zusammenarbeit reden wir.
WELT: Sie haben sich auch mit Premierminister Benjamin Netanjahu getroffen sowie mit Angehörigen von Geiseln. Sind die Geiseln in dem Gespräch mit Netanjahu zur Sprache gekommen? Gestern sind erneut Tausende Menschen auf den Straßen Tel Aviv zusammengekommen, die ein Ende des Krieges und einen Deal gefordert haben, um die Geiseln nach Hause zu bringen.
Dobrindt: Ja, selbstverständlich. Ich habe sehr bewegende Gespräche mit Familienangehörigen von Geiseln geführt, das war auch Thema in meinen anschließenden politischen Gesprächen. Dabei habe ich sehr deutlich gemacht, dass die Befreiung der Geiseln ein vordringliches Ziel ist. Das sieht die israelische Seite genauso – in Kombination mit einem Waffenstillstand. Und mein Eindruck ist auch, dass man sehr nach dran an einer entsprechenden Einigung ist. Die Gespräche, die ich geführt habe, erwecken den Eindruck, dass ein Waffenstillstand und die Befreiung der Geiseln bevorstehen könnte. Diese Bemühungen müssen und wollen wir auch unterstützen – denn nachdem die Bedrohung aus dem Iran so massiv zugenommen hat und entsprechend eliminiert worden ist, gibt es jetzt die Möglichkeit, in Gaza einen Deal zu schaffen.
WELT: Die Kritik an Israel ist international groß – trotz der vielen Verluste, die das Land hinnehmen musste. Deutschland nimmt hier eine zuweilen ambivalente Rolle ein, etwa wenn man sich Aussagen von Außenminister Johann Wadephul oder Bundeskanzler Friedrich Merz (beide CDU) anschaut. In welcher Rolle sind Sie in Israel, und wie wurde Ihr Besuch wahrgenommen?
Dobrindt: Wir sind uns da vollkommen einig. Israel hat unsere volle Unterstützung, sein Selbstverteidigungsrecht wahrzunehmen. Ich habe nie einen Zweifel daran, gelassen, dass es hier um eine umfängliche Unterstützung geht – sowohl was militärische Fragen als auch alle sonstigen politischen Fragen betrifft. Es ist in der Tat sehr wohlwollend aufgenommen worden, dass der erste internationale Politiker, der in Israel nach dem Waffenstillstand mit dem Iran vor Ort ist, der deutsche Bundesinnenminister ist.
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